People | 20.05.2022
Die Zukunft der Mobilität
Aufgrund strengerer Abgasvorschriften sowie Verbesserungen von Motoren, Kraftstoffen und bei der Kraftstoffeffizienz emittieren moderne Pkw und Lkw heute weniger Schadstoffe als noch vor 30 Jahren. Die absoluten CO2-Emissionen sind dennoch höher als in der Vergangenheit, zumal die Zunahme des Kraftwagenverkehrs jene Verbesserungen wieder aufhebt. Autos, Busse und insbesondere der Güter- und Schwerlastverkehr belasten die Umwelt und das Klima heute stärker als in Zeiten, in denen noch keine Kat-Pflicht bestand, und eine Umweltentlastung kann nicht allein durch technische Verbesserungen an Fahrzeugen mit Ottomotor erreicht werden. Mehr Erfolg versprechen da neue, nachhaltige Technologien – oder eine alte neu entdeckt: der Elektroantrieb.
Während Elektrofahrzeuge zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kampf um die Vorherrschaft auf der Straße gegen solche mit Verbrennungsmotoren verloren, gelten sie heute in Zeiten eines neuen ökologischen Bewusstseins inmitten der globalen Klimakrise als die Zukunft der motorisierten Fortbewegung. Und dies ganz ohne Entsagungen für den Verbraucher, wo im Kampf gegen den Klimawandel ansonsten so viel von individuellem Verzicht die Rede ist. Beim Elektrofahrzeug als Ersatz für das Verbrennerauto bedarf es nicht nur keinerlei Verzichts, jenes bietet zusätzlich zum positiven Aspekt der höheren Nachhaltigkeit sogar Vorteile: Es ist leistungsstark, wartungsarm, langlebig, und obendrein gibt es keine Einbußen in Sachen Komfort.
Die meisten Experten sind sich einig, dass das Elektroauto das Automobil mit Verbrennungsmotor in den nächsten fünfzehn bis zwanzig Jahren zur Gänze verdrängen wird. Die Rettung der Welt darf man sich vom E-Auto allein indes freilich nicht erwarten, obgleich die große mediale Aufmerksamkeit, die ihm zukommt, den Anschein erweckt. Das Elektroauto kann nur einen Beitrag zum Klimaschutz unter vielen notwendigen leisten. Auch sind noch längst nicht alle technischen Probleme gelöst. Etwa ist nicht klar, wo die immense benötigte Strommenge für einen vollelektrisierten Verkehr – das heißt: für 350 Millionen Pkw oder mehr bis zum Jahr 2035 allein in Europa – herkommen soll, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Wärme- und Energiegewinnung jener Wirtschaftssektor ist, auf den die allermeisten durch den Menschen verursachten Emissionen entfallen. Wirklich nachhaltig ist das Elektrofahrzeug nur, wenn der für das Laden seiner Batterie erforderliche Strom aus erneuerbaren Energien stammt. Großen Fragezeichen steht man auch der öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur gegenüber. Insbesondere mit Blick auf die derzeitige Weltlage ist zudem die Frage der Verfügbarkeit von Rohstoffen und hierbei vor allem die der Abhängigkeit von Autokratien wie Russland oder China eine dringliche. Doch keine Technologie ist von Anfang an perfekt. Und die Entwicklung der Elektromobilität steht erst am Anfang.
Schon heute ist die Elektrifizierung des Straßenverkehrs eine der Hauptstrategien für das Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor. Von Carsharing-Services über Ridepooling-Konzepte bis hin zum guten alten Fahrrad in allen Variationen als neues Statussymbol hat die Zukunft der Mobilität aber noch einiges mehr zu bieten als emissionsfreie batteriebetriebene Autos, weiß Mobilitätsexperte und Zukunftsforscher Stefan Carsten.
Herr Carsten, die Geschichte des Verbrenners wird keine besonders lange gewesen sein. Seine Anfänge gegen Ende des 19. Jahrhunderts nehmend, fängt das Automobil mit Verbrennungsmotor bereits 140 Jahre später an, wieder zu verschwinden. Elektroautos dagegen sind gekommen, um zu bleiben. Der Wandel hin zur Elektromobilität ist irreversibel, so die Meinung vieler Experten. Was würden Sie jemandem, der immer noch zweifelt, entgegenbringen?
Im Kern sind es sechs Faktoren, die dafür sorgen, dass sich Elektroautos sehr schnell durchsetzen werden. Zum Ersten sind das fallende Kosten: Während sie heute noch eine der größten Hürden für den Kauf eines Elektroautos darstellen, werden die Kosten innerhalb der nächsten fünf Jahre in vielen Teilen der Welt die wirtschaftlichste Option beim Autokauf sein. Dann ist da natürlich der Faktor Umweltfreundlichkeit: Die Behauptung, E-Autos seien in der Nutzung und Produktion nicht umweltfreundlich, ist mittlerweile in diversen Studien widerlegt worden. Tatsächlich sind Batteriefahrzeuge schon heute in der Summe umweltschonender als Verbrenner. Dieser Vorsprung wird künftig noch größer, durch neue Explorationstechniken, Recyclingmaßnahmen und technische Innovationen im Bereich Batterietechnik. Ein dritter Punkt ist die Energieeinsparung. Ein E-Auto verbraucht dreimal weniger Energie als ein Auto mit Wasserstoff und Brennstoffzelle und mehr als sechsmal weniger Energie als ein Auto, das mit synthetischem Kraftstoff, E-Fuel, angetrieben wird. Vorteilhaft sind auch die Fahreigenschaften des Elektroautos: Die Beschleunigung eines solchen ist sehr viel stärker als die eines Verbrenners, und auch in Hinsicht Höchstgeschwindigkeit ist es absolut vergleichbar mit dem Verbrenner. Zudem ist der Wartungsbedarf geringer und ebenso der Verschleiß. Aufgrund der sehr viel geringeren Komplexität des Antriebsstranges ist mit deutlich geringeren Reparaturanfälligkeiten und Betriebskosten zu rechnen. Ein Elektrofahrzeug wird im Vergleich zu einem herkömmlichen Verbrenner rund zwei bis drei Mal länger halten. Zu guter Letzt sind noch die steigenden Reichweiten zu erwähnen: Die kommende Technologie der Festkörperbatterie wird einen deutlichen Anstieg der Reichweite mit sich bringen, gleichzeitig werden das öffentliche und das private Ladenetz weiter ausgebaut.
Das Ende von Diesel-, Benzin- und Hybridfahrzeugen steht also bevor. Was passiert mit all den Tankstellen und Tankstellenbetreibern?
Die Tankstelle herkömmlicher Bauart wird obsolet. Umso größer ist dafür der Bedarf an frei zugänglichen Ladepunkten für E-Mobilität. Tankstellen sind aber nie einfach nur Tankstellen gewesen, sondern immer auch Seismografen für den Wert, den die Gesellschaft dem Auto und der Mobilität beimisst. Als Orte der fossilen Welt befinden sich Tankstellen deshalb im Zentrum der Energie- und Mobilitätswende. Bislang konnten sie mit diesem Status gut umgehen, nun aber geht es längst nicht mehr nur um die Transformation von fossil zu postfossil: Der Umbruch vollzieht sich auch von zentral zu dezentral und gleichzeitig von Produkt zu Service. Tankstellenbetreiber tun gut daran, den Wandel der Energiesysteme nicht als neue Konkurrenz zum Bestehenden zu verstehen. Immerhin geht es um das Ende von Diesel und Benzin, das heißt, diese Treibstoffe werden nach 2040 nur noch Oldtimer im Tank haben. Damit ist das Ende des althergebrachten Tankstellensystems eingeläutet. Diese Umgestaltung erfolgt, wie jede Transformation, nicht von einem Tag auf den anderen, doch sie hat längst begonnen und lässt sich nicht aufhalten. Tankstellenbetreiber erwirtschaften rund 20 Prozent ihres Gewinns mit Kraftstoffen. Viel wichtiger sind schon heute die ergänzenden Geschäftsfelder: Waschanlagen, Angebote der Nahversorgung, Bankautomaten oder Bistros. In Zukunft werden Tankstellen vor allem auch als Zwischenlager für Kurierdienste immer wichtiger, dank des immer größer werdenden Anteils des Onlinehandels.
Das Aufladen der Batterie eines E-Autos, selbst die Schnellladung, dauert deutlich länger als das Tanken mit fossilen Brennstoffen. Was hat das für Auswirkungen auf die Beschaffenheit der Tankstelle bzw. des Ladeparks der Zukunft? Müssen wir uns diese als soziale Hotspots vorstellen, wo man sich die Ladezeit im Café vertreibt?
Wir verabschieden uns nach und nach von einer zentralen zu einer dezentralen Infrastruktur. In Zukunft wird es sowohl induktives Laden, also kabelloses Laden während der Fahrt, als auch neue Orte mit Ladeoptionen geben. Vor allem Supermärkte, Einkaufszentren oder Freizeiteinrichtungen werden in dieser Hinsicht neue Ladestrukturen entwickeln, damit die Zeit beim Einkaufen oder Sport ausgenutzt werden kann. Und nicht zu vergessen die Batterietechnologie, die sich weiterentwickeln wird. Schon heute gibt es technische Szenarien, die das Laden mindestens vergleichbar zum klassischen Tanken werden lassen. Darüber hinaus werden auch weiterhin die technischen Optionen für Batteriewechselstationen diskutiert. Die neue Limousine des chinesischen Anbieters Nio, das Modell ET7, soll angeblich noch in diesem Jahr in den Verkauf gehen – mit einer Feststoffbatterie, die eine Reichweite von bis zu 1.000 Kilometern ohne Nachladen realisieren soll. Parallel dazu setzt Nio auf das Prinzip der Wechselbatterie: Ein Batteriewechsel soll dann nur noch drei Minuten dauern.
In Zukunft werden in Deutschland, so steht es in Ihrem „Mobility Report 2022“ geschrieben, eine Million E-Ladepunkte benötigt werden. In Österreich werden es erwartungsgemäß etwa ein Zehntel sein. Zusätzlich braucht es Wasserstofftankstellen. Woher soll der Strom dafür kommen?
Die Transformation des Antriebs- und Energiesystems ist natürlich unmittelbar miteinander gekoppelt, was bedeutet, dass der Aufbau der Elektroflotte immer auf dem Aufbau eines auf erneuerbaren Energien beruhenden Energienetzes basieren muss. Schon heute gibt es Akteure, die für ihre Ladestationen ausschließlich erneuerbare Energie einplanen, wie zum Beispiel die niederländische Firma Fastned. Diese realisiert gerade den Aufbau von rund 1.000 Schnellladestationen in Europa. Bisher wurden mehr als 130 solcher Stationen errichtet, unter anderem in den Niederlanden, in Deutschland und in Großbritannien. Der Strom für die Ladesäulen ist zu 100 Prozent nachhaltig, teilweise liefern die Solardächer selbst die Energie, der Rest wird aus lokalen Wind- oder Solarparks bezogen.
„Smarte Mobilität“ ist aber mehr als Elektromobilität. Die Mobilitätstrends der Zukunft haben noch andere Asse im Ärmel. Sie bezeichnen Shared Services als Gamechanger. Welchen Stellenwert wird Carsharing in Zukunft haben? Und was gibt es sonst noch für Konzepte?
Carsharing erfuhr, bedingt durch die Coronapandemie, einen kleinen Dämpfer, wächst mittlerweile aber wieder im zweistelligen Bereich. Allein in Deutschland gibt es mittlerweile fast vier Millionen Fahrberechtigte – 18 Prozent mehr als 2021 –, und die Zahl der angebotenen Carsharing-Fahrzeuge hat sich um 15,2 Prozent auf jetzt 30.200 Fahrzeuge erhöht. Was aber viel wichtiger ist, ist die Durchdringung des Angebotes an immer mehr Orten. Auch immer mehr kleinere Städte und Gemeinden im ländlichen Raum bieten Carsharing an. Das zeigt, dass die neuen Dienste nicht nur für urbane Räume zum Gamechanger werden, sondern vor allem für den ländlichen Raum. Dies gilt im Übrigen auch für andere Mobilitätskonzepte.
Apropos urbaner Raum. Sie schreiben: „Das Missverhältnis von urbaner Mobilität und ländlicher Automobilität löst sich langsam auf.“ Welche neuen Mobilitätskonzepte gibt es hierfür? Während der Großstädter schon heute kein Auto mehr braucht, sind Menschen ohne Auto am Land derzeit noch nahezu immobil …
Die ländliche Mobilität verändert sich zwar schon langsam, es wird aber noch eine Weile brauchen, bis die neuen Konzepte flächendeckend verfügbar sind. Als Erstes wird es sicherlich ein flexibler ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) in die entlegenen Gebiete schaffen. Den Rufbus kennt man bereits. In Zukunft wird der Rufbus sich aber immer weniger vom Fahrplan abhängig machen, sondern flexibel sein, also genutzt werden können, wann die Menschen ihn benötigen. Dafür gibt es schon einige sehr gute Beispiele. Neben Carsharing wird insbesondere Ridepooling-Konzepten eine große Bedeutung für die Zukunft zugeschrieben – als Ergänzung zum bestehenden ÖPNV-Angebot. Auch wenn auf dem Land eher die autoaffinen Gruppen leben, wird die Verfügbarkeit von Carsharing-Optionen das eine oder andere Auto obsolet werden lassen.
Nicht jeder kennt Ridepooling. Was ist das?
Ridepooling ist eine gewerblich organisierte Personenbeförderung, die Menschen flexibel – flexibler als etwa Autobusse, weil nicht abhängig von einem Fahrplan – zwischen Haltestellen befördert. Mehrere Fahrtanfragen werden gebündelt, also Fahrten mit ähnlichen Routen zusammengelegt. So teilen sich die Passagiere nicht nur ein Fahrzeug, sondern auch den Fahrpreis: mehr Mobilität bei weniger Verkehr, obendrein günstig und bequem – Tür-zu-Tür-Service. Ridepooling entfaltet aber erst das volle Potenzial, wenn es als autonomer Service angeboten wird. Ohne Fahrer entfallen Personalkosten und Regelungen zu Fahrzeiten und Pausen. Das heißt: In der Zukunft könnte 24/7 ein On-Demand-Shuttle auch auf dem Land zur Verfügung stehen.
Nochmals zum „guten alten“ öffentlichen Verkehr, der in der heutigen Form ein Auslaufmodell zu sein scheint. Er bringt sich kaum in die Diskussionen über die Mobilität der Zukunft ein, obwohl er ein wichtiger Player wäre. Muss er sich neu erfinden?
Der ÖPNV ist das soziale und nachhaltige Rückgrat der Mobilität und sollte in dieser Rolle weiter unterstützt werden. Dafür muss er private Dienste integrieren (Bikesharing, Scootersharing), und private Dienste müssen den ÖPNV in dieser Rolle unterstützen, zum Beispiel durch das Bedienen von unterversorgten Strecken. Der ÖPNV, der ohne Fahrkartenautomaten auskommt, ist für mich eine erstrebenswerte Vision. Ich nutze die mobilen Möglichkeiten und erhalte die Abrechnung am Ende des Tages oder des Monats von einem integrierten Anbieter – dem ÖPNV. Es braucht aber auch das Verständnis, dass der Zugang zur Mobilität immer wichtiger wird, gerade auch für junge Zielgruppen. Mobility Hubs sind hier von großer Bedeutung. Diese Knoten der Mobilität sind nicht nur bemalte Straßenflächen, wo E-Scooter, Fahrräder und Ladeoptionen zur Verfügung stehen, es sollten vielmehr neue Architekturen und Räume für Mobilität und den sozialen Austausch sein. Nicht nur in der Innenstadt, sondern an jeder ÖV-Haltestelle – im suburbanen Raum, im ländlichen Raum und in der Stadt. Die Tankstelle wäre zum Beispiel auch ein guter Ort in diesem Sinne.
Für viele junge Menschen ist das Auto längst kein Statussymbol mehr. Vielmehr scheint sich das Fahrrad zu einem solchen zu entwickeln. Fahrradfahren ist gesund: Studien belegen, dass Menschen, die regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, weniger Krankheitstage haben. Ist das Fahrrad das Verkehrsmittel der Zukunft, zumindest in den Städten? Wie sehen Sie seine Zukunft und wie sieht das Fahrrad der Zukunft aus?
Das Fahrrad ist nicht nur der Gewinner der Coronapandemie. Plötzlich gibt es eine Neubewertung des öffentlichen Raumes, plötzlich werden Autostrukturen zurückgebaut und Fahrradwege ausgebaut. Plötzlich werden sich die Akteure bewusst, dass eine wissensbasierte Gesellschaft andere Formen der Mobilität benötigt, nämlich aktive, gesunde, inklusive und nachhaltige Mobilität. All dies vereint das Fahrrad. Deswegen werden in Zukunft immer mehr Fahrradkonzepte auf den Markt kommen, die noch viel mehr als nur Fahrrad sind: drei Räder oder vier; mit Dach oder ohne; für mehr Personen oder für Lasten. Die Prognosen sprechen mittlerweile von zwei Mio. Lastenfahrrädern, die im Jahr 2030 in Europa verkauft werden. Immer mehr Städte stellen gerade ihre Verteillogistik auf das Lastenfahrrad um. In München wird UPS das gesamte Paketaufkommen schon ab diesem Jahr ausschließlich auf Lastenfahrrädern zum Kunden bringen. Herzlich willkommen in einer nachhaltigen Ära der Logistik!
ZUR PERSON
Dr. Stefan Carsten ist Experte für die Zukunft der Mobilität, Autor und Speaker. Seit mehr als 20 Jahren setzt sich der studierte Stadtgeograf mit Leib und Seele wissenschaftlich und kritisch mit der Zukunft der Mobilität auseinander. In seinen Vorträgen sowie im „Mobility Report 2022“ zeigt er auf, wie die „neue Ära der Mobilität“ aussehen wird. Carstens Einblicke in die Mobilitätstrends der Zukunft sind eine Pflichtlektüre nicht nur für interessierte Privatpersonen, sondern auch für Vertreter der Mobilitätsbranche.
Es scheint simpel: In der Stadt muss es einfacher sein, zu Fuß zu gehen, mit dem Fahrrad zu fahren oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, als mit dem Auto zu fahren. Welche Angebote gibt es für ältere und gehbehinderte Menschen, welche Last Mile-Konzepte?
Ja, Heidelberg etwa ist bereits eine Stadt, in der Autos nicht willkommen sind. Dadurch werden neue attraktive Lebensumfelder geschaffen, die für viele Unternehmen wiederum sehr interessante Standortbedingungen schaffen. Wer möchte schon, als gut ausgebildete Fachkraft, die heute überall arbeiten könnte, in einer Stadt leben, in der Abgase und Lärm die Lebensqualität massiv beeinträchtigen? Für gehbehinderte Menschen wird es zum einen eine Weiterentwicklung des öffentlichen Angebotes geben – gerade in Hinblick auf autonome Konzepte wird die Mobilität für diese Gruppe sehr viele Erleichterungen mit sich bringen. Es wird aber auch noch mehr Fahrzeugkonzepte für die letzte Meile geben, die die Menschen nutzen können.
Ein anderes Thema ist der Straßengüterverkehr. Als ein zentraler Verursacher des klimaschädlichen CO2 stellt er ein massiveres Problem dar als der Individualverkehr. Die Vermeidung des schweren Lang- und Kurzstrecken-Straßengüterverkehrs scheint angesichts von Wirtschaftswachstum und zunehmendem Außenhandel unrealistisch. Wird sich die Batterie auch bei den Lkw durchsetzen – oder die Brennstoffzelle?
Sehr viele Lkw werden in Zukunft von einer Batterie angetrieben werden, die übrigen von einer Brennstoffzelle. Wir werden feststellen, dass die Batterietechnologie erst in den Anfängen steckt. Schon bald werden Batterien entwickelt, die sehr kurze Ladezeiten haben, sehr große Reichweiten bringen und darüber hinaus auch noch sehr günstig sind.
Brauchen wir die Bahn überhaupt noch, wenn alles elektrisch fährt?
Die Bahn ist viel mehr als nur ein Bahnanbieter. In Zeiten, in denen immer weniger Menschen auf der Kurz- und Mittelstrecke das Flugzeug nehmen, integriert die Bahn nicht nur die Langstrecke, sondern zukünftig auch immer mehr Angebote im Nah- und Regionalkontext. Dieses Ökosystem der Mobilität aus einer Hand wird zukünftig immer wichtiger. Der Markt für nachhaltige Mobilität ist gerade erst am Entstehen.
Sie erwähnten das Flugzeug. Auch die globale Mobilität wird sich verändern (müssen) ...
Ja. Corona hat das Fernweh massiv gefördert. Die Nachfrage nach Fernreisen wird explodieren. Niemand ist mehr bereit, sich eingeschlossen und immobil zu fühlen. Nach dieser Phase wird es aber auch eine Neubewertung geben müssen, bei der Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt. Nachhaltiges Reisen, nachhaltige Ziele werden für viele Menschen immer wichtiger.
Ist der Weg zur nachhaltigen Mobilität noch steil und weit?
Die Politik hat einen Weg aufgezeigt, dem viele Unternehmen jetzt folgen – müssen. Die deutsche Automobilindustrie, zum Beispiel, ist erst durch die Regulation der Europäischen Union aufgewacht. Aber jetzt ist der Trend ungebrochen, es gibt kein Zurück mehr. Trotzdem wird es noch lange Greenwashing geben oder Akteure, die E-Mobilität per se mit Nachhaltigkeit gleichsetzen. Doch Elektro ist nicht immer gleich nachhaltig. Grüner Strom vs. Kohle-Strom wird in Zukunft ein zentrales Differenzierungskriterium darstellen. Für eine echte Nachhaltigkeit, die bis ins letzte Glied der Lieferkette reicht, braucht es wohl noch eine Menge politischen Druckes.