People | 23.05.2022
Musik ist Energie
Im Alter von zehn Jahren ist Pete Sabo mit seinen Eltern und vier Geschwistern von Ungarn nach Österreich geflohen. Die Zeit im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen und in St. Georgen im Attergau haben sein Aufwachsen geprägt. Nach einer Lehre als Zimmermann und auf Montage im Ausland verdiente er sich sein Geld. Seine große Leidenschaft zur Musik hat ihn aber nie losgelassen und aus einer „Hobby-Auflegerei“ zu Hause sowie in lokalen Bars und Diskotheken wurde eine Karriere, die ihresgleichen sucht. Bereits seine erste EP „Pressure“, released beim Label Bunny Tiger, erhielt breiten Support der internationalen DJ-Szene und hielt sich monatelang in den obersten Beatport- und Traxsource-Charts. Auch für seinen nächsten Track „Like this!“, released by Spinnin‘ Deep, in Zusammenarbeit mit dem DJ-Kollegen „Who Knows“, erhielt er massiven Support von Größen der internationalen Musikszene. Mittlerweile werden seine Tracks auf YouTube und Spotify auf und ab gespielt und 2017 wurde der Künstler bei einem Festival zum „DJ des Jahres“ gekürt. Wir haben mit dem bodenständigen und sympathischen ungarischen Mühlviertler über sein Aufwachsen, seine internationale Karriere und seine Leidenschaft für Musik gesprochen.
Pete, können Sie sich noch an die Flucht von Ungarn nach Österreich erinnern?
Ja, ich war zehn Jahre alt, als meine Eltern mit mir und meinen vier Geschwistern nach Österreich geflüchtet sind. Meine Mutter hat mir damals einen kleinen Koffer in die Hand gedrückt und gesagt: „Renn!“ Als wir in Wien angekommen sind, haben wir uns in einer kleinen Pension mit Freunden meiner Eltern getroffen. Danach kamen wir in das Erstaufnahmezentrum nach Traiskirchen, wo wir circa zwei Monate verbrachten.
Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
In Traiskirchen waren wir mit mehreren Hundert Menschen, darunter auch viele Familien mit Kindern, in einer großen Halle mit Stockbetten untergebracht. Danach wurden wir Flüchtlinge auf verschiedene Gemeinden in Österreich aufgeteilt und ich kam mit meiner Familie in eine Pension nach St. Georgen im Attergau. Nach zwei Jahren mussten wir übersiedeln und hausten unter katastrophalen Umständen in einer Wohnung mit Küchenschaben und nur einem Badezimmer und WC für 20 Personen. Es war nicht einfach, denn egal ob aus Ungarn, Tschechien oder Polen, du warst immer der Ausländer. Unsere Eltern haben mehrere Jobs nebeneinander gehabt, um uns fünf Kinder durchzubringen. Mein Papa ist jeden Tag 30 Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Zwei Jahre später konnten sich meine Eltern eine kleine Mietwohnung leisten. Ich ging zur Schule und war ein Jahr lang in der „Ausländerklasse“, um Deutsch zu lernen. Nach der Schule habe ich eine Lehre als Zimmermann absolviert. Step-by-step haben wir uns durchgekämpft und immer weitergemacht.
Wie haben Sie damals den Weg zu den Turntables gefunden?
Nach meiner Lehre bin ich ins Ausland auf Montage gegangen. Ich habe mich viel ausprobiert und die verschiedensten Jobs gemacht, um Geld zu verdienen. Da war alles dabei, ich habe sogar am Flughafen in Salzburg Rasen gemäht (lacht). Musik war allerdings immer meine große Leidenschaft und ich habe den DJs in den Clubs ganz besonders auf die Finger geschaut.
Irgendwann habe ich mir dann eigene Platten gekauft und mich im Auflegen versucht – anfangs noch alleine zu Hause, später habe ich in einer Bar angefragt, ob ich spielen darf. Das war ein Sprung ins kalte Wasser und natürlich nicht fehlerfrei, aber es hat funktioniert. Denn ein guter DJ sollte mehr können als nur auflegen.
Was zum Beispiel?
Ein Riesenvorteil ist, wenn ein großes Musikrepertoire vorhanden ist, um die richtige Musik auszuwählen und ans Publikum anpassen zu können. Übergänge sind wichtig, weil man damit immer wieder für einen Überraschungseffekt sorgen kann und so die Massen gut bewegen bzw. leiten kann.
Wie machen Sie Musik, wie darf man sich das vorstellen?
Wichtig ist für mich immer das Zusammenspiel der einzelnen Sounds. Ich experimentiere viel und es ist nicht immer einfach, etwas zu finden, womit man selber zufrieden ist. Ich habe mich durch meinen Vater von Musikern wie JeanMichel Jarre oder Kraftwerk, Eric Clapton oder Jerry Lee Lewis inspirieren lassen. Da es so viel gute Musik gibt, mische ich bei meinen Auftritten die eigenen Nummern mit Musik von anderen Künstlern. Mein größter Fan ist aber immer noch meine Mutter, die Dancing Queen, weil sie als erste auf der Tanzfläche steht.
Wann kam als DJ Ihr Durchbruch?
2013 spielte ich immer öfter in Clubs und ging dann nach Ischgl auf Saison, wo ich im Champagnerclub als DJ gearbeitet habe. Da konnte ich zwar nicht das spielen, was ich gerne gespielt hätte, aber ich habe einen guten Mittelweg gefunden, der gut bei den Gästen angekommen ist. Eines Tages gab mir jemand einen Kontakt vom angesagten Nikki Beach Club in Mallorca und meinte, dass ich dort gut hinpassen würde. Nachdem ich einen Mix hingeschickt habe, bekam ich die Chance, mich dort zu beweisen. In Mallorca angekommen, hat man mich ziemlich lange hingehalten, bis ich endlich spielen konnte. Aber dann ist alles ganz schnell gegangen und ich konnte eine Woche später meinen Job als DJ beginnen. Zu Hause habe ich alles liegen und stehen gelassen und bin eine ganze Saison lang nach Mallorca gegangen. 2014 habe ich auch zum Produzieren angefangen und hatte überraschenderweise Erfolg damit. Ich war in Brasilien in den Charts lange auf Platz 1, habe in Ibiza aufgelegt und wurde immer bekannter. Es war beinharte Arbeit und ich habe es immer ernst genommen, auch weil es mir unheimlich viel Spaß gemacht hat und immer noch macht.
Was waren Ihre schönsten Gigs?
Einen meiner schönsten Gigs hatte ich in Thailand, aber auch in Österreich habe ich in verschiedenen Clubs und auf Festivals wie Electric Love, Nova Rock und Beatpatrol gespielt. Auch bei uns gibt es sehr viele coole Locations, diese zu bespielen, macht mir nach wie vor großen Spaß.
2018 haben Sie mit SABO|TAGE ein spezielles Projekt im Brucknerhaus in Linz ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?
Wolfgang Scheibner vom Brucknerhaus kam 2017 auf mich zu und fragte, ob ich eine Idee hätte, etwas Neues zu machen. Mein Vorschlag, gemeinsam mit einem Orchester eine Mischung aus elektronischer und klassischer Musik zu machen, gefiel ihm. Nachdem ich Thomas Kerbl, den damaligen Vizerektor der Anton Bruckner Privatuniversität, überzeugen konnte, ergab eines das andere. In Zusammenarbeit mit dem Arrangeur Hermann Miesbauer sowie dem Produzenten und meinem guten Freund Wolfgang Heim habe ich SABO|TAGE in Concert ins Leben gerufen. Durch die Verbindung von elektronischer und klassischer Musik trafen zwei verschiedene Welten aufeinander und wir haben nach langer, schweißtreibender Arbeit etwas Außergewöhnliches erschaffen. Nach dem Konzert dauerte es drei Tage, bis ich realisiert habe, was da abgegangen ist. Wir bekamen enorm viel positives Feedback, was uns zum Weitermachen motivierte. Das Projekt SABO|TAGE kann auch in einer kleineren Besetzung (vier Musiker und DJ) gebucht werden.
Mit SABO|TAGE haben Sie auch am letzten Life Ball im Jahr 2019 ordentlich mitgemischt. Wie kam es dazu?
Ich war gerade wieder einmal in Ischgl, als ich einen Anruf von Gery Keszler bekam. Er hat mich mit Thomas Kerbl und Wolfgang Heim zu einem Gespräch nach Wien eingeladen. Es war erfolgreich und so sind wir dann gemeinsam mit dem Orchester der Anton Bruckner Privat-universität beim Galakonzert und bei der After-Show-Party mit Cesár Sampson beim Life Ball im Wiener Rathaus aufgetreten. Es lief richtig gut, bis Corona kam und auf der ganzen Welt Party machen erstmal vorbei war. Plötzlich hatte ich ganz viel Freizeit.
Was haben Sie mit der vielen freien Zeit angefangen?
Ich habe viel Musik gemacht und mit Live-stream begonnen. Zum Glück geht es jetzt wieder bergauf und ich habe in den vergangenen Wochen auf Ibiza, in Berlin und in Österreich gespielt. Darüber hinaus habe ich eine eigene Radioshow auf dem sehr bekannten und renommierten Sender „Ibiza Global Radio“ (siehe Instagram).
Sie sind international wieder viel unterwegs, wohnen aber im Mühlviertel. Was schätzen sie an ihrer oberösterreichischen Heimat?
Umgeben von der wunderschönen Natur kann ich zur Ruhe kommen. Das holt mich runter und ich kann viel Kraft und Energie tanken, um wieder neue musikalische Ideen umzusetzen.
Haben Sie den Weg, Musik zu machen und als DJ zu arbeiten, je bereut?
Nein, Musik ist und bleibt meine Leidenschaft. Ich werde oft gefragt, ob ich nicht langsam auch etwas anderes machen will, weil ich älter werde und junge Talente nachkommen. Das sehe ich gelassen, es gibt viele andere Möglichkeiten, um Geld zu verdienen. Es ist mir auch ein Anliegen, die Jungen zu fördern. Corona hat uns alle betroffen und vieles gekostet, aber ich bin dankbar, dass ich ein Dach über dem Kopf und Essen im Kühlschrank habe und dass meine Familie gesund ist. Die Flucht von Ungarn nach Österreich hat uns geprägt und wir haben unseren Eltern sehr viel zu verdanken. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Wir haben von ihnen gelernt, uns durchzukämpfen. Ich sage immer: „The sky is wide open“ – man muss es nur wollen und das notwendige Talent mitbringen.