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People | 23.03.2021

„Ich lasse mich nicht so leicht unterkriegen“

Vom Mühlviertel zum Tatort: Schauspielerin Christina Scherrer über Kunst und Kultur in der Krise und warum Humor für sie die beste Waffe ist.

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© Flo Waitzbauer

Aufgewachsen am Land im tiefsten Mühlviertel hat es Christina Scherrer (33) nach ihrem Schauspielstudium in Graz weiter nach Wien gezogen, wo sie seit 2009 auf den österreichischen Bühnen zu Hause ist. 2017 feierte sie ihr Tatort-Debüt an der Seite von Österreich-Tatort-Kommissar Harald Krassnitzer, mittlerweile ist bereits der dritte Tatort mit ihr in der Rolle der Meret Schande abgedreht.

OBERÖSTERREICHERIN: Was mögen Sie lieber, das Spielen vor der Kamera oder auf der Bühne?

Christina Scherrer: Oh, das ist gemein (lacht). Ich kann das gar nicht vergleichen. Ich bin wahnsinnig gern auf der Bühne und in Interaktion mit dem Publikum. Ich verliebe mich aber auch gerade in das Arbeiten vor der Kamera und  lerne ganz viel dazu. Es ist schön, mit Menschen wie Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser auf einer Ebene zu arbeiten und von ihnen zu lernen. 

Der „Tatort“ ist die beliebteste Krimireihe im deutschsprachigen Raum. Die Erstausstrahlung von Ihrem ersten „Tatort: Schock“ im Januar 2017 wurde in Deutschland von 8,8 Millionen Zuschauern gesehen und auch in Österreich und in der Schweiz fieberten viele mit. Was ist das für ein Gefühl, als Tatort-Ermittlerin vor der Kamera zu stehen? 

Es ist ein großartiges Gefühl. Ich kann mich noch an die Erstausstrahlung meines ersten Tatort erinnern. Im Schikaneder Kino in Wien wird am Sonntag immer ein Tatort gezeigt. Meine Freunde haben organisiert, dass wir uns dort treffen und gemeinsam meine „Tatort-
Premiere“ feiern. Alle waren aufgeregt. Ich war ziemlich nervös, bin aber schluss-
endlich mit einem guten Gefühl aus dem Kinosaal gegangen, weil ich wusste, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Ich war auch ein bisschen stolz auf mich (schmunzelt).

Wer ist Meret Schande und wieviel Christina Scherrer steckt in ihr?

Meret ist die Assistentin der beiden Ermittler. Sie ist eine sehr charmante, arbeitsame, motivierte, junge Kollegin, die ihre Arbeit extrem gut machen will. Trotzdem hat sie noch sehr viel zu lernen. In einem Bundeskriminalamt zu arbeiten ist ein Knochenjob und man muss Wege finden, damit umgehen zu können. Für Meret ist der Job noch nicht Alltag geworden. Eine Leiche sieht man nicht alle Tage, das macht etwas mit einem. Meret ist kein „Hascherl“, sie ist eine gestandene Frau, die ihren Beruf sehr gerne macht, trotzdem muss sie bei dem, was sie erlebt, oft schlucken. Meret will im Prinzip genauso wie ich gut im Job sein, sie will gefallen und beeindrucken. Charmante und frech-trockene Kommentare gegenüber Vorgesetzten zeichnen Meret aus, das  mache auch ich gerne im Privatleben (lacht). 

 

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Als Assistentin Meret steht Christina Scherrer dem Ermittlerduo Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser zur Seite. ( © ORF/Petro Domenigg)

Sie sind sehr musikalisch, singen, spielen Ukulele, haben Violine und Klavier gelernt. 2016 gründeten Sie gemeinsam mit Andrej Prozorov das Musikprojekt Scherrer&Prozorov. Welche Rolle spielt die Musik in Ihrem Leben?

Musik begleitet mich schon, seitdem ich denken kann. Bei uns zu Hause wurde immer sehr viel musiziert und gesungen. Mit 14 Jahren habe ich mit klassischem Gesang begonnen, danach war ich an der „Musical Theatre Academy“ in Puchenau und schlussendlich bin ich beim Schauspiel gelandet. Ich hatte immer tolle Gesangslehrerinnen, die mich darin bestärkten, mein Gesangstalent weiter zu fördern. Diese Vielseitigkeit ist gut, denn ich werde sehr oft angefragt, wenn eine Schauspielerin gesucht wird, die auch singen kann.

Die Coronakrise trifft die Kulturbranche hart. Wie geht es Ihnen als Schauspielerin in diesen unsicheren Zeiten? Wie haben Sie das letzte Jahr erlebt? 

Die Anfangszeit dieser Krise war sehr schwierig für mich. Ich habe jede Woche ein Lied geschrieben, in dem ich die aktuelle Situation musikalisch kommentiert habe. Das habe ich dann auf meinem Balkon mit der Ukulele gespielt und konnte mich damit über diese arbeits- und auftrittslose Zeit retten. Im Juni fand der erste Tatort-Dreh statt und im Sommer habe ich beim Kultursommer Wien gespielt. Im Herbst durfte ich den nächsten Tatort drehen, das heißt, ich war über einen großen Zeitraum gut abgesichert. Im Winter war ich in Kurzarbeit und seit Januar bin ich beim Theater angestellt. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, vielen meiner Kollegen geht es leider nicht so gut. Die Unplanbarkeit macht das Ganze für uns Schauspieler und Kulturschaffende schwierig. 

Sie haben in einem Interview einmal gesagt: „Ich bin sicher nicht angepasst. Meine Waffen: Musik, Wort und Theater.“ Wie meinen Sie das?

Satire ist meine Waffe ohne Patronen. Ich funktioniere ganz stark über Humor und denke, dass man damit viele Menschen erreichen kann. Mit ein bisschen  Humor kann man dem Publikum bzw. der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. 

Wie wichtig sind Kunst und Kultur in Krisenzeiten?

Kunst und Kultur sind Nahrung für die Seele und können uns über diese Zeit der vielen Entbehrungen retten. Ich habe vor Kurzem in einer Studie gelesen, dass Menschen, die gemeinsam im Theater sitzen, die gleiche Herzfrequenz bekommen. Die Herzschläge synchronisieren sich durch das gemeinsame Erleben von einem Theaterstück, einer Oper oder einem Konzert. Das klingt für mich sehr plausibel. Kunst ist eine riesige Bereicherung für den Alltag.

Zurzeit sind Sie mit Probenarbeiten für ein Bühnenstück beschäftigt. Worum geht es?

Wir proben für das popfeministische Theaterstück von Laura Neumann mit dem Titel: „Mit freundlichen Grüßen, Eure Pandora“. Es geht darum, als Frauen die Zukunft anzupacken und ein gemeinsames Szenario für eine friedvolle, gleichberechtigte Welt zu entwickeln. Das ist der Grundgedanke, der aber innerhalb des Stücks von den fünf sehr unterschiedlichen weiblichen Figuren satirisch kommentiert wird. Wann wir das Theaterstück nun auf der Bühne spielen dürfen, steht leider noch in den Sternen. Dieses Jahr habe ich auch noch einige Castings und im September darf ich wieder einen Tatort drehen, das ist eine
schöne Perspektive!