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People | 24.05.2022

Technologieoffenheit als Gebot der Stunde

Warum es Unsinn ist, wenn die Politik nur den Elektroantrieb als Lösung für die Mobilität der Zukunft vorschreibt und in welche Richtung 180 MitarbeiterInnen in Sachen Entwicklung von Elektromotoren im E-Mobility-Kompetenzzentrum in Anif bei Salzburg forschen, hat uns KTM-Chef Stefan Pierer im Interview erzählt.

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© Helge Kirchberger

Für KTM-Chef Stefan Pierer ist E-Mobilität eine ideale Mobilitätslösung für kurze Strecken auf zwei und vier Rädern. Um fit für die Zukunft zu sein, wurden im Vorjahr die Elektroentwicklungsaktivitäten in der KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH in Anif bei Salzburg gebündelt, wo sich 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Entwicklung von Elektromotoren inkl. Fahrzeugentwicklung beschäftigen. Welche Rolle neue, recyclingfähige und nachhaltige Verbundmaterialien wie Hanf- oder Flachsfasern dabei spielen, hat uns Stefan Pierer verraten. 

 

Herr Pierer, Anfang des Jahres 2022 sagten Sie, Elektromobilität ist insgesamt ein Unsinn, der von Politikern ohne wissenschaftliche Kenntnisse gefördert wird. Worin liegt für Sie die Mobilität der Zukunft?
Ich habe es als Unsinn bezeichnet, wenn die Politik nur eine Lösung (Elektroantrieb) für die Mobilität vorschreibt. Für die Mobilität der Zukunft ist es enorm wichtig, offen für verschiedene Antriebskonzepte bzw. Technologien zu sein. E-Mobilität ist nur eine Möglichkeit davon. Ich sehe E-Mobilität als eine ideale Mobilitätslösung für kurze Strecken auf zwei und vier Rädern, da hierfür nur kleine Batteriekapazitäten erforderlich sind und die Rohstoffabhängigkeit überschaubarer bleibt. Speziell das motorisierte Zweirad ist für den E-Antrieb im Niedrigvoltbereich ideal geeignet. 

 

Die Motorradindustrie geht davon aus, dass es mit der 48-Volt-Elektrik bis zur Klasse A1 – das sind 11 kW oder 15 PS – in den nächsten zehn Jahren, vor allem in Europa, viele Elektromotorräder geben wird. Da sprechen wir von Rollern, Mopeds und Motorrädern. Was ist Ihrer Meinung nach die Antriebsform der Zukunft für motorisierte Zweiräder über 48 Volt?
Die Antriebsform der Zukunft für motorisierte Zweiräder wird ein Mix aus elektrifizierten Motorrädern (48 Volt) im unteren Hubraumbereich (bis max. 250 ccm) sein und hubraumstärkere Modelle (über 250 ccm) werden mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. In den High-Performance-Segmenten wird der Fokus der Entwicklungen auf die weitere Optimierung des Verbrenners sowie den Einsatz bzw. die Kompatibilität mit E-Fuels gerichtet.  Wir sind Verfechter von E-Fuels. Dafür sind wir auch ein Mitglied der e-Fuel Alliance Österreich, in der neben uns auch andere große Unternehmen wie u. a. Kässbohrer, AUA, OMV mit an Bord sind und die Entwicklung von synthetischem Kraftstoff vorantreiben.

 

In Anif bei Salzburg wurden bereits 25 Millionen Euro in ein E-Mobility-Kompetenzzentrum investiert. Was genau wird da entwickelt bzw. was braucht es, damit elektrisch betriebene Zweiräder und leichte Elektrofahrzeuge auch hinsichtlich Reichweite, Ladezeit, Ladeinfrastruktur und Kosten wirklich massentauglich werden?
Wir haben im Jahr 2021 unsere Elektroentwicklungsaktivitäten in der KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH in Anif bei Salzburg gebündelt und dort bereits rund 25 Millionen Euro investiert. An diesem Standort beschäftigen sich derzeit 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Entwicklung von Elektromotoren (inkl. Fahrzeugentwicklung).

Für die Entwicklung einer standardisierten Batterieplattform für zwei Räder haben sich Piaggio, Honda, Yamaha und KTM zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen wir eine Standardbatterie für leichte motorisierte Zweiräder (PTWs) auf den Markt bringen.  Bei der Batteriezellenentwicklung gibt es eine strategische Kooperation mit Varta. Wir sehen hier ein großes Potenzial für eine Plattformbatterie für leichte Elektrofahrzeuge im Bereich der 48-Volt-Technolgoie.

 

Wo geht die Reise im Leichtbau hin?
Im Leichtbau sehen wir interessante Innovationen auf uns zukommen. So wird am Einsatz neuer recyclingfähiger und nachhaltiger Verbundmaterialien wie Hanf- oder Flachsfasern geforscht. Immer öfter werden auch verschiedene Materialien wie Aluminium, Karbonfasern und Kunststoffe miteinander kombiniert, um Material und Gewicht zu sparen. Oft gilt dabei das Vorbild aus der Natur.  Am Standort in Anif bei Salzburg führen wir auch Drittaufträge für externe Unternehmen durch, darunter auch für namhafte Autohersteller wie auch Zulieferbetriebe aus anderen Branchen wie Maschinenbau oder Luftfahrt.  

 

Wie schaut es derzeit am Markt mit der Nachfrage nach E-Bikes (Fahrrädern) aus? 
Der Elektroantrieb beim Fahrrad hat sich schon weltweit durchgesetzt und in den letzten Jahren hohe Steigerungsraten erbracht. Derzeit wird bereits ein 40-prozentiger Anteil an E-Fahrrädern am Fahrradmarkt nachgefragt bzw. abgesetzt. In Europa erwartet man bis 2025 einen Anstieg auf rd. sechs Millionen Einheiten. In Nordamerika soll sich das Marktvolumen von 2021 bis 2025 auf zwei Millionen Stück pro Jahr sogar vervierfachen. 

 

Ziehen die elektrischen Motorräder bereits nach und wie viele Modelle bieten Sie bei Ihren Marken KTM, Husqvarna Motorcycles und GASGAS schon an?
Neben dem E-Fahrrad beginnt im kleinvolumigen Moped- bzw. Motorradbereich (bis 125 ccm) eine steigende Nachfrage nach elektrischen Antrieben. Das Volumen ist derzeit noch sehr gering, aber bis 2025 wird der Markt in Europa bereits auf 200.000 Einheiten geschätzt.

Pierer Mobility ist hier für beides sehr gut aufgestellt. Auch der weltweite Motorradmarkt wird weiterwachsen. Besonders für Kurzstrecken, auch urbanen Raum, gewinnt das Motorrad an Bedeutung. Bis 2024 werden bei uns mindestens drei elektrische Plattformen mit mehreren Produkten eingeführt. Das Portfolio an E-Modellen in unserer Unternehmensgruppe ist groß. Neben den E-Bicycles (GASGAS, Husqvarna, R Raymon und Felt) bieten wir bei allen drei Motorrad-Marken (KTM, Husqvarna und GASGAS) die kleinen Balance Bikes, die sogenannten Stacycs, die Sport Minis sowie die GASGAS Trials und unsere KTM Freeride E. 

Zahlreiche Zweiradmodelle von 4 bis 11 kW sollen im Unternehmen elektrifiziert werden. 2022 führen wir einen Stand-up-Scooter mit einer Reichweite von 40 Kilometer und einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h am Markt ein. In Entwicklung befinden sich die Husqvarna E-Pilen im A1-Führerscheinsegment (125-ccm-Klasse) sowie weitere noch nicht präsentierte Modelle, die voraussichtlich 2023 marktreif werden.