People | 05.04.2022
Was bleibt, ist die Hoffnung
Ich gebe es gerne zu: Ich bin ein „Show-oholic“ und besuche gerne die verschiedensten Veranstaltungen und Events im In- und Ausland, dadurch haben sich im Laufe der Zeit auch Freundschaften mit Künstlern aus den verschiedensten Genres entwickelt. Auch die ein oder anderen Eiskunstläufer zählen dazu. Viele von ihnen sind oder waren im deutschen „Europa-Park“ tätig, wo den Besuchern mehrmals täglich Eisshows angeboten werden. Eine dieser Künstlerinnen ist Fiona Kirk. Sie und ihr Ehemann Volodymyr Khodakivskyy waren neun Jahre lang die großen Stars im Freizeitpark, bevor sie ihn verließen und in zahlreichen anderen Produktionen arbeiteten.
Leben im Krieg. Fiona ist gebürtige Südafrikanerin. Volodymyr Ukrainer. Wohnhaft in Kiew, wo sie sich auch befanden, als am 24. Februar 2022 die ersten Angriffe der russischen Streitkräfte erfolgten. Seither hält Fiona in täglichen kurzen Updates ihre Freunde und Fans via Social Media auf dem Laufenden und berichtet über ihr Leben im Krieg in der Ukraine. Ich hatte die Möglichkeit, am Tag 13 der russischen Invasion, mit Fiona zu sprechen – ein Gespräch, das mich in vielerlei Hinsicht überrascht und beeindruckt hat, denn obwohl sie durch die aktuelle Situation jede Perspektive verloren hat, erklärte sie mir am Anfang unseres
Telefonates, dass es ihr „gut“ geht.
Durch Explosion aus dem Schlaf gerissen. „Wir befinden uns in Sicherheit und sind unglaublich dankbar dafür. Ich weiß, dass sehr viele Menschen hier nicht dieses Glück haben“, erzählt Fiona und erinnert sich zurück an jenen Tag, der ihr Leben für immer verändern sollte. „Ich kam am 22. Februar aus Großbritannien retour nach Kiew, am 23. Februar war noch alles ganz normal, niemals hätten wir gedacht, dass so etwas passieren würde. Wir wussten, dass Russland immer wieder mal die Ketten rasseln lässt, das war Alltag und keiner hat das mehr so richtig ernst genommen. Mein Mann Vova und ich sind wie immer abends ins Bett gegangen und wurden um fünf Uhr morgens durch eine große Explosion aus dem Schlaf gerissen. Vom Balkon aus haben wir dann eine große schwarze Rauchwolke gesehen, keinen Kilometer von unserem Apartment entfernt. Selbst da dachten wir vorerst noch an eine Gasdetonation oder Ähnliches. Erst über Social Media habe ich erfahren, was los war. Wir waren geschockt!“
Fiona und Vova können fliehen. Fiona schildert, dass es in weiterer Folge über den Tag immer mehr Einschläge gab. Schnell wurde ihr und ihrem Mann bewusst, dass sie sich in Sicherheit bringen mussten. „Wir bekamen kurzfristig die Möglichkeit, mit Freunden bei deren Eltern – etwa 140 Kilometer von Kiew entfernt – unterzukommen. Zu diesem Zeitpunkt waren wir immer noch so naiv zu denken, dass wir in ein, zwei Tagen wieder in unsere Wohnung zurückkehren können.“ Aber bereits am nächsten Morgen war diese Hoffnung zerschlagen. „Es fielen immer mehr Bomben und wir mussten schnell entscheiden, denn schon am zweiten Tag gab es große Probleme mit dem Benzin und immer mehr Menschen versuchten, so schnell wie möglich die Region zu verlassen. Unsere Freunde haben Familie weiter im Westen des Landes und wir konnten mit ihnen dorthin fliehen. Diese Chance haben wir auch ergriffen.“
Jeder hilft. Fiona und Vova sind heute mehr als glücklich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. „Da, wo wir jetzt sind, ist es bisher ruhig. Es gibt des Öfteren Luftalarm, aber zum Glück ist noch nichts passiert“, erzählt sie. „Wir sind so froh, hier zu sein und sehr dankbar, dass wir jetzt bei Menschen leben dürfen, die wir vorher noch nie gesehen haben. Es ist ein Wahnsinn, wie sehr die aktuelle Situation die Menschen im Land zusammenschweißt. Jeder hilft. Es gibt Unmengen an Netzwerken, die sich gegenseitig updaten und unterstützen!“
Freunde in Gefahr. So erleichtert Fiona und Vova auch sind, dass sie sich, zumindest fürs Erste, in Sicherheit wiegen können, so sehr bewegen sie Schicksale von Freunden und Bekannten, die nach wie vor direkt in den Kampfgebieten festsitzen. „Eine Freundin befindet sich noch immer mit ihrer kleinen Tochter in Kharkiv. Die Stadt wird nonstop zerbombt. Sie ist in Panik und hat keine Möglichkeit zu fliehen. Oft müssen die zwei den ganzen Tag im Bunker verbringen.“ Aber auch hier zeichnet sich die Mentalität der Ukrainer ab. „Einige sehr mutige Menschen versorgen sie mit allem, was sie brauchen, zumindest bis jetzt. Sie haben Wasser und zu essen. Und sie haben – dank Elon Musk – Kontakt zur Außenwelt. Das ist unbezahlbar!“ Auch Freunde in Kiew befinden sich im Untergrund. „Der ganze Wohnkomplex lebt dort mittlerweile in der Tiefgarage. Das Nebengebäude wurde bereits von Granaten getroffen“, erzählt Fiona besorgt. „Es ist sehr gefährlich. Andauernd fallen Bomben und es gibt Scharfschützen. Es sind Zustände, die für uns einfach unvorstellbar sind.“
Alles verloren. Selbst wenn sich die Lage wieder beruhigt, müssen sich Fiona und Vova auf ein neues Leben einstellen. Als Künstler waren sie schon während der Coronakrise stark gebeutelt, jetzt scheint es, als hätten sie alles verloren. „Wir wissen nicht, ob es unser Apartment noch gibt und wie es weitergehen wird. Wir nehmen jeden Tag, wie er kommt und freuen uns über all die Unterstützung, die wir bekommen – auch von russischen Freunden. Wir hoffen nur, dass Vova nicht einberufen wird. Er musste sich vor wenigen Tagen registrieren und es kann jeden Tag sein, dass er an die Front muss, um zu kämpfen. Das macht uns große Angst. Er ist ein Performer, er weiß nicht, wie man eine Waffe bedient.“ Was bleibt, ist die Hoffnung auf baldigen Frieden in Europa und darauf, dass dem Künstler wenigstens dieses Schicksal erspart bleiben wird.
Sie wollen helfen? Christina Strauss, eine Freundin des Paares, richtete auf der Plattform „gofundme“ ein Fundraising ein. Auf
https://gofund.me/fb1e1b0e können Sie Fiona und Vova unterstützen.