People | 08.06.2022
Zwei Brüder, eine Berufung
Bekanntheit erlangten sie vor allem durch den Neubau des Wiener MuseumsQuartiers (1998–2001), für dessen Planung Laurids und Manfred Ortner verantwortlich zeichneten und mit dem inmitten der Stadt Wien eines der weltweit größten Kunst- und Kulturareale entstand. Indem sie mit großem planerischen sowie künstlerischen Geschick vorhandene historische Bausubstanz mit zeitgenössischer Architektur verbanden, planten die Architektenbrüder das Museum Moderner Kunst Wien (mumok), das Leopold Museum mitsamt der erst 2020 eröffneten Kulturterrasse MQ Libelle am Dach des Gebäudes und die Kunsthalle Wien. Es folgten weitere Großprojekte, wie die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden, das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg, der Neubau des Zentralstandorts für die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin oder der Schiffbau am Schauspielhaus Zürich sowie zahlreiche Büro- und Wohnbauten in Österreich und Deutschland. Das Œuvre der Linzer Brüder ist breit aufgestellt und facettenreich. Mittlerweile ist das Architekturbüro Ortner & Ortner Baukunst, welches Laurids und Manfred Ortner 1987 in Düsseldorf gründeten und aus welchem sich 2011 O&O Baukunst formte, das heute mit vier anderen Architekten gemeinschaftlich geführt wird, an drei weiteren Standorten in Berlin, Wien und Köln aktiv und zählt 100 Mitarbeiter. Zudem kam am Berliner Standort 2011 die Kunstgalerie O&O Depot hinzu, wo die beiden in Linz geborenen Brüder ihre persönliche Kunstgeschichte seit den späten 1960er-Jahren präsentieren sowie anderen Künstlern Raum für ihre Kunst geben.
Haus-Rucker-Co.
Seit ihren Anfängen geht es dem Architektenduo auch um Kunst: Gemeinsam mit dem Architekten und Hochschullehrer Günter Zamp Kelp, dem Maler Klaus Pinter und der Künstlerin Caroll Michels eroberten Laurids und Manfred Ortner in den 1960er- und 1970er-Jahren als Haus-Rucker-Co die internationale Kunstszene. Mit Plastiken und Installationen im öffentlichen Raum schuf die Architekten-Künstlergemeinschaft Beiträge, die die sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen „bewusstseinsweiternd“ aktivieren sollte: „Weg-
rücken“ von alten Häusern, um Platz für Neues zu schaffen. Nachdem sich Klaus Pinter und Caroll Michels als Künstler selbstständig zu betätigen begannen und die Ortners sowie Günter Zamp Kelp sich mit eigenständigen Architekturbüros konkreten Bauaufgaben zu widmen anfingen, erfolgte Anfang der 1990er-Jahre die Auflösung der Gruppe.
Architektur aus Mangel an Alternativen.
Zwei Brüder, der gleiche Beruf, noch dazu äußerst erfolgreich: Die Baukunst scheint bei den in Linz geborenen Brüdern – Laurids: Jahrgang 1941, und Manfred: geboren 1943 – in den Genen zu liegen. Doch warum sie Architekten wurden, hat nach Laurids Ortner einen pragmatischen Grund: „Ich war ein notorisch schlechter Schüler. Als die Matura schließlich geschafft war, hat sich die ganze Familie den Kopf darüber zerbrochen, was der arme Bub jetzt eigentlich studieren und was aus ihm werden soll. Architektur schien damals schließlich als harmloseste Profession.“ Dem Architekturstudium an der TU Wien folgte 1976 bis 1987 eine Professur an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz und im Anschluss bis 2011 eine Professur für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf.
Manfred Ortners Lebenslauf liest sich ähnlich, obgleich sich der jüngere Bruder erst Mitte der 1980er-Jahre zunehmend der Architektur widmete: Studium der Malerei und Kunsterziehung an der Akademie der Bildenden Künste Wien und der Geschichte an der Universität Wien, 1994 bis 2012 Professor für Entwerfen an der Architekturfakultät der Fachhochschule Potsdam.
International gefragt.
Eine der Regeln ihrer Baukunst sei es, die Hülle vom Inhalt zu trennen: „Mit dem Äußeren ist der Verpflichtung gegenüber der Stadt und der Gesellschaft nachzukommen. Im Inneren ist Raum zur ungehemmten eigenen Verwirklichung.“ Die Antwort von Laurids Ortner auf die Frage nach der persönlichen Handschrift sowie dem Erfolgsrezept der Brüder, deren international gefragtes Architekturbüro O&O Baukunst im BauNetz-Architektenranking für den Raum Deutschland/Österreich/Schweiz auf Platz sieben rangiert und sich auch international immer unter den Top 100 befindet, lautet knapp: „Wir befolgen die zehn Regeln zur Baukunst. Darin ist festgelegt, wie nachhaltige Architektur zustande kommt.“
Retrospektive.
Die „10 Regeln der Architektur“ sind auch Teil der Ausstellung „bis übermorgen“ im Francisco Carolinum, die sich seit 7. April der Kunst von Laurids und Manfred Ortner widmet. Anhand von zehn Modellen von O&O Baukunst – aktuelle Bauten begleitet von großformatigen Kreidezeichnungen von Manfred Ortner – werden diese prägnant beschrieben. Die spektakuläre Retrospektive, für welche die Künstler monumentale Objekte entwickelten, die Motive und Themen aus den 1970er- und 80er-Jahren aufnehmen, variieren und neu interpretieren, zeigt auf zwei Stockwerken alte wie neue Werke der Brüder am Schnittpunkt zwischen Architektur und Skulptur. Anhand von Modellen, Zeichnungen sowie großformatigen Öl- und Pastellbildern wird die Ideenwelt der beiden von damals, heute und übermorgen illustriert. Einen wesentlichen Teil der Ausstellung bilden sieben großformatige Objekte, die für die Schau gebaut wurden und verschiedene Kapitel und Motive im Werk der Brüder herausgreifen und neu interpretieren. Die imposanten Werke der Ortners, die in den altehrwürdigen Gemäuern des Francisco Carolinum ganz besonders eindrucksvoll wirken, sind noch bis 7. August zu sehen.
Ausstellung
bis übermorgen
Laurids Ortner & Manfred Ortner –
Von Haus-Rucker-Co zu O&O Baukunst
7. April bis 7. August 2022
Francisco Carolinum Linz