People | 24.11.2021
Der Sternekoch aus dem Innviertel
Das Restaurant „Alfred Keller“ im Fünfsterne-Hotel Alhambra wurde erst im Frühling auf Mali Losinj eröffnet und schon nach wenigen Monaten mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Dafür hauptverantwortlich ist Küchenchef Michael Gollenz. Der junge Innviertler setzt bei seinen Gerichten auf möglichst regionale Zutaten, französische Kochtechniken und internationale Einflüsse. Das bessere Gulasch kocht allerdings immer noch sein Papa, wie er im OBERÖSTERREICHER-Interview verrät.
Sie wurden im September mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Kann man so etwas planen oder „passiert“ das viel mehr?
Ich finde, dass man das durchaus planen kann, weil ich mich schon in den vergangenen Jahren darauf vorbereitet habe, in dieser Liga zu kochen. Mein Executive Chef Christian Kuchler hat zudem seine Kontakte genützt und die Aufmerksamkeit der Tester auf uns gelenkt.
Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von dieser Auszeichnung erfahren haben?
Davor ist es mir – ehrlich gesagt – nicht sehr gut gegangen, weil es wirklich eine harte Saison war. Ich hatte dieses Jahr auch noch gar nicht damit gerechnet, gleich einen Stern zu bekommen. Wir haben also auf eine Benachrichtigung gewartet, aber es ist nichts gekommen. Plötzlich hat mich Christian Kuchler angerufen und ich hab‘ mir noch gedacht: Was will er denn jetzt? Sicher will er auch wissen, ob wir schon etwas gehört haben … (lacht) Dabei hat er mir auf Schweizerdeutsch gesagt, dass ich eine – mit Verlaub – geile Sau sei, und mir zu meinem ersten Michelin-Stern gratuliert. Ich war völlig geplättet, bin sofort zu meinem Sous Chef und habe zu ihm gesagt: „Leg das Messer weg! Wir haben ihn!“ Dann haben wir uns umarmt und eine Flasche Champagner aufgemacht (lächelt).
Was bedeutet dieser Michelin-Stern für Sie?
Für mich ist das ein Riesenerfolg! Es gibt viele ambitionierte Köche, aber ich habe seit meiner Lehre immer gewusst, dass ich einer von den Besseren sein will. Das Kochen taugt und liegt mir, es ist genau meins! Ich habe elf Jahre dafür gearbeitet und hätte mir den Weg auch einfacher machen können. Indem ich zum Beispiel in Zürich in einem normalen Gasthaus oder Krankenhaus gearbeitet hätte, acht Stunden am Tag, mit doppelt so viel Freizeit und dem gleichen Gehalt. Aber ich habe mich durchgebissen und auch gearbeitet, wenn es mir schlecht gegangen ist. Das ist jetzt einmal der Lohn für diese Mühen und eine Bestätigung dafür, dass es sich gelohnt hat.
Wann haben Sie gewusst, dass Sie in diesem Bereich arbeiten möchten? Hat sich das schon in Ihrer Kindheit abgezeichnet?
Ja, schon von klein auf habe ich immer gern mit Lebensmitteln zu tun gehabt. Ich hatte das Glück, im Innviertel auf einem Vierkanthof aufzuwachsen. Zwar hatten wir keine Tiere mehr, dafür alles an Früchten, was man sich nur vorstellen kann – von Heidelbeeren über Kirschen und Kriecherl bis hin zu Birnen und Nüssen. In der Hauptschule konnten wir dann drei Berufspraktika absolvieren und ich habe mich entschlossen, bei einem Metzger, einem Bäcker und in einer Küche zu schnuppern. Meine Eltern sind auch beide aus der Gastronomie und mein Papa war immer mein großes Vorbild. Er wollte es mir zwar ausreden, aber es ist ihm nicht gelungen (lacht).
Und jetzt ist er vermutlich sehr stolz auf Sie?
Ja, mega! Er war dieses Jahr zwei Mal bei mir in Kroatien und beim zweiten Mal hatten wir den Michelin-Stern drei Tage zuvor bekommen. Er ist im Restaurant gesessen und hat mir dabei zugesehen, wie ich die Petits Fours rausbringe und wie die Gäste reagieren. Da hat er dann ganz stolz gesagt: „Das ist mein Bub!“ Das war so schön!
Was macht Ihre Küche aus? Was ist sozusagen typisch Michael Gollenz?
Meine Küchenlinie beschreibe ich so: möglichst regionale Produkte, französische Kochtechniken und internationale Einflüsse. Ich persönlich esse sehr gern Saucen, weil ich es hasse, wenn etwas trocken am Teller ist. Ein gegrilltes Lamm mit trockenem Couscous zum Beispiel kann ich nicht essen, das mag ich nicht. Deswegen mache ich auch sehr gern Saucen. Da tüftle ich gern mal herum, bis es für mich perfekt schmeckt.
Wie entstehen neue Gerichte? Was inspiriert Sie?
Ich kann am besten in der Natur abschalten und das inspiriert mich auch zu neuen Gerichten – etwa, wenn ich den wilden Spargel sehe, den es in Kroatien gibt. Was mich dieses Jahr ein bisschen zum Umdenken gebracht hat, ist die Frage, warum Kroaten Fisch am liebsten gegrillt mit Olivenöl, Salz und Zitronensaft essen. Ich war einen Tag lang auf einem Boot unterwegs. Wir sind von einer Bucht zur nächsten gefahren, eine schöner als die andere, das Wasser war kristallklar und da habe ich verstanden, warum das so ist. Der Fisch kommt aus dem besten Wasser, den muss man nicht mit Saucen „verschandeln“. Ich mache deshalb hin und wieder eine leichte Sauce dazu, die den Eigengeschmack des Fisches nicht übertüncht. Was mich auch zu neuen Gerichten inspiriert, ist, wenn ich woanders zum Essen bin. Was schmeckt dort gut? Wie könnte man das neu kombinieren oder abwandeln? Da darf man ruhig ein bissl über den eigenen Tellerrand schauen (lacht).
Wie sind Sie nach Mali Losinj gekommen?
Die vergangenen Jahre habe ich in der Schweiz gearbeitet. Als mich die Nachricht von Christian Kuchler am Handy erreicht hat, war ich gerade auf Urlaub daheim im Innviertel und habe bei meiner Oma Schnee geschaufelt. Er hätte da etwas für mich! Ich bin sofort ins Haus hinein und mir war brennheiß, als er mir von diesem Fünfstern-Hotel auf Mali Losinj erzählt hat, das das Level im Restaurant künftig auf Sterne-Niveau heben möchte. Das hat sich so gut angehört (lächelt), allerdings lasse ich mir bei solchen Entscheidungen gern Zeit. Ich brauche zwei, drei Nächte zum Drüberschlafen und Überdenken. Und danach habe ich mich tatsächlich dagegen entschieden, weil ich das Gefühl hatte, dass es noch etwas zu früh sei. Doch Christian hat nicht lockergelassen, zwei Flüge für uns gebucht und gemeint, dass ich mir das Ganze vor Ort anschauen solle, bevor ich meine endgültige Entscheidung treffe.
Und was hat Sie dann am Ende doch noch überzeugt?
Ich war dann also dort und es war sehr beeindruckend. Spätestens an jenem Tag, an dem die Lieferanten mit Olivenöl, Käse und Prosciutto gekommen sind und der Fischer mit seinem Fang vor uns gestanden ist, ist mir das Herz aufgegangen. Das waren Fische, die wir in Zürich aus der Bretagne oder Portugal einfliegen haben lassen. Die sind dort fangfrisch aus dem Meer gekommen – direkt vor der Haustür. Neben mir ist der Weltmeister im Harpunenfischen gestanden, der mir die – mit Verlaub – geilsten Fische bringt. Da war meine Entscheidung gefallen! Danach ist alles sehr schnell gegangen und ich bin innerhalb von zwei Wochen von Zürich nach Mali Losinj gezogen.
Hauben- und Sterneköche hat es schon immer gegeben, aber seit geraumer Zeit scheinen junge Spitzenköche die neuen Superstars zu sein. Wie empfinden Sie das selbst?
Natürlich ist es so, dass der Beruf Koch in den vergangenen Jahren von den Medien sehr gepusht worden ist. Es hat noch nie so viele Kochsendungen im Fernsehen gegeben wie heute. Der Beruf hat wieder mehr Ansehen bekommen, was mich sehr freut. Ich glaube, dass es etwas Besonderes ist, was ich erreicht habe. Aber ich würde nie sagen: „Hallo, ich bin der Sternekoch!“ Ich weiß zum Beispiel genau, dass mein Papa immer noch ein besseres Gulasch kocht als ich. Es ist eine besondere Leistung, aber ich bin kein besonderer Koch.
Was essen Sie persönlich am liebsten? Womit kann man Ihnen kulinarisch eine Freude machen?
Da gibt es nichts Besonderes, das ich am liebsten esse. Mir schmeckt es immer am besten, wenn ich in guter Gesellschaft esse. Das kann ein Risotto genauso sein wie ein Bratl in der Rein. In Kroatien esse ich besonders gern rohe Scampi, die fangfrisch einmal kurz angefrostet und dann aufgetaut werden. Danach bricht man sie auf, beträufelt sie mit Zitronensaft, Olivenöl und wenig Salz – großartig! Und wenn ich heim ins Innviertel komme, habe ich eine „kulinarische“ Liste, die ich abarbeiten muss. Dazu gehören Leberkässemmel, Käs-Debreziner von der Metzgerei Habl, die sind ein Wahnsinn, ein Schweinsbraten und ein Gulasch. Wenn das abgehakt ist, schaue ich, dass es ernährungstechnisch wieder ein bissl gesünder wird (lacht).
Sie sind 26 Jahre alt. Wo soll es in Zukunft noch für Sie hingehen? Gibt es Pläne? Vielleicht ein eigenes Restaurant?
Ich möchte noch ein paar Jahre in Kroatien bleiben und das Ziel ist, ein paar mehr Sterne zu erkochen. Wir werden deshalb nächstes Jahr wieder Vollgas geben und versuchen, den Stern zu halten und vielleicht in absehbarer Zeit einen zweiten dazuzubekommen. Ich habe dort allein in diesem Jahr schon so viele interessante Menschen kennen gelernt – Topsportler, wie Thierry Henry und Roger Federer, ebenso wie Politiker und einflussreiche Wirtschaftsleute. Ich muss noch viele Jahre arbeiten, also ist auch noch vieles möglich. In der Gastronomie passiert so viel! Es kann also schnell gehen. Wenn Roman Abramovich mit seiner Super-Yacht bei uns anlegt und sagt, dass ich zu ihm kommen soll, dann wäre das natürlich zu überlegen (lacht). Mich zieht es irgendwann auf jeden Fall wieder zurück in die Heimat, aber bis dahin kann es sein, dass ich noch einen Zwischenstopp in den USA oder in Asien einlege. Das würde mich auch interessieren! Momentan möchte ich mich noch nicht mit einem eigenen Restaurant selbstständig machen, weil es wirklich viel Arbeit und Verantwortung ist.