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People | 30.08.2021

POLITIK MIT HAUSVERSTAND

Eine noch stärkere Nummer eins zu werden, ist das Ziel von Landeshauptmann Thomas Stelzer bei der Landtagswahl am 26. September 2021. Geht es nach Oberösterreichs Landeschef, soll der Wahlkampf möglichst „kurz und schmerzlos“, also ohne partei-taktische Scharmützel, ablaufen. Immerhin gilt es noch immer eine Krise zu bewältigen. Mit Hausverstand blickt Thomas Stelzer (54) in die Zukunft und ortet neben dem Klimaschutz in der Pflege die mit Abstand größte Herausforderung der Zukunft.

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© Dominik Derflinger

Im Jahr 2017 folgte Mag. Thomas Stelzer Josef Pühringer als Landeshauptmann und Parteichef der ÖVP OÖ nach. In seiner Regierungserklärung kündigte Stelzer neben dem Ausbau der Digitalisierung in der Wirtschaft und an den Schulen auch den Ausbau an Wohnplätzen für Menschen mit Beeinträchtigung an. Er versprach Schulden abzubauen und eine gesetzliche Schuldenbremse einziehen zu wollen. Dass die Schuldenbremse, die sehr erfolgreich war, durch einen weltweiten Coronavirus gebremst wird, hätte damals wohl niemand für möglich gehalten. Die Coronakrise war, wie für jeden Regierungschef, auch für Thomas Stelzer die größte Herausforderung während seiner Zeit als Landeshauptmann. Dennoch ortet der 54-jährige Vollblutpolitiker langsam, aber sicher Licht am Ende des Tunnels, wohl auch deshalb, weil Oberösterreich trotz Krise einen Beschäftigungsrekord zu verzeichnen hat. Den Wahlkampf geht Thomas Stelzer derzeit noch ruhig und gelassen an. Die vergiftete politische Stimmung überlässt er den Wienern. Auf Wahlprognosen in Prozent lässt er sich nicht ein. Er lobt die Zusammenarbeit in der Koalition mit den Blauen in den vergangenen Jahren und freut sich, dass in „seiner“ Landesregierung 97 Prozent der Beschlüsse einstimmig gefällt wurden. Themen wie Klimaschutz und Verkehrsfragen geht er mit Hausverstand an und sobald die Krise vorbei ist, will er auch wieder an seinem Null-Schulden-Kurs festhalten.

Herr Stelzer, seit 2017 sind Sie Landeshauptmann von Oberösterreich. Was war in dieser Zeit die größte Herausforderung für Sie?

Thomas Stelzer: In den vergangenen eineinhalb Jahren war die Coronakrise die größte Herausforderung, allerdings ist es in diesem Beruf so, dass es immer große Herausforderungen gibt. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit haben wir das Budget neu aufgestellt, Schulden gestoppt und abgebaut. Es gibt also ständig etwas, das uns beschäftigt, aber so eine weltweite Krise, die auch uns voll getroffen hat, ist natürlich eine große Herausforderung.

Worauf sind Sie in Ihrer Periode als Landeshauptmann besonders stolz?

Besonders stolz bin ich, dass wir aktuell in Oberösterreich einen Beschäftigungsrekord zu verzeichnen haben, obwohl wir aus der Coronakrise noch gar nicht raus sind. Das zeigt, dass wir alle, und das nehme ich nicht nur für die Politik in Anspruch, die ganze Zeit etwas richtig machen. Das freut mich auch deshalb sehr, weil die Beschäftigung einfach das Um und Auf ist.

Die neuesten Zahlen bestätigen, dass die Arbeitslosigkeit in OÖ gesunken ist und die Beschäftigung stark gestiegen ist. Dennoch sind fast 32.000 Personen arbeitslos, denen 29.000 offene Stellen gegenüberstehen. Was läuft hier falsch und wo muss man ansetzen, damit es eine Übereinkunft gibt?

Man kann die offenen Stellen nicht einfach mit arbeitslosen Menschen eins zu eins gleichrechnen, denn jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Zwischen diesen zwei Polen muss man eine Brücke bauen und diese heißt Qualifizierung, Schulung und Weiterbildung. Damit sind wir intensiv beschäftigt. Wir haben heuer den„Pakt
für Arbeit und Qualifizierung“ mit 340 Millionen Euro so hoch dotiert wie noch nie. Wir müssen jene Leute, die arbeitslos sind, fit machen, ihnen Selbstvertrauen geben und ihnen auch gezielt Schulungen ermöglichen, dass sie
die Jobs, die
vorhanden sind, auch annehmen können. 

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© Dominik Derflinger

Welche Lehren ziehen Sie aus der Coronakrise und den Lockdowns?


Unsere Generation war bisher fast ausschließlich Wohlstand und Unbeschwertheit gewohnt. Die große Lehre, die ich daraus ziehe, ist, dass nichts selbstverständlich ist. Man muss immer damit rechnen, dass Veränderungen eintreten können. Eine Lehre inhaltlicher Natur ist meiner Ansicht nach, dass wir gesehen haben, wie wichtig ein regionales, dezentrales Gesundheitsangebot, also Spitäler in allen Re- gionen, ist. Damit kann man möglichst schnell und breit eine regionale Versorgung bieten.

Sie sind bekannt für Ihren „Chancen statt Schulden“-Kurs. Wie ist hier aktuell die Lage und wird dieser Weg weitergeführt?


Wenn man aus einer Krise rauskommen möchte, dann muss die öffentliche Hand einspringen und Schulden machen. Da geht es uns nicht anders als anderen Ländern und Staaten. Aber wenn die Krise überwunden ist, möchte ich wieder zu ausgeglichenen Budgets und Schuldenabbau zurückkommen. Da die Wirtschaft derzeit schon wieder ordentlich anspringt und bei uns sogar stärker wächst als in anderen Regionen, werden wir sicher wieder dorthin zurückkommen.

 

Oberösterreich ist ein internationaler Wirtschaftsstandort, wir leben vom Export. Wo sind wir in Oberösterreich gut, wo müssen wir besser werden?

Wir fragen uns immer gerne, ob wir besser sind als die Wiener oder die Niederösterreicher. Aber unsere Messlatte müssen die Weltmärkte sein. Wenn zwei Drittel des Einkommens aus dem Export verdient werden, müssen sich unsere Unternehmen international bewähren. Wir sind sehr gut in der industriellen Produktion und im Automotivbereich, gleichzeitig liegt darin aber auch die größte Herausforderung, weil aus dem Klimaschutz heraus dort derzeit sehr viele Umstellungen passieren. Neue Antriebsformen, E-Mobilität usw. – was immer da auch kommen wird, es muss uns gelingen, vorne dabei zu sein. Das hat ganz viel mit Forschung, Innovation und Ausbildung zu tun.

 

Macht man mit der Abschaffung des Verbrenners nicht große Branchen, die im Zulieferbereich arbeiten, kaputt?


Dazu gibt es zwei Punkte: Erstens bin ich dafür, dass wir Klimaschutz mit Hausverstand betreiben und wir bzw. unsere Unternehmen haben im Industrieland Oberösterreich bisher gezeigt, dass wir das können. Ich glaube nicht, dass irgendwo auf der Welt ein saubererer Stahl produziert wird als bei uns. Daher dürfen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Und das Zweite, wofür ich konsequent eintrete, ist, dass wir akzeptieren müssen, dass wir uns in Europa und in Österreich das Ziel gesetzt haben, bis 2040 klimaneutral zu sein. Am Weg dorthin wird es natürlich noch Verbrenner und Gas geben, weil wir es sonst nicht schaffen. Ich bin dafür, dass wir diese Ziele erreichen, aber es bringt nichts, heute schon zu jammern, dass wir noch nicht dort sind, wo wir 2040 sein möchten.

Einige Unternehmen in Oberösterreich sind im Bereich des Wasserstoffes als Energieträger sehr aktiv und auch innovativ. Sollte dieses große Potenzial nicht besser gefördert werden?

Wir haben in Oberösterreich Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten, die aus sich heraus innovative Ideen haben und umsetzen, das ist ein großer Vorteil. Im Bereich des Wasserstoffes haben wir ein großes Forschungsprojekt am Standort der voestalpine laufen und es ist uns gelungen, dass die Bundesregierung im Zuge ihrer Wasserstoffoffensive einen Großteil in Oberösterreich investieren wird. Daher werden wir gerade in Sachen Wasserstoff ordentlich vorankommen.

Oberösterreich ist schon jetzt bei fast allen erneuerbaren Energieträgern Nummer eins. Was wird getan, um vorne zu bleiben bzw. diesen Vorsprung weiter auszubauen?

Das stimmt, wir sind bei den erneuerbaren Energieträgern sehr weit vorne. Im Bereich der Wasserkraft haben wir das, was im Land geht, schon genutzt und wir sind auch in der Nutzung von Sonnenenergie schon sehr weit fortgeschritten. Diesbezüglich wollen wir die Leistung aus der Photovoltaik bis ins Jahr 2030 mit kräftigen Förderungen verzehnfachen. Die andere positive Seite der Medaille ist, dass ganz viele Unternehmen daraus ein Geschäftsmodell entwickelt haben und in den vergangenen Jahren Tausende Arbeitsplätze entstanden sind. Wir machen etwas daraus, nicht umsonst sind die Oberösterreicher bei modernen Heizkesseln für Biomasse oder Pellets europaweit Marktführer.

 

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© Dominik Derflinger

Den öffentlichen Verkehr betreffend gibt es in Oberösterreich ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Wie ist es um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bestimmt?

Ein Flächenbundesland wie Oberösterreich ist ein Land der Pendler und wird immer einen gewissen Anteil an Individualverkehr haben. Dass man mit den Öffis jede Ortschaft erreicht, wird nicht funktionieren. Aber wir investieren kräftig in den öffentlichen Verkehr. Seitdem ich Landeshauptmann bin, war das Budget für den öffentlichen Verkehr jedes Jahr höher als jenes für den Straßenverkehr. Mit der Umsetzung der Regional-Stadtbahn für den Zentralraum, die wir gemeinsam mit dem Bund und der Stadt Linz finanzieren, wird noch heuer begonnen. Wir haben ab Oktober ein günstiges Öffi-Ticket für Gesamt-Oberösterreich und gemeinsam mit den Bundesbahnen ein Paket von mehr als 700 Millionen Euro geschnürt, mit dem die Schienenstränge erneuert werden sollen. Auch die Bahnhöfe sollen sicherer und moderner werden, da die Nutzung des öffentlichen Verkehrs auch etwas mit gewissen Annehmlichkeiten zu tun hat und das wollen wir unterstützen.

 

Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage denkt jede zweite Pflegekraft in Oberösterreich an den Ausstieg. Nach Berechnungen des Landes wird allein in Oberösterreich in den nächsten 20 Jahren die Zahl der Pflegebedürftigen um 40.000 Personen ansteigen. Was wird getan, um die Pflege zu sichern?

Das ist gesellschaftlich gesehen eine der größten Fragen, die uns jetzt schon beschäftigt und künftig noch mehr beschäftigen wird. Wir haben heuer mit den Gewerkschaften ein Paket umgesetzt, das die Löhne, aber auch die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich verbessert hat. Zum Beispiel werden im Nachtdienst in den Pflegeheimen zwei statt einer Pflegekraft eingesetzt, Arbeitszeiten wurden etwas nach unten geschraubt und die Springerregeln verbessert. Zudem stellen wir fest, dass sich viele Menschen im Lauf ihres Arbeitslebens umorientieren und in die Pflege gehen wollen. Das müssen wir mit Stipendium-Modellen ermöglichen. Ein ganz wichtiger Punkt ist die Pflegereform, dazu braucht man aber den Bund. Es macht zwar Sinn, dass wir im Bereich der Pflege streng reguliert sind, aber da müssen wir uns viel besser aufstellen.

 

Auf Bestreben Oberösterreichs wurde die Einführung einer Pflegelehre im Regierungsprogramm des Bundes aufgenommen. Damit sollen auch mehr junge Leute für die Pflege gewonnen werden. Wann wird diese Pflegelehre auch wirklich in die Realität umgesetzt?

Wir hoffen, dass die Pflegelehre im Zuge der Pflegereform kommt, weil man natürlich auch Leute verliert, da sie diese Ausbildung noch nicht machen können und sich umorientieren.

 

Wie sieht für Sie soziale Verantwortung aus und was ist hier das Bestreben?


Wenn man wirtschaftlich gesehen erfolgreich ist, darf man auch niemanden zurück- oder alleine lassen. Es gibt Lebenssituationen, in denen die Gesellschaft einspringen muss. Daher haben wir heuer vereinbart, dass wir die Wohnsituation für Menschen mit Beeinträchtigung kräftig unterstützen. Dazu werden wir in den nächsten fünf bis sechs Jahren jährlich 100 zusätzliche Wohnplätze schaffen. Dabei geht es nicht nur ums Bauen, sondern vor allem auch um die Betreuung.

 

Viele Industrieunternehmen haben ihren Sitz am Land, hier spielt schnelles Internet eine tragende Rolle. Wie schaut es diesbezüglich im Moment aus? Wie weit klafft eine Chancengleichheit zwischen ländlichem Raum und Stadt auseinander?

Das ist unterschiedlich. Wir haben Regionen, die schon sehr gut versorgt sind, aber auch andere, wo wir einfach noch nicht schnell genug sind. Dort haben wir seitens des Landes OÖ schon investiert und vor einigen Wochen vom Bund noch einmal 155 Millionen Euro zugesagt bekommen. Damit können wir in 200 Gemeinden sofort starten.

 

Die Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz, Sabine Seidler, auch Rektorin der TU Wien, freut sich gar nicht über die Technische Universität in Oberösterreich, die bereits 2023 in Betrieb gehen soll. Sie spricht von unausgegorener Planung und ortet die Uni als Ihr Prestigeprojekt anlässlich der Landtagswahl. Was sagen Sie dazu?

Wir kennen das bereits von der Gründung der Kepler Uni in Linz, dass die großen Universtäten, vor allem jene in Wien, mit einem Uni-Standort in Oberösterreich keine Freude haben. Aber zu einem modernen Wirtschafts- und Industriestandort, der sich international bewährt und auch bewähren muss, gehören Wissenschaft und Forschung einfach dazu. Die Technische Universität für Digitalisierung ist für ganz Österreich eine riesengroße Chance, weil Digitalisierung, abgesehen von der Technologie, unsere gesamte Gesellschaft – von Kultur bis hin zur industriellen Produktion – erfasst. Außerdem hat es bei uns durch die Johannes Kepler Universität und die Fachhochschulen bereits Vorleistungen in diese Richtung gegeben. Auch viele Unternehmen sind in Sachen Digitalisierung bereits sehr gut aufgestellt. Wir arbeiten mit Expertengruppen zügig an den Inhalten dieses neuen Studiums, damit wir im Herbst 2023 starten können.

 

 

Lesen Sie das gesamte Interview in unserer aktuellen Ausgabe! 
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© Dominik Derflinger

Im Interview mit Ulli Wright und Josef Rumer hat Thomas Stelzer verraten, dass er Robbie Williams Fan ist und ihn Stillstand ärgert.