Schule neu gedacht

Das österreichische Schulsystem steht seit Jahren in der Kritik, doch der Wille zu grundlegenden Reformen fehlt nach wie vor. Alexia Weiss hat mit ihrem Buch „Zerschlagt das Schulsystem – und baut es neu!“ eine visionäre Neudefinition des Schulwesens vorgestellt, die jedem Kind gerecht wird, Lehrkräfte und Eltern entlastet und sogar der Wirtschaft zugutekommt.

4 Min.

© Shutterstock

„Ich bin jetzt groß und darf in die Schule!“ Kaum ein Kind, das sich nicht darauf freut, endlich in die Schule zu kommen. Doch diese Freude währt oft nur kurz, weil das österreichische Schulsystem schon lange nicht mehr zeitgemäß ist. Kindern raubt es die Motivation, Lehrer sind frustriert, die Eltern genervt. Laut einer Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung im Frühjahr 2022 gehen vier von zehn Kindern ungern zur Schule, einige haben sogar Angst davor. Sie fühlen sich zu Recht ignoriert, denn das System betont immer noch die Schwächen anstelle der individuellen Stärken. Ein Konzept wird über alle Kinder gestülpt – ohne darauf Rücksicht zu nehmen, wie verschieden Kinder sind. Obwohl die bekannten Schwächen des Systems von allen Seiten kritisiert werden, gibt es kaum echte Veränderungen.

Ein Kind ist wie ein Schmetterling im Wind. Manche fliegen höher als andere, aber alle fliegen, so gut sie können.
Sie sollten nicht um die Wette fliegen, denn jeder ist anders, jeder ist speziell und jeder ist wunderschön.

Alexia Weiss

Coaches für die Kinder. Alexia Weiss betont die dringend notwendigen Neuerungen in ihrem Buch „Zerschlagt das Schulsystem – und baut es neu!“. Die Journalistin und Autorin fordert eine radikale Neugestaltung des österreichischen Schulsystems und skizziert eine Schule der Zukunft, in der zum Beispiel jedem Kind von Anfang an ein Coach zur Seite steht. Dieser Coach betreut mehrere Kinder und fördert deren individuelle Neigungen und Interessen. Außerdem arbeitet er in multiprofessionellen Teams mit der Schulleitung, den Pädagogen und anderen Fachkräften zusammen, um sicherzustellen, dass Kinder rechtzeitig Unterstützung erhalten, wenn sie besondere Förderung benötigen.

Unterricht auch im Kurssystem. In der Schule der Zukunft gibt es Unterricht im Klassenverband sowie ein Kurssystem, das den Schülern ermöglicht, ihre eigenen Schwerpunkte zu wählen. Auch Demokratieerziehung steht auf dem Stundenplan. Kinder lernen von klein auf, dass es in Ordnung ist, unterschiedliche Meinungen zu haben, aber sie lernen auch, respektvoll zu diskutieren und die Meinungen anderer zu akzeptieren.

© Nurith Wagner Strauss

Nicht am System herumdoktern. Von der Politik fordert Alexia Weiss ein Umdenken und die Verlagerung des Fokus von ideologischen Fragen auf die Bedürfnisse der Kinder. Anstatt am bestehenden System herumzudoktern, sollte ein völlig neues System geschaffen werden. Das Argument der Finanzierung weist sie mit dem Hinweis zurück, dass in Zeiten der Coronapandemie erhebliche finanzielle Mittel mobilisiert wurden, um die Wirtschaft zu unterstützen. Ein zeitgemäßes Schulsystem würde sowohl der Wirtschaft als auch der Gesellschaft zugutekommen, indem es sicherstellt, dass niemand unzureichend ausgebildet bleibt.

Elementarpädagogik aufwerten. Besonders wichtig ist für die Autorin auch die Aufwertung der Elementarpädagogik im Kindergarten. „Der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung, leider wird sie von vielen noch immer nur als Betreuungseinrichtung gesehen“, sagt sie. „Hier kann spielerisch vieles erlernt und vermittelt werden, sodass sich Kinder gut entwickeln – von der Grob- und Feinmotorik über das Sozialverhalten bis zur Sprache.“

In der Schule der Zukunft müssen sich Kinder nicht dem System Schule unterordnen, sondern die Schule tut alles, damit sich jedes Kind bestmöglich entwickeln kann.

Alexia Weiss

Kinder nicht auseinanderdividieren. Die Autorin fordert auch die Schaffung einer gemeinsamen Schule für alle Kinder ohne Auseinanderdividieren im Alter von zehn Jahren sowie die Sicherstellung gleicher Bildungschancen. In der Schule der Zukunft steht die Entwicklung jedes einzelnen Kindes im Mittelpunkt. „Man könnte auch sagen: Kinder müssen sich nicht dem System Schule unterordnen, sondern Schule tut alles, damit sich jedes Kind bestmöglich entwickeln kann“, betont Weiss.

Rückmeldungen auf das Buch. Das Buch ist übrigens vorigen Sommer erschienen und die Rückmeldungen – insbesondere von Eltern und Bildungsexperten – waren sehr positiv. „Bei manchen Terminen zum Buch wurde aber schon klar, dass hier eine Trennlinie durch das Land läuft“, erzählt Weiss. „Konservative Menschen – auch in der Lehrerschaft – halten weiter an der Trennung in Mittelschule und Gymnasium fest, verteidigen die Kleinstschulen am Land und wollen keine Ganztagsschule. Dabei finde ich, dass auch Lehrerinnen und Lehrer derzeit keinen idealen Arbeitsplatz haben und das System, so wie ich es skizziert habe, ihnen ermöglichen würde, ihrem ureigenen Job nachzukommen – dem Unterrichten.“

Buchtipp:

„Zerschlagt das Schulsystem – und baut es neu!“, Alexia Weiss, Verlag Kremayr & Scheriau, € 22

Abo

Wählen Sie Ihr persönliches Abo aus