People | 26.05.2022
Musik gibt mir Kraft
Wir treffen Oksana Kuzo in der Galerie ihres Mannes, dem Künstler Lukas Johannes Aigner, in Linz-Urfahr und merken sofort, dass sie seine Muse ist. Denn fast auf jedem seiner großformatigen, farbenfrohen Bilder ist die gebürtige Ukrainerin zu sehen. Der Musik wegen kam Oksana vor zwölf Jahren nach Linz und absolvierte zwei Studien an der Anton Bruckner Privatuniversität. Der Musik wegen ist die Pianistin auch in Oberösterreich geblieben und neben dem Unterrichten von Studenten und Schülern tritt sie auch bei Konzerten im In- und Ausland auf.
Der Krieg in ihrer ehemaligen Heimat traf die 35-Jährige schwer. Nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatte, setzt sie sich unermüdlich für ihre Landsleute ein und hat in Linz den „Infopoint for Ukrainians“ gegründet. Wo sie in dieser schwierigen Zeit Kraft schöpft und wie sich eine Künstlerehe gestaltet, hat uns Oksana im Interview erzählt.
OBERÖSTERREICHERIN: Oksana, Sie leben in Linz, Ihre Eltern und Ihr Bruder in der Ukraine. Wie geht es ihnen?Oksana Kuzo: Meine Mutter und meine Nichte Victoria haben mich vor ein paar Wochen in Linz besucht und es geht ihnen einigermaßen gut. Meine Familie lebt in Lemberg in der Westukraine und will dort auch bleiben, solange sie nicht in Gefahr ist. Derzeit ist es noch halbwegs ruhig, aber auch dieses Gebiet kann jederzeit attackiert werden. Was die Psyche betrifft, ist es ganz schlimm. Mein Bruder arbeitet nach wie vor im Homeoffice, auch meine Neffen und die Nichte haben ausschließlich Online-Unterricht und sind seit Monaten nicht aus dem Haus gekommen. Viele Freundinnen und Freunde von Victoria sind ins Ausland gegangen, sie ist schon ziemlich deprimiert. Es ist ganz schlimm, wenn man ungewiss in die Zukunft blicken muss und nichts planen kann.
Wie sehr hat Sie der Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar in Ihre ehemalige Heimat überrascht?
Wenn man die Geschichte zwischen Russland und der Ukraine kennt, ist man nicht überrascht, dass das passiert ist. Russland hat 2014 nach der Annexion der Krim den Krieg im Osten der Ukraine begonnen. Auch anhand der Rhetorik seitens der russischen Politik war abzusehen, dass sich ein ausgewachsener Krieg entwickeln kann. Einen Tag bevor die Truppen einmarschiert sind, wäre ich zu meiner Familie nach Lemberg geflogen, ich hatte sogar schon den Flug gebucht. Dann habe ich mit meinem Mann entschieden, in Linz zu bleiben und meinen Landsleuten von hier aus so gut wie möglich zu helfen.
Sie haben den „Infopoint for Ukrainians“ in Linz initiiert und setzen sich seit Beginn des Krieges unermüdlich für Flüchtlinge aus Ihrer Heimat ein. Wie kam es dazu?
Etwa eine Woche nach Kriegsbeginn wurde ich nach einer Demonstration auf dem Linzer Hauptplatz von Menschen angesprochen, die vor dem Krieg nach Oberösterreich geflüchtet sind und um Hilfe und Informationen gebeten haben. Da war es für mich klar, dass ich als Ukrainerin, die in Österreich lebt, helfen werde. Ich hatte die Idee, für die Flüchtlinge ein Hilfszentrum und einen Treffpunkt in Linz aufzubauen. Mit Unterstützung der Kunstuniversität Linz und vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern haben wir Anfang März den Infopoint im Brückenkopfgebäude am Hauptplatz 6 in Linz eröffnet. Seitdem leite ich dieses Hilfs- und Kommunikationszentrum.
Viele Ukrainer helfen im Infopoint mit, wie darf man sich die Unterstützung dort vorstellen?
In den ersten Wochen leisteten wir in erster Linie informative und bürokratische Unterstützung. Später gründete ich gemeinsam mit Gleichgesinnten den Verein „Ukrainische Community in OÖ, Point of Ukraine“. Mittlerweile veranstalten wir auch gemeinsame Mittagessen, Deutschunterricht, Yoga-Training, therapeutische Treffen sowie Kreativ- und Musikkurse. Außerdem wurde in Kooperation mit der Volkshochschule Linz ein Intensiv-Deutschkurs für Kinder durchgeführt und in Zusammenarbeit mit der Kunstuniversität machen wir einen Malkurs. Gemeinsam mit Michael Nell, dem Direktor vom Hotel Schwarzer Bär in Linz, veranstalten wir Treffen mit Arbeitgebern aus Hotellerie und Gastronomie, wodurch einige Menschen bereits Arbeit gefunden haben.
Sie sind sicher mit vielen tragischen Schicksalen konfrontiert. Wie schaffen Sie es, mental stark zu bleiben?
Die ersten drei Wochen nach Kriegsbeginn waren mental sehr schwierig und ich habe viel geweint, vor allem auch, als ich die schrecklichen Bilder gesehen habe. Aber meine Tätigkeit im Infopoint hilft mir sehr. Ich weiß, dass ich mich in einer privilegierten Position befinde und will jenen Menschen helfen, die es im Moment nicht so gut haben. Trotz dieser schwierigen Situation müssen wir alle stark bleiben, denn nur so können wir uns dem Angriff Russlands widersetzen und die Ukraine als Teil der europäischen und demokratischen Welt verteidigen. Was mir sehr viel Kraft gibt, ist natürlich auch das Musizieren. Denn wenn ich Piano spiele tauche ich in eine andere, bessere Welt ein.
Wie sind Sie zur Musik bzw. zum Pianospielen gekommen?
Sehr untypisch! Ich habe erst im Alter von zehn Jahren begonnen, Klavierspielen zu lernen, was für eine professionelle Pianistin sehr spät ist. Dass ich überhaupt begonnen habe, war ein reiner Zufall. Ich war das einzige Kind in einem Mehrparteienhaus. Eine Nachbarin hat ihr Klavier verkauft und bei uns nachgefragt, ob ich es haben möchte. Das war der Beginn meiner musikalischen Reise (lacht).
War Musik auch der Grund, warum Sie vor zwölf Jahren nach Linz gekommen sind?
Ja, ich habe während meines Studiums in der Ukraine immer mit dem Gedanken gespielt, einmal ins Ausland zu gehen und hatte im Alter von 20 Jahren sogar ein Jobangebot in einer Opernschule in Mailand. Meine Eltern meinten aber, dass ich zu jung wäre und zuerst mein Studium abschließen sollte. Dennoch habe ich den Plan, einmal ins Ausland zu gehen, weiterverfolgt. Eines Tages hat mich mein Professor vom Masterkurs in der Ukraine zu einem Kurs an der Anton Bruckner Privatuniversität nach Linz eingeladen. Diese Chance habe ich genützt. Ich konnte kein Wort Deutsch und kannte niemanden, aber im Studentenheim und auf der Uni fand ich schnell Anschluss unter Gleichgesinnten.
Sie haben dann an der Anton Bruckner Privatuniversität studiert.
Ja, genau. Ich habe ein Masterstudium für Klaviersolo und ein weiteres für Kammermusik abgeschlossen und bin danach geblieben, um an der Uni zu arbeiten. Zudem bin ich auch als Lehrende beim OÖ Landesmusikschulwerk in Ottensheim tätig.
Was gefällt Ihnen am Unterrichten?
Es ist ein sehr kreativer Prozess. Einerseits gebe ich mein Wissen und meine Erfahrung weiter, andererseits bin ich auch selbst in einem Lernprozess, um für jeden Schüler oder Studenten individuell die besten Lösungen und die richtige Herangehensweise zu finden. Es ist sehr interessant, zusammen mit jungen Menschen nach verschiedenen Ansätzen, Interpretationen und Möglichkeiten zu suchen.
Welche Bedeutung hat Musik für Sie?
Musik ist für mich eine Tür in eine andere, eine bessere Welt. Man kann mit Musik vieles ausdrücken, was mit man mit Worten nicht sagen kann.
Seit fünf Jahren sind Sie mit dem bekannten Linzer Künstler Lukas Johannes Aigner verheiratet und wie man auf seinen Bildern sieht, sind Sie auch seine Muse. Wie darf man sich so eine Künstlerehe vorstellen?
Es ist immer interessant und macht Spaß, Zeit miteinander zu verbringen. Wir reden sehr viel über alles Mögliche: über Kunst, Politik und das Leben an sich und wir philosophieren gerne. Als Künstler inspirieren wir uns gegenseitig, sind aber auch unsere größten Kritiker. Es ist für mich ganz besonders, wenn ich bei Lukas im Atelier in Urfahr bin. Wenn ich für ihn posiere, ist das eine Art Meditation, ein besonderer Zustand, in dem ich mich vom Alltag lösen kann. Und für ihn ist es ein Zustand höchster Konzentration im Hier und Jetzt. Ob im Atelier oder zu Hause, die Bilder von Lukas geben mir beim Pianospielen sehr viel Energie. Wir haben im Atelier auch schon Konzerte veranstaltet, die sehr gut angekommen sind.
Könnten Sie sich vorstellen, wieder einmal in die Ukraine zurückzugehen?
Auch ohne Krieg würde ich wahrscheinlich in Österreich bleiben. Ich bin im Alter von 23 Jahren nach Linz gekommen. Hier leben mein Mann und meine Freunde. Außerdem liebe ich meinen Beruf. In der Ukraine müsste ich von Neuem beginnen, aber man weiß nie, was kommt.
Was hilft Ihnen in dieser schwierigen Zeit?
Viel Arbeit sowie der Kontakt und Austausch mit den Menschen. Auch die großartige Unterstützung und Liebe meines Mannes. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich habe auch eine starke innere Überzeugung und den Glauben daran, dass alles gut wird.
Welche Pläne verfolgen Sie in naher Zukunft?
Die letzten zwei Jahre waren schwierig, weil man nichts vorausplanen konnte. Dennoch ist es mir wichtig, flexibel zu sein. Während Corona habe ich mit der Saxofonistin Andrea Edlbauer ein Duo gegründet. Wir haben bereits Konzerte gegeben und es werden noch weitere folgen. Es ist auch geplant, eine CD aufzunehmen. Ich arbeite mit verschiedenen Sängerinnen und Sängern und habe vor Kurzem mit der wunderbaren Sofia Vinnik einen Liederabend in Bonn gespielt, wo wir auch ukrainische Lieder im Programm hatten. Im Juni habe ich einen Liederabend mit Mezzosopranistin Anna Manske auf Burg Bernstein. Neben der klassischen Musik möchte ich mich mehr auf neue, zeitgenössische Musik konzentrieren und arbeite bereits mit Komponisten zusammen. Ich überlege sogar, ein Studium in diese Richtung zu machen. Und natürlich möchte ich mit dem „Point of Ukraine“ die Untersützung für die Flüchtlinge weiter ausbauen. Daher sind wir für Kooperationen aller Art und jede Hilfe dankbar.
Sie wollen helfen?
Unter dem Spendenkonto:
IBAN: AT18 3400 0000 0513 1826 können Sie den POINT OF UKRAINE,
Ukrainische Gemeinschaft in OÖ, unterstützen.
Wordrap
Glücklich macht mich ...
... Zeit mit meinen Lieben zu verbringen und natürlich auch Musik und Kunst.
Niemals vergessen werde ich ...
... als ich meinen Mann Lukas nach einem Konzert im Brucknerhaus kennengelernt habe. Ich werde leider auch nie den Vormittag vergessen, als ich aufwachte und erfuhr, dass Russland in der Ukraine einmarschiert ist.
Das Piano ist für mich ...
... ein Medium und Instrument, die Dinge auszudrücken, die nicht mit Worten ausgedrückt werden können.
Mein Lebensmotto ...
... offen sein für die Welt, immer an sich selbst zu arbeiten, an andere zu denken und nie aufhören zu träumen.