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People | 25.01.2021

Eine Frau der Tat

Engagiert, ehrgeizig, mutig: Kathrin Kühtreiber-Leitner (47) ist seit Oktober die erste Frau im Vorstand der Oberösterreichischen Versicherung.

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© Richard Haidinger

Kathrin Kühtreiber-Leitner ist eine Frau der Tat. Denn: Wer lange überlegt und grübelt, wird mürbe und unmutig, sagt sie. Und das wollte die 47-Jährige nie werden. Sonst hätte sie weder den Posten der Bürgermeisterin ihrer Heimatgemeinde Hagenberg im Mühlviertel übernommen, noch wäre sie in den Vorstand der Oberösterreichischen Versicherung aufgestiegen. Als erste Frau in der mehr als 200-jährigen Unternehmensgeschichte. Wir haben sie in ihrem neuen Büro in der Zentrale an der Linzer Gruberstraße getroffen und mit ihr über Stolz, Frauenquoten und aktuelle Herausforderungen gesprochen.

OBERÖSTERREICHERIN: Sie sind seit Oktober im Vorstand der Oberösterreichischen Versicherung. Wie geht es Ihnen?

Kathrin Kühtreiber-Leitner: Es geht mir sehr gut! Da ich bereits seit mittlerweile zehn Jahren im Unternehmen bin, kenne ich das Gefüge und die Systeme recht gut. Das macht es ein bisschen einfacher. Aber es gibt natürlich immer wieder neue Dinge, die man dazulernt – wenn auch auf einer anderen Ebene (lächelt).

Was hat sich für Sie verändert?

Ich war immer voll dabei und mitten drin, aber grundsätzlich ist der Unterschied, dass es jetzt ein anderes Arbeiten mit den Führungskräften ist. Das ist für mich das Spannende. Trotzdem will ich auch in Zukunft wissen, was an der Basis läuft. Die Beziehung zu den Mitarbeitern ist ein wesentlicher Faktor, weil sie das Kapital im Vertrieb sind. Es ist mir wichtig, die Basis zu spüren, das möchte ich auf keinen Fall verlieren. In den vergangenen Wochen war ich viel mit Generaldirektor Josef Stockinger bei unseren großen Kunden unterwegs. Es war sehr spannend, neue Einblicke zu bekommen, Kunden kennenzulernen und die Themen der Wirtschaft hautnah zu erleben. Das hat mir wirklich gutgetan, leider ist uns dann der zweite Lockdown dazwischengekommen.

Sie sind in der mehr als 200-jährigen Geschichte des Unternehmens die erste Frau im Vorstand. Macht Sie das stolz?

Nein, Stolz ist in diesem Zusammenhang das falsche Wort, weil ich finde, dass es an der Zeit ist. Ich hoffe vielmehr, dass es beispielgebend für viele andere Betriebe sein kann, dass Frauen Ämter wie dieses sehr wohl übernehmen können, wenn man sie gut integriert, fördert und auch dahin führt und begleitet. Ich glaube, dass es schlicht keinen Unterschied macht, ob Mann oder Frau – die Tätigkeiten bleiben ja die gleichen. Ich denke, dass es in Zukunft überall mehr Frauen geben wird. Das ist ganz natürlich, weil immer jene Persönlichkeiten eine Position übernehmen sollten, die das wollen, die nötigen Fähigkeiten mitbringen und das auch menschlich umsetzen können.

Im Moment ist es noch so, dass Frauen in Führungsetagen von Unternehmen unterrepräsentiert sind. Was halten Sie persönlich von einer Frauenquote?

Eine Frauenquote macht für mich keinen Sinn. Ich finde immer, dass jemand einen Job bekommen soll, weil er der Richtige zum richtigen Zeitpunkt ist – unabhängig vom Geschlecht. Sonst würde irgendwann im Umkehrschritt das Gleiche mit guten Männern passieren und sie dann auf der Strecke bleiben. Nur eines muss ich noch sagen: Wir haben im Vertrieb leider noch viel zu wenige Frauen. Das finde ich sehr schade, weil ich glaube, dass Frauen die besseren Verkäufer wären. Ich behaupte das jetzt einfach mal (lacht). Frauen können verkaufen, es liegt ihnen im Blut, aber es sind die wenig geregelten Arbeitszeiten, die es schwierig machen, wenn man Kinder hat. Die jungen Frauen, die wir in den vergangenen Jahren aufgenommen haben, haben sich alle toll entwickelt. Sie sind bestens ausgebildet, ehrgeizig, können verkaufen und werden ganz sicher im Vormarsch sein, davon bin ich überzeugt!

Was braucht es Ihrer Meinung nach, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen?

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach zu handeln ist, wenn man zum Beispiel kleine Kinder hat. Ich habe zwar auch eine Tochter, allerdings bin ich schon jung Mutter geworden. Ich hatte immer ein Umfeld und Netzwerk, das mich dabei unterstützt hat. Jetzt tue ich mir um einiges leichter, weil mein Kind längst aus dem Haus ist und ich mich in dieser Hinsicht um niemanden mehr kümmern muss. Das sind andere Rahmenbedingungen. Allerdings gibt es auch Vorbilder und Frauen mit kleinen Kindern, die es geschafft haben, aber da bedarf es eines guten Netzwerkes, das muss man ehrlich dazu sagen. Auf der anderen Seite ist ein wesentlicher Punkt, dass sich Frauen vielfach Aufgaben oder Jobs nicht zutrauen. Ich finde, dass man manchmal gar nicht zu viel nachdenken darf, sondern einfach ins kalte Wasser springen und das Beste daraus machen muss. Das zu viele Grübeln und Überlegen, was alles passieren könnte, macht einen nur mürbe und unmutig. Man sollte vielmehr handeln, eine gerade Linie ziehen und nicht nach links oder rechts schauen.

Das heißt, Ihnen ist die Entscheidung nie schwergefallen, ob Sie diesen Job machen werden?

Ich bin schon immer mein stärkster Kritiker. Niemand kann mich so kritisieren, wie ich mich selbst kritisiere. Mein Vater hat mir immer gesagt: Geh einen gerade Weg und schau, dass du fair und gerecht bist – dann kann nichts passieren! Das habe ich damals bei meiner Arbeit als Bürgermeisterin umzusetzen versucht, und auch in meinen Führungspositionen bei der Wirtschaftskammer und dann hier im Unternehmen. Ganz wesentlich ist es außerdem, mit den Menschen zu reden und Dinge an- und auszusprechen. Dann ist vieles halb so schlimm, als es vorher vielleicht ausgesehen hat.

Was sehen Sie im Moment in Zeiten der Pandemie als größte Herausforderung für Ihr Unternehmen?

Das Positive am ersten Lockdown war, dass wir dadurch relativ schnell moderner geworden sind. Stichwort Digitalisierung. Wir haben das quasi über Nacht lernen müssen, somit trifft es uns diesmal nicht so stark. Wir wissen jetzt, dass unsere Leute das können und sie auch entsprechend ausgestattet sind. Das ist positiv. Was auch wichtig ist, ist die Mannschaft sozusagen am Leben zu halten – dass sie durch die viele Zeit im Homeoffice nicht mürbe wird. Außerdem muss man schauen, wie man auch nach Corona neue Möglichkeiten hinsichtlich Homeoffice findet. Im Softwarepark Hagenberg gibt es zum Beispiel viele IT-Betriebe, die das schon lange sehr erfolgreich praktizieren. Das Wesentliche abseits von Corona ist in unserer Branche, die richtigen Mitarbeiter zu finden. Nämlich jene, die zum Unternehmen und zu unserer Wertekultur passen, aber auch lernwillig und neugierig sind. Als regionaler Versicherer müssen wir uns da von den anderen Versicherern unterscheiden.

Sie waren bis voriges Jahr Bürgermeisterin von Hagenberg im Mühlviertel. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt, als Sie sie zehn Jahre zuvor als politische Quereinsteigerin übernommen haben?

Es war die Liebe zu meiner Heimatgemeinde Hagenberg und das Gefühl, gebraucht zu werden. Mir ist sehr viel daran gelegen, dass wir uns wirtschaftlich und auch im Bildungsbereich gut weiterentwickeln. Ich hatte eine klare Agenda, die ich abarbeiten bzw. einleiten wollte. Nachdem ich wusste, dass ich diese Aufgabe nicht bis zu meiner Pensionierung übernehmen werde, war mir wichtig, rechtzeitig einen ordentlichen Nachfolger aufzubauen. Ich wollte ihm dementsprechende Perspektiven überlassen, die er dann weiterentwickeln kann. Und ich glaube, dass wir das recht gut erreicht haben.