Hermann Erlach ist seit 2015 Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich und seit Mai 2021 General Manager. Sein Ziel ist es, die Modernisierung und Digitalisierung des Standortes voranzutreiben und diesen Fortschritt zu einer positiven Erfahrung für alle Österreicher zu machen. Seinen Diplomingenieur in Engineering and Industrial Management absolvierte der gebürtige Osttiroler am Joanneum in Graz. Nachdem er einige Jahre Arbeitserfahrung als Information Technology Consultant bei der Plaut AG gesammelt hatte, begann er 2003 berufsbegleitend mit dem Master in Business Administration an der Donau Universität. Hermann Erlach ist stolzer Vater einer elfjährigen Tochter. In seiner Freizeit verbringt er gerne Zeit in den Bergen, am liebsten mit Mountainbiken. Microsoft Österreich

Das Rennen wird neu gestartet

Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, über KI als Gamechanger

8 Min.

© Microsoft Österreich

Text: Martin Hehemann
Hermann Erlach ist davon überzeugt, dass man die Bedeutung von künstlicher Intelligenz kaum überschätzen kann. „KI verändert alles. Sie ist ein Gamechanger“, meint der General Manager von Microsoft Österreich. In seiner Branche – der Softwareentwicklung – gehört der Einsatz der KI längst zum Arbeitsalltag. Und der ambitionierte Freizeitsportler ist davon überzeugt, dass das eher früher als später für die meisten Branchen gelten wird. Erlach wäre nicht Erlach, wenn er die KI nicht als Chance sehen würde, sich vom Wettbewerb abzuheben. Der IT-Manager hat aber auch Verständnis dafür, dass das Thema vielen Menschen Angst macht. Sein Lösungsvorschlag: klare Regeln für den Umgang mit KI.

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Herr Erlach, das Thema KI ist durch das Tool ChatGPT in aller Munde. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis gefühlt niemanden, der ChatGPT nicht schon in irgendeiner Form ausprobiert hätte. Stehen wir vor einem echten Wandel oder ist das nur ein vorübergehender Hype, der sich bald wieder beruhigt? 
Ich habe vor Kurzem gelesen, dass durch KI eine kleine Revolution ausgelöst wird. Ich bin nicht dieser Ansicht.

Das überrascht mich jetzt.
Es ist auch eine große Überraschung. Die Innovationsgeschwindigkeit, die KI entfacht hat, ist unglaublich. ChatGPT hat zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit hunderte Millionen User gefunden. Da muss etwas substanziell Neues dahinterstecken, für das ich nicht das Adjektiv „klein“ verwenden würde. 

Was ist denn das revolutionär Neue an ChatGPT? 
ChatGPT ist ein sogenanntes Large Language Model (LLM) – also eine KI, die in der Lage ist, textbasierten Inhalt zu generieren. Das wirklich Revolutionierende an diesen Modellen: Die User können mit natürlicher Sprache mit der KI kommunizieren. Bislang war das nur für Experten und Expertinnen mit einer speziellen Syntax und speziellen Werkzeugen möglich. Das ist der Schüssel für den dramatischen Anstieg der Userzahlen. Und sie werden weiter rasant wachsen. 

Liege ich richtig mit der Annahme, dass sich vor allem für die Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr viel ändern wird? Ein Manager, mit dem ich kürzlich gesprochen habe, meinte: „Da wird kein Stein auf dem anderen bleiben.“ Seiner Meinung gilt das mehr oder weniger für alle Branchen. 
Ja, wir stehen tatsächlich vor einem radikalen Wandel. Und dieser Wandel hat ein unglaubliches Tempo. Das bedeutet für die Unternehmen: Wer jetzt zu lange wartet, hat den Anschluss bereits verloren.

Wie beurteilen Sie die Situation in Österreich. Warten wir zu lange?  
Das muss sich jetzt zeigen. Wir neigen in Österreich dazu, eher vorsichtig zu agieren und mit technischen Innovationen zögerlich umzugehen – das war so beim Internet, beim Smartphone oder bei der Cloud. Diese vorsichtige Vorgehensweise hat Vorteile. Damit minimiert man Risiko. Aber es gibt Momente, in denen man sich eine abwartende Haltung nicht mehr leisten kann. 

Und die KI schafft so einen Moment?
Ja, davon bin ich überzeugt. Die KI verändert alles. Sie ist ein Gamechanger. Das gilt für Unternehmen genauso wie für gesamte Wirtschaftsstandorte. Als leidenschaftlicher Mountainbiker würde ich da gerne eine Metapher aus dem Sport verwenden: Das Rennen wird jetzt neu gestartet. Alle Länder stehen nebeneinander an der Startlinie – bei null. Ich sehe das als eine riesige Chance für den Standort Österreich: Wie wäre es, wenn Österreich bei der Einführung von KI weltweit die Nummer 1 wird? Das würde Produktivität, Innovation und Nachhaltigkeit in unserem Land enorm steigern.

Was kann die KI denn, was Menschen nicht können?   
Sie kann vieles viel schneller und wird schneller viel besser. Die KI ist bereits jetzt in der Lage, komplexe Daten zu sammeln, auszuwerten und Berichte zu verfassen. Unternehmen, die diese Fähigkeit nutzen, können ihre Produktivität durch die Automatisierung von standardisierbaren Tätigkeiten sprunghaft steigern. Ich halte es daher für ganz entscheidend, dass die österreichischen Unternehmen schnell in das Thema eintauchen. Wir werden viele Fälle sehen, wo Unternehmen, die KI entschlossen nutzen, so viel wettbewerbsfähiger sein werden, dass diejenigen, die das nicht tun, vom Markt verschwinden.

Wer jetzt zu lange wartet, hat den Anschluss bereits verloren.

Hermann Erlach

Mir wird immer wieder gesagt, dass die KI vor allem im Bereich der Prognose und Risikobewertung in Zukunft völlig neue Möglichkeiten eröffnen wird. Stimmt das? 
Ja und Nein. Ja, die KI bietet hier völlig neue Möglichkeiten. Und nein, das gilt nicht für die Zukunft. Das ist schon Realität – ob beim Erstellen von Prognosemodellen, beim Erkennen von Betrugsmustern oder bei der Kundenanalyse. Viele unserer Kunden nutzten das schon. Wir arbeiten als Microsoft Österreich zum Beispiel eng mit dem österreichischen Baukonzern Strabag zusammen: Die Strabag setzt KI bereits intensiv bei der Prognose und Risikobewertung von großen Projekten ein. Andere namhafte Kunden, die bereits intensiv auf KI setzen, sind der Lebensmittelhändler Spar und das Mobilitäts-Technologie-Unternehmen AVL. Spar setzt KI beim Supply-Chain-Management ein, AVL bei der Produktentwicklung.

Wie schaut das in Ihrer eigenen Branche aus bei der Softwareentwicklung? 
Wir sind schon sehr weit. In der Softwareentwicklung ist die KI bereits nicht mehr wegzudenken. Bereits 46 Prozent des weltweiten Source Codes – also des Textes, mit dem Softwareprogramme geschrieben werden – entstehen mithilfe von KI. Die jüngsten Statistiken zeigen, dass Softwareentwickler, die KI nutzen, um bis zu 40 Prozent produktiver sind.

Das klingt nach Huxley und Orwell: Die Programme schreiben die Programme. Wozu braucht man dann noch Menschen? 
Die haben weiter das Heft in der Hand. Die KI arbeitet nicht völlig selbstständig. Sie wird gezielt vom Menschen gesteuert. Wir sprechen bei Microsoft bewusst vom Co-Pilot: Mensch und Maschine arbeiten eng zusammen. Dabei sagt der Mensch der KI nicht, was sie machen soll, sondern er sagt ihr, welches Ergebnis er gerne hätte. Wir nennen das Prompting. Die KI sucht dann die Lösung. Und diese Lösung – das ist ganz wichtig – muss am Ende vom Menschen validiert werden. Diese Validierungsfähigkeit wird in Zukunft eine der Schlüsselqualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.   

Viele Kritiker befürchten dennoch, dass die KI sich als Job-Killer entpuppen wird, dem Millionen von Arbeitsplätzen zum Opfer fallen werden. 
Derartige Ängste begleiten uns seit der Erfindung der Webstühle. Für die KI gilt das Gleiche wie für die großen technologischen Sprünge der Vergangenheit – von der Entwicklung der Serienfertigung bis zum Siegeszug von Internet und Cloud-Lösungen: Der technologische Fortschritt führt zu enormen Produktivitätssteigerungen. Davon werden jene Unternehmen und Standorte profitieren, die das für sich nutzen. Die Diskussion über den Verlust von Arbeitsplätzen führt meiner Meinung nach in die falsche Richtung. 

Große Umbrüche schaffen immer Verunsicherung.

Hermann Erlach

Aber die Sorge ist berechtigt. Oder etwa nicht? 
Ich habe durchaus Verständnis, dass viele Menschen Angst haben. Große Umbrüche schaffen immer Verunsicherung. Aber gerade in Österreich haben die Unternehmen doch ein ganz anderes Problem: Sie suchen händeringend nach qualifizierten Fachkräften. Hier kann die KI helfen. Ich glaube nicht, dass Künstliche Intelligenz die Menschen ersetzen wird, sondern vielmehr, dass jene Menschen, die KI einsetzen können, andere Menschen ersetzen. 

Ich würde gerne noch einmal auf die Schreckensvisionen zu sprechen kommen, die die Herren Huxley und Orwell in ihren Romanen bereits vor vielen Jahren gezeichnet haben. Die Vorstellung einer allmächtigen KI, die sich der Kontrolle der Menschen entzieht, gefällt mir nicht besonders.
Mir auch nicht. Wir müssen uns als Gesellschaft mit den Risiken der maschinellen Intelligenz befassen. Wir müssen genau analysieren, welche Auswirkungen der Einsatz von KI auf die demokratischen Strukturen in unserer Gesellschaft hat. Es wird Regeln und Regularien brauchen. Das spricht meiner Ansicht nach aber umso mehr dafür, dass die Entscheidungsträger sich aktiv und offensiv mit dem Thema KI auseinandersetzen. Wirksame und sinnvolle Sicherheitsmaßnahmen kann ich am besten entwickeln, wenn ich die Materie aus der Praxis kenne. Erlauben Sie mir hier eine weitere Metapher aus dem Sport: Wenn ich gescheite Sicherheitsvorkehrungen für das Mountainbiken entwickeln möchte, tue ich mir leichter, wenn ich schon einmal einen Berg heruntergefahren bin. Nur vom Schreibtisch aus wird das nichts.   

Hermann Erlach ist seit 2015 Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich und seit Mai 2021 General Manager. Sein Ziel ist es, die Modernisierung und Digitalisierung des Standortes voranzutreiben und diesen Fortschritt zu einer positiven Erfahrung für alle Österreicher zu machen.
Seinen Diplomingenieur in Engineering and Industrial Management absolvierte der gebürtige Osttiroler am Joanneum in Graz. Nachdem er einige Jahre Arbeitserfahrung als Information Technology Consultant bei der Plaut AG gesammelt hatte, begann er 2003 berufsbegleitend mit dem Master in Business Administration an der Donau Universität.
Hermann Erlach ist stolzer Vater einer elfjährigen Tochter. In seiner Freizeit verbringt er gerne Zeit in den Bergen, am liebsten mit Mountainbiken.
 Microsoft Österreich

Hermann Erlach ist seit 2015 Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich und seit Mai 2021 General Manager.
Seinen Diplomingenieur in Engineering and Industrial Management absolvierte der gebürtige Osttiroler am Joanneum in Graz. Nachdem er einige Jahre Arbeitserfahrung als Information Technology Consultant bei der Plaut AG gesammelt hatte, begann er 2003 berufsbegleitend mit dem Master in Business Administration an der Donau Universität.
Hermann Erlach ist stolzer Vater einer elfjährigen Tochter. In seiner Freizeit verbringt er gerne Zeit in den Bergen, am liebsten mit Mountainbiken. © Microsoft Österreich

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