People | 28.02.2017
Wenn aus Kindern Tyrannen werden ...
Viele Eltern sind in Sachen Erziehung verunsichert. Sie möchten ihren Kindern einen guten Start ins Leben geben und den Grundstein legen, dass sich diese später gut zurechtfinden. Sie wollen ihnen Freiräume lassen und möglichst wenige Grenzen setzen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Kinder brauchen klare Grenzen und Eltern, die sie mit viel Liebe und Empathie führen.
Und eben hier liegt die Krux: Immer mehr Eltern wissen gar nicht, was es heißt, ein Kind zu führen. Mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt hat sich der Linzer Führungskräftecoach August Höglinger. Er ist selbst seit 40 Jahren Vater und seit elf Jahren Großvater. Weil es ihm ein persönliches Anliegen ist, Eltern für dieses Thema zu sensibilisieren, hält er darüber sogar Vorträge mit dem Titel „Kinder liebevoll führen“. Wir haben mit ihm gesprochen, woran es liegt, wenn aus Kindern kleine Tyrannen werden, und wie liebevolle Führung überhaupt aussieht.
Tipp: Das komplette Skript zum Vortrag „Kinder liebevoll führen“ von August Höglinger kann kostenlos unter www.hoeglinger.net heruntergeladen werden!
Wenn es in der Familie keine klare Linie im Umgang miteinander gibt ...
In diesem Fall entsteht große Unsicherheit. Das gilt sowohl für Eltern als auch für Kinder. In der Folge sind die Eltern hilflos und überfordert und damit sind wiederum die Kinder völlig überfordert. „Es gibt eine natürliche Ordnung“, erklärt August Höglinger. „Die Eltern stehen über den Kindern. Sehen Eltern ihre Kinder hingegen auf gleicher Höhe, dann müssen diese eine Verantwortung tragen, die sehr schwer ist und für die sie oftmals noch zu klein sind.“
Sein Fazit: Um Kinder für ihren Weg in die Zukunft zu stärken, braucht es unbedingt liebevolle Führung durch die Eltern.
Wenn Eltern nicht wissen, wie sie ihr Kind führen sollen ...
Führen bedeutet in einer Familie, dass Eltern die Richtung vorgeben. In der Praxis heißt das: Sie stellen die Regeln und Rahmenbedingungen auf und das Kind folgt. Dabei ist wichtig, dass der Geführte, also das Kind, auf den hört, der führt (Eltern, Mutter/Vater), und umgekehrt. Das bedeutet in der Praxis: Die Eltern achten darauf, welche Bedürfnisse ihr Kind hat und äußert. Wer einen empathischen Umgang mit seinem Kind hat, weiß, was es will. Allerdings bekommt es das, was es braucht. Das kann ident sein, muss es aber nicht.
„Führen kann man sich wie eine Autobahn vorstellen“, sagt der Experte. „Innerhalb der Leitplanken können sich Kinder nach den vorgegebenen Regeln frei bewegen. Wollen sie über diesen Rahmen hinaus, müssen sie eine Führungsperson fragen.“
Wenn Eltern glauben, dass es keine Konflikte geben darf ...
Fakt ist: Konflikte sind unvermeidbar in zwischenmenschlichen Beziehungen – so auch zwischen Eltern und Kindern. Eine gute emotionale Beziehung herzustellen, indem Eltern dem Kind alle Wünsche erfüllen, führt nicht zum Ziel. „Es kommt sehr rasch zu einem Ungleichgewicht und man wird erpressbar“, erzählt Höglinger. „So etwas entdecken Kinder sehr schnell! Dabei müssen Eltern gar nichts tun, um von ihren Kindern geliebt zu werden. Kinder lieben ihre Eltern bedingungslos.“
Für den Experten resultieren viele Probleme nicht aus einem Mangel an Liebe, sondern aus Mangel an Führungsqualität der Eltern und/oder Pädagogen. Das Ergebnis von Konflikten sollte nicht die Klärung sein, ob etwas richtig oder falsch ist, sondern dass eine Meinung neben der anderen stehen darf. „Auch Kinder sollen ihre Meinung sagen dürfen“, betont Höglinger. „Die Entscheidung darüber, was passiert, liegt aber bei den Eltern.“
Handlungsbedarf gibt es übrigens nur dann, wenn sich Konflikte ständig wiederholen!
Wenn Eltern Führen mit Begleiten verwechseln ...
Vielen Menschen ist das Begleiten vertrauter als das Führen. „Der wesentliche Unterschied ist, dass beim Begleiten nicht die Richtung vorgegeben wird, sondern vielmehr darüber diskutiert wird“, erklärt Höglinger. „Das Gegenüber kann seine Meinung einbringen und Vorschläge machen.“ Das geht, wenn die Kinder bereits größer sind. Oft versuchen Eltern das aber auch bei kleineren Kindern – und das endet dann häufig in einem Fiasko, weil die Kinder damit überfordert sind.„Begleiten gewinnt an Relevanz, wenn die Kinder in die Pubertät und später in das Erwachsenenalter kommen“, ergänzt der Experte. „Zu diesem Zeitpunkt beginnen die jungen Menschen, immer mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Dann schalten die Eltern nach und nach von Führen auf Begleiten um.“
Wenn Eltern nicht wissen, dass jedes Kind geführt werden will ...
„Es ist eine Tatsache, dass jedes Kind geführt werden will“, betont Höglinger. „Wenn dies liebevoll, wohlwollend und mit großer Klarheit geschieht, folgen die Kinder automatisch.“ Kinder achten übrigens immer darauf, ob die Eltern führen. Ist das der Fall, sind sie entspannt und ruhig. Führen die Eltern jedoch nicht, wird das Kind angespannt und beginnt, selbst zu führen. Das passiert auch, wenn sich die Eltern über das Wie der Führung nicht einig sind. Dann entsteht eine Pattsituation und wieder übernimmt das Kind die Führung. Da es damit überfordert ist, reagiert es mit Hilflosigkeit und Irritation oder es tyrannisiert die Eltern. Wichtig ist auch, dass das Kind immer weiß, wer gerade die Führung hat. Vater oder Mutter? Fallen beide Elternteile aus, führt entweder das älteste oder das emotional stärkste Kind – oder ein Kind, das keine Führungslosigkeit aushält.
Wenn Eltern die Bedürfnisse ihres Kindes nicht „hören“ ...
Wenn ein Kind nicht folgt bzw. sich selbst führt, kann ein Grund dafür sein, dass Eltern nicht hören. Das heißt, dass sie keine Herzens-Beziehung zum Kind haben. Das Kind spürt intuitiv, dass die Eltern etwas machen, das ihm nicht gut tut. Die Folge: Es rebelliert und versucht, das zu tun, was ihm selbst gut tut.
Wenn Eltern ständig die Richtung ändern ...
Wenn ständig die Richtung geändert wird, kennt sich das Kind nicht mehr aus und wehrt sich dagegen. Ein Beispiel: Gestern musste das Kind um 21 Uhr ins Bett, heute soll es bereits um 19 Uhr schlafen gehen. Einmal muss es seine Zähne putzen, am nächsten Abend nicht. Für das Kind ist kein System dahinter erkennbar. In diesem Fall tun Kinder meist das, was sie wollen. In ihnen entsteht das Gefühl, dass das Folgen keinen Sinn hat oder sie schlimmstenfalls sogar schädigen würde. „Grundzustand ist aber, dass Kinder folgen und dies sogar wollen“, sagt Höglinger. „Es muss schon sehr viel Unklarheit vonseiten der Eltern geben, dass sie mit Aufstand reagieren.“
Wenn Eltern nicht mit dem Herzen führen ...
Beim Führen mit dem Herzen geht es um Empathie, Verständnis und Mut. Laut August Höglinger hilft es, wenn Eltern auch von ihren Kindern lernen wollen. Denn: Kinder sind ganz große Lehrmeister! „Wenn das gelingt, entwickelt sich daraus persönliche Autorität“, erklärt der Experte. „Das ist ein langer Prozess, der sich in jedem Fall lohnt.“
Eine weitere wichtige Erkenntnis: Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Vielmehr brauchen sie das Gefühl, dass sich Mama und Papa ehrliche Mühe geben, diese Autorität zu erlangen. Dabei sollten sie sich in erster Linie von ihrer Intuition und ihrer Herzenserfahrung leiten lassen.