Kleine Geschichte der Arbeit

Über die Jahrhunderte hatte Arbeit eine schlechte Reputation. Wer sich ein Leben in Muße leisten konnte, ließ die Arbeit andere verrichten. Die herrschenden Klassen in der Antike und im Mittelalter lebten von den Abgaben und Diensten der Sklaven, Bauern und Leibeigenen. Erst seit der Neuzeit gilt produktive Arbeit als Quelle von Wohlstand und Zufriedenheit.

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Überlebensnotwendigkeit
In der Urzeit waren die Menschen Jäger und Sammler und lebten nomadisch. Arbeit war eng mit dem Überleben verbunden, sie war eine Notwendigkeit, um das eigene Leben zu sichern und die Grundbedürfnisse zu stillen: Nahrung finden, Unterkünfte bauen, sich vor Gefahren schützen.

Sesshaftigkeit und Landwirtschaft
Obschon sich erste Anzeichen von sesshafter Lebensweise bereits vor der Jungsteinzeit finden, gilt die neolithische Revolution der Jungsteinzeit (grob 10.000 bis 4.000 v. Chr.) als die Epoche der Menschheitsgeschichte, die als Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten- und Bauernkulturen mit Ackerbau und Viehzucht definiert wird. Der Anbau eigener Nahrungsmittel ermöglichte den Menschen nun, an einem Ort zu bleiben und sesshaft zu werden. Diese Revolution hatte weitreichende Auswirkungen: Sie führte zur Entstehung von Städten, komplexerer sozialer Strukturen und legte den Grundstein für die Entstehung früher Zivilisationen.

Spezialisierung
Im Laufe der Jungsteinzeit begannen die Menschen, neue Wege zu finden, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Sie entwickelten Werkzeuge und Technologien, die ihnen halfen, ihre Arbeit effizienter zu erledigen. Die Arbeit wurde zunehmend spezialisiert und aufgeteilt. Mit der Entwicklung von Städten und Gesellschaften änderte sich die Natur der Arbeit. Arbeit wurde zu einer Möglichkeit, Wohlstand zu schaffen und einen höheren Lebensstandard zu erreichen.

Griechische und römische Antike
Im alten Griechenland und Rom spielte Sklaverei eine bedeutende Rolle. Sklaven waren für die körperliche Arbeit zuständig, während die freien Bürger sich auf politische und kulturelle Aktivitäten konzentrierten. Die Sichtweise auf Arbeit der Griechen und Römer war unterschiedlich. Während die Griechen intellektuelle und politische Aktivitäten besonders wertschätzten und körperliche Arbeit als weniger ehrenhaft ansahen (sie wurde mit Sklaverei in Verbindung gebracht), erkannten die Römer die Bedeutung von Arbeit für den Fortschritt und den Wohlstand der Gesellschaft an. Arbeit wurde als Mittel zur Erhaltung der sozialen Ordnung und zur Sicherung des Wohlstands angesehen.

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Industrialisierung
Mit der Industrialisierung und der Entstehung von Massenproduktion änderte sich die Art und Weise, wie Arbeit organisiert war. Das Handwerk wurde zunehmend durch maschinelle Produktion ersetzt, die Arbeit wurde standardisiert, und die Menschen wurden oft zu Rädern in einem großen Getriebe, zu Arbeitskräften, die dazu dienen, die Gewinne von Unternehmen zu maximieren. Die Arbeit geriet in den Dienst des Profits, sie wurde zur Pflicht und Notwendigkeit, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Individualität und Bedürfnisse blieben dabei auf der Strecke.

Arbeitskämpfe
Je mehr die Maschinen die Arbeit übernahmen, desto austauschbarer und abhängiger von ihren Arbeitgebern wurden sie. Zudem herrschten teils menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in den Fabriken: z.B. Arbeitszeiten von zwölf Stunden täglich ohne Pausen, eine Arbeitswoche von bis zu 80 Stunden, niedrige Entlohnung. So begannen sich die Arbeiter zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu organisieren, um ihre Interessen durchzusetzen und ihre Rechte einzufordern. Arbeitsniederlegungen und Streiks führten schrittweise zur Einführung von Arbeitsgesetzen sowie zur Bildung von Arbeitervereinen, den Vorläufern von Gewerkschaften.

Selbstverwirklichung
Erst seit jüngerer Zeit finden Menschen Erfüllung darin, durch berufliche Arbeit ihre Talente zu entdecken und ihre Berufung zu verfolgen. Im vergangenen Jahrhundert hat sich ein Wandel vollzogen, bei dem die Menschen zunehmend nach beruflicher Erfüllung und Selbstverwirklichung streben. Arbeit wird nicht mehr nur als Mittel zum Zweck betrachtet, sondern als Möglichkeit, die eigenen Talente zu nutzen, Leidenschaften zu verfolgen und einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Work-Life-Balance
In der modernen Welt scheint die Arbeit übermächtig zu sein. Die Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens damit, ihrer Arbeit nachzugehen, um Geld zu verdienen und ihre Existenz zu sichern. Inmitten des Strebens nach materiellen Zielen kann die sinnstiftende Bedeutung von Arbeit verloren gehen. Vor allem junge Menschen streben daher nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance, ein Begriff, ohne den keine Debatte um den Fachkräftemangel auskommt – als ob es sich bei „work“ und „life“ um zwei streng getrennte Sphären handelte und Arbeit nicht auch Leben sein kann. Warum nicht von Work-Life-Integration anstatt von Work-Life-Balance sprechen?

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Die Zukunft der Arbeit
Über die Zukunft der Arbeit lassen sich freilich keine sicheren Vorhersagen treffen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass, auch wenn neue Technologien und die Automatisierung viele Jobs überflüssig machen werden, die Arbeit ein integraler Bestandteil unseres menschlichen Daseins bleiben wird und eine Quelle von Sinn und Zufriedenheit, von persönlicher und gesellschaftlicher Entwicklung darstellt. Es liegt an uns, die Bedeutung der Arbeit immer wieder neu zu definieren. Vielleicht wird auch das wieder aktuell, was einleitend in Bezug auf die Antike gesagt wurde: Wer sich ein Leben in Muße leisten kann, lässt die (lästige, beschwerliche) Arbeit andere, Maschinen, verrichten.

Haushaltsmanagement als Lohnarbeit?
Es wird immer wieder, sollte aber noch mehr öffentlich diskutiert werden, ob nicht auch die Hausarbeit, also Putzen, Kochen, Wäschewaschen, die Erziehung der Kinder, die noch immer größtenteils von Frauen ausgeführt wird und viel Zeit in Anspruch nimmt, Arbeit ist, die entlohnt werden sollte.

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