People | 14.02.2022
What the fuck is LOHAS?
Der Unternehmer und Investor Martin Rohla ist mit seiner Firma „Goodshares“ an mehr als 30 völlig unterschiedlichen Firmen beteiligt. Mit Projekten wie den Flüchtlingsrestaurants „Habibi & Hawara“ in Wien, seiner Biolandwirtschaft „Gut Bergmühle“ in Kronberg (NÖ), den veganen Burgerrestaurants „Swing Kitchen“, dem Nahversorger„KastlGreissler“ und der nachhaltigen Vorsorgekasse „fair-finance“ zeigt der 58-jährige dreifache Familienvater auf, wie nachhaltiges Unternehmertum funktionieren kann. Spätestens seit er als Juror bei der Start-up-Show „2 Minuten 2 Millionen“ regelmäßig auf PULS 4 zu sehen ist, kennt ihn auch die breite Masse. Wir haben Martin Rohla, der in Freistadt geboren ist und in Linz BWL studiert hat, am Firmensitz von „Goodshares“, einem coolen Altstadtloft im ersten Wiener Gemeindebezirk, zum Interview getroffen und einen Nachhaltigkeitspionier kennengelernt, der uns interessante Details aus seinem Leben erzählt hat.
Herr Rohla, laut Wikipedia sind Sie in Freistadt geboren. Dennoch sind Sie kein Oberösterreicher. Klären Sie uns auf?
Ich kam einen Monat früher als geplant zur Welt, meine Mutter war damals gerade in der Nähe von Freistadt unterwegs und da es schnell gehen musste, bin ich im dortigen Spital geboren.
Später hat es Sie wieder nach Oberösterreich gezogen, genauer gesagt zum BWL-Studium nach Linz an die Johannes Kepler Universität, was ja für einen Wiener eher ungewöhnlich ist. Wie kam es dazu?
Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich war definitiv kein Musterschüler, bin aus fünf Schulen geflogen und war schon über 20 Jahre alt, als ich mit Ach und Krach maturiert habe. Aus Jux und Tollerei habe ich mein Maturazeugnis mit sieben Genügend einmal gepostet, soviele Likes habe ich noch nie bekommen (lacht). Anfang der 80er- Jahre habe ich dann als DJ und Türsteher gearbeitet, das war eine wahnsinnig coole Zeit, in der Wien quasi „erwacht“ ist. Um nicht zu versumpfen, habe ich mich dazu entschieden, in Linz BWL zu studieren, in Wien hätte mich sicher zu vieles abgelenkt. Während des Studiums habe ich mit 23 Jahren ein Traineeship bei der Creditanstalt- Bankverein in New York gemacht. Obwohl das sehr interessant war, habe ich gemerkt, dass ich nicht mit großen Strukturen kompatibel bin. Also habe ich gleich nach dem Studium mein erstes Unternehmen gegründet.
Das war ein Modeunternehmen ...
Ja, genau. Das war ein „Fetzenhandel“, wie ich zu sagen pflege. Ich habe das Unternehmen mit einem türkischen Freund gegründet, der in Wien studiert hat. Wir haben in der Türkei unter dem lustigen Namen „Tiffany & Tomato“ Kleidung produzieren lassen. Bezüglich der Markenrechte haben wir uns damals keinen Kopf gemacht und Walt-Disney-Figuren und andere Scheußlichkeiten auf unsere Textilien gedruckt. Es hat wirklich gut funktioniert und wir haben rasch expandiert, bis H&M den ersten Shop in Österreich eröffnet hat. Als ich gemerkt habe, dass die Modekette unsere → Einkaufspreise als Verkaufspreise anbietet, wusste ich, dass sich das nie ausgehen kann und bin aus dem Unternehmen ausgestiegen. Ein paar Jahre später ist dieses Unternehmen leider in Konkurs gegangen.
Was haben Sie nach Ihrem Ausflug in die Modebranche gemacht?
Mein Stiefvater hatte eine kleine Pharmafirma, die meine Mutter geführt hat. Die hätte ich übernehmen sollen, wir haben uns aber entschlossen, sie zu verkaufen. Ich bin der Branche jedoch treu geblieben und habe eine EDV-Firma für Apotheken gegründet, mit der wir relativ schnell marktführend in Österreich wurden. Aus Zorn auf die Apothekerschaft habe ich selbst Apotheken gekauft.
Weshalb der Zorn?
Da ich den Apothekern die EDV geliefert habe, bekam ich einen Einblick in deren Arbeitsweise, die im Prinzip eine halbstaatliche Medikamentenausgabe war. Der Apotheker von damals glaubte, sein Job sei es, das, was auf dem Rezept vom Arzt steht, möglichst richtig zu lesen und möglichst wortlos und unfreundlich schauend über das Verkaufspult zu werfen. Man war sich zu gut, um aktiv auch andere Artikel zu verkaufen. Also habe ich meine erste Apotheke gekauft. Mittlerweile sind aber die meisten Apotheken in Österreich sehr gute Dienstleistungsbetriebe geworden.
Haben Sie dort auch operativ gearbeitet?
Nein, ich habe nie operativ in der Apotheke gearbeitet. Wer die Arbeit kennt und sich nicht drückt, der ist verrückt (lacht). Aber Spaß beiseite, ich habe die Finanzierung und das Wirtschaftliche gemacht. Mein Geschäftspartner Alexander Ehrmann, er ist übrigens immer noch einer meiner besten Freunde, hat den pharmazeutischen Part übernommen. Nebenbei habe ich in Immobilien investiert, mit „Pharmexpress“ die erste Internetapotheke gegründet und weitere Apotheken gekauft. Darunter auch die „Saint Charles Apotheke“ in Wien. Mein Geschäftsmodell war, Apotheken, die so „dahingeplätschert“ sind, zu kaufen, sie im Bereich der Dienstleistung auf Vordermann zu bringen und sehr viel Privatumsatz zu generieren.
Wann haben Sie damit begonnen, sich als Unternehmer und Investor bewusst mit der Nachhaltigkeit zu beschäftigen?
Der Gedanke entstand bereits vor 17 Jahren, als mein Geschäftspartner und ich in Sardinien auf Urlaub waren. Am Strand sagte er auf einmal „LOHAS“. Ich fragte ihn: „What the fuck is LOHAS?“ „Lifestyles of Health and Sustainability“, also ein besonders gesundheitsbewusster, nachhaltiger Lebensstil“, klärte er mich auf. Wir waren uns rasch einig, dass unsere „Saint Charles Apotheke“ in Wien die „LOHAS“-Apotheke werden wird. Unter der Marke „Saint Charles“ haben wir dann verschiedene Unternehmen gegründet und Nachhaltigkeit als Marketingstrategie genützt. Wir waren aber 15 Jahre zu früh dran, denn das Thema hat damals noch keinen interessiert. Je intensiver wir uns aber aus unternehmerischer Sicht mit ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung beschäftigt haben, desto wichtiger fanden wir es. Schließlich habe ich in Kronberg eine Biolandwirtschaft gekauft und begonnen, dort alte Gemüsesorten anzubauen.
Haben Sie damals aktiv mitgearbeitet, Sie werden ja gerne auch als Biobauer bezeichnet?
Nein, ich bin zwar offiziell Biobauer, aber sobald ich eine Schaufel sehe, verletze ich mich schwer (lacht). Die Biolandwirtschaft brachte mich auf die Idee, mit der „Stadtflucht Bergmühle“ das erste Agrotourismusprojekt außerhalb des Südens von Europa zu gründen. Dieses Konzept kenne ich aus Sardinien.
Wie darf man sich das vorstellen?
Die „Bergmühle“ liegt in Kronberg nur 20 Fahrminuten von Wien entfernt, also mitten am Land. Auf 40 Hektar sind die Biolandwirtschaft, ein großer Reitbetrieb und die „Stadtflucht Bergmühle“ als Gastronomie untergebracht. Dort gibt es keine Speisekarte, es werden nur jene Produkte verkocht, die gerade zur Verfügung sind. Alle Getränke und Lebensmittel stammen von dem Biogut Bergmühle, der eigenen Jagd oder von Biobauern aus der nächsten Umgebung und werden von exzellenten Köchen zubereitet. Die „Stadtflucht Bergmühle“ wird als „Verein für Kochen und Muße im Grünen“ geführt, der inzwischen um die 500 Mitglieder hat. Wir veranstalten dort aber auch private Feste, Hochzeiten oder Seminare für Nicht-Mitglieder.
Welche Rolle spielt Lifestyle in Sachen Nachhaltigkeit?
"Das Thema Nachhaltigkeit war lange Zeit unsexy und mit linksradikalen Achselhaarträgern verbunden."
Das hat sich mittlerweile geändert. Ein Problem ist, dass der Begriff sehr inflationär verwendet wird. In jedem Schaufenster, auf jedem Kosmetikprodukt wird damit geworben. Nachhaltigkeit besteht für mich aus den drei Säulen ökonomische Verantwortung, ökologische Verantwortung und soziale Verantwortung. Wir erleben gerade eine sensationelle Transformation, über die aber niemand spricht, weil sie noch nicht wirklich wahrgenommen wird. Ausgelöst durch Lichtgestalten wie dem bösen Donald Trump auf der einen Seite und der guten Greta Thunberg auf der anderen. Brandbeschleuniger Corona darüber geschüttet und der Konsument merkt langsam, dass er mit seinem Einkauf bestimmen kann, wohin die Richtung geht. Denn wenn er umdenkt, müssen Handel und Industrie früher oder später nachziehen.
Können Sie das genauer beschreiben?
Meiner Ansicht nach gibt es vier Faktoren, warum eine Transformation in Richtung Nachhaltigkeit stattfindet. Erstens aus der Änderung der Konsumgewohnheiten von jedem Einzelnen. Zweitens hat sich auch die Einstellung der Geldgeber zum Thema Nachhaltigkeit geändert. Du bekommst heute keine gute Finanzierung mehr, wenn du nicht die Frage nach dem sozialen und ökologischen Impact deines unternehmerischen Tuns glaubhaft erklären kannst. Drittens werden die regulatorischen Eingriffe immer massiver und es gibt ständig neue Gesetzesänderungen und Verordnungen. Und der vierte, wahrscheinlich stärkste Einflussfaktor ist, dass es kaum mehr möglich ist, ohne einen klar definierten Purpose gute Mitarbeiter zu finden. Die intelligenten Jungen arbeiten nicht mehr für dich, wenn du nicht zeigst, dass du etwas in Richtung Nachhaltigkeit bewegst. Das ist eine sensationelle Entwicklung, wir begleiten und beraten mit „Goodshares Consulting“ große Unternehmen in dieser Transformation. Nachhaltigkeit ist kein Projekt, sondern ein Prozess, der nach innen gehen muss. Die DNA muss geändert werden.
Von Restaurants wie „Habibi & Hawara“ bis hin zum patentierten Fruchtbarkeitstracker für die natürliche Familienplanung – Sie sind mit Ihrer Firma „Goodshares“ an mehr als 30 völlig unterschiedlichen Firmen beteiligt. Wie darf man sich das vorstellen?
Ungefähr die Hälfte davon sind unsere eigenen Ideen, die wir realisieren. Bei den anderen Projekten, wie etwa der veganen und nachhaltigen Burgerkette „Swing Kitchen“, haben andere Menschen eine gute Idee, die mir gefällt und bei der ich als Investor einsteige. Wir sind aber auch sehr stark in der Beratung tätig. Ich arbeite meistens zehn bis zwölf Stunden am Tag und es macht mir eine Riesenfreude, weil ich mich jede Stunde mit etwas anderem beschäftigen darf.
Was muss eine Firma haben, damit Sie sich beteiligen?
Mein Motto lautet: „People invest in People“. Es sind immer die Menschen, in die man investiert. Wenn jemand bei uns mit einer Idee vorstellig wird, schauen wir zuerst einmal darauf, wie der- oder diejenige auftritt. Dabei ist mir Exaktheit ganz wichtig. Wenn wir E-Mails und Pitch Decks bekommen und da ist auch nur ein Rechtschreib- oder Beistrichfehler drinnen, gibt es keine Chance mehr weiterzukommen. An diesen Kleinigkeiten sieht man, wie ernsthaft es jemand meint. Gleich danach kommt der grauenhafte Spruch: “If you can’t measure it, you can’t manage it.“ Das bedeutet, dass jede Idee auch in Zahlen dargestellt werden muss. Man muss wissen, wohin die Reise geht, wie viel Geld man heute, nächstes Jahr und in fünf Jahren braucht. Wenn man sich diesbezüglich keine Mühe macht, bleibt es bei dem einen Termin und man bekommt keinen zweiten.
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ZUR PERSON
Mag. Martin Rohla, geboren 1963, Gründer von „Goodshares Consulting GmbH“ lebt in Kronberg und Wien. Er studierte BWL an der Johannes Kepler Universität Linz und war während des Studiums Trainee bei der Creditanstalt in New York. Als Serial Entrepreneur und konzessionierter Unternehmensberater arbeitete er von Anfang an selbstständig. Mit seiner Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft hat er diverse Unternehmen aus der Taufe gehoben. Mit dem Projekt „Saint Charles Apotheke“ war er 2008 Finalist bei EY Entrepreneur Of The Year. Seit 2011 ist Rohla zudem Bio-Landwirt auf Gut Bergmühle. Über seine „Goodshares Beteiligungs- und Beratungs GmbH“ ist er an mehr als 25 nachhaltig agierenden Unternehmen beteiligt. Mit den Flüchtlingsrestaurants „Habibi & Hawara“ wurde er Gewinner von EY Entrepreneur Of The Year 2019 im Bereich Social Entrepreneurship. Seit vier Jahren ist er Investorenjuror bei der Start-up-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“ von PULS 4.
Martin Rohla ist Vater von drei Kindern und mit Madeleine Rohla-Strauss, einer Urenkelin des Komponisten Richard Strauss, verheiratet. Mütterlicherseits ist Rohla ein Urenkel des Erfinders Ferdinand Ritter von Mannlicher.