People | 23.11.2022
Cool, cooler, Köberl
Josef Köberl ist vor allem eines, nämlich cool. Obwohl der gebürtige Grundlseer mit seiner Familie schon lange in Wien lebt, wo er im Klimaschutzministerium arbeitet, spricht er noch immer im steirischen Dialekt und lädt mich zu Beginn unseres Interviews gleich mal zum Eisschwimmen ein. Mehr als 5.000 Menschen konnte der 45-jährige Extremsportler bereits beim Vollmondschwimmen und Sonntagstraining in Wien sowie in Workshops am Hintertuxer Gletscher und bei seinen Einzeltrainings für das kühle Nass begeistern. Neuerdings bietet er die Möglichkeit an, Eisschwimmen direkt am Badeschiff „Paradies“ im ersten Bezirk in Wien zu trainieren bzw. auszuprobieren.
Herr Köberl, am 2. November wurde das Eisschwimmtraining am Badeschiff „Paradies“ in Wien offiziell eröffnet. Wie sind Sie auf diese Location gekommen?
Das Badeschiff ist mit seinem 27 Meter langen Pool bereits seit Jahren im Sommer ein besonderer Treffpunkt für Sonnenanbeter und Abkühlungssuchende in der Wiener Innenstadt, also warum soll man es nicht auch im Winter nützen? Ich trage mich schon seit fünf Jahren damit, dort Trainings anzubieten. Jetzt hat es endlich geklappt: Seit 2. November ist der Pool nun der „First Urban Ice Swim“-Platz von Wien. Eigentlich eine Weltneuheit, da diese Möglichkeit ihresgleichen sucht. Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag biete ich dort meine Trainings an. Der Freitag ist für Firmenkurse vorgesehen.
Wann und wie sind Sie zum Eisschwimmen gekommen?
Ich bin am Grundlsee aufgewachsen und habe mir mit sechs Jahren das Schwimmen selber beigebracht. 2010 sah ich in einer Zeitung eine Ankündigung für einen Schwimmmarathon am Hallstätter See und habe mich angemeldet. Der Marathon fand im Frühling statt und wir schwammen im 14 Grad kalten Wasser neun Kilometer – im Neoprenanzug – damals war ich noch ein Warmduscher (lacht). Aber Spaß beiseite, ich erlebte beim Schwimmen zum ersten Mal einen Flow-Moment, den ich als guter und routinierter Läufer nie hatte. Als ich aus dem Wasser kam, sagte ich zu meiner Schwester: „Das ist genau meins.“ Daraufhin habe ich den Entschluss gefasst, dass ich den Ärmelkanal durchschwimmen werde.
Was Sie im Jahr 2015 auch gemacht haben.
Ja, genau. Bei der Vorbereitung für meine Ärmelkanal-Durchquerung war ein wesentlicher Aspekt, Kälte zu trainieren. Ich wusste, dass die Durchquerung der 34 Kilometer von England nach Frankreich circa 15 Stunden im 16 Grad kalten Wasser bedeuten würde, also musste ich auch lernen, im kalten Wasser zu schwimmen. Somit war der Wunsch, nicht nur im Wasser zu verharren, sondern mich darin zu bewegen, entfacht. Ich wollte diesen Flow-Moment so oft als möglich erleben.
Was bedeutet kaltes Wasser für Sie?
Das Erleben der Kälte im Wasser bedeutet für mich einen Neustart, eine Möglichkeit bei null anzufangen, Neues zu erleben, ein nächstes Abenteuer, eine Freude, etwas zu schaffen, stolz auf das Geleistete zu sein und Glücksgefühle intensiv zu erleben.
Warum glauben Sie, liegt Eisschwimmen bzw. Eisbaden seit ein paar Jahren im Trend?
Die vergangenen Jahre waren von einigen Krisen gekennzeichnet. Sei es der Krieg in der Ukraine oder die Coronakrise, die uns über Monate und Jahre belastet hat. Letztere förderte den Drang der Menschen, raus in die Natur zu gehen. Noch nie war die Nachfrage an Kältetrainings so hoch wie in der Zeit während der Lockdowns. Es wurde offenbar mehr über das eigene Leben und die eigene Gesundheit nachgedacht und dabei wurde auch das Thema Kälte bzw. Eisschwimmen für viele Menschen interessant. Die Vorteile von Kältebehandlungen und Sport in der Kälte sind ja bekanntlich keine Neuerscheinung.
Anscheinend war auch Kaiserin Sisi eine begeisterte Eisschwimmerin.
Da muss etwas Wahres dran sein, denn für den Film „Corsage“ durfte ich Sisi-Darstellerin Vicky Krieps für die Eisschwimmszene trainieren.
Sowie bisher weitere 5.000 Menschen. Warum ist Ihnen das ein so großes Anliegen?
Weil sich bei mir durch das Eisschwimmen einiges zum Positiven verändert hat. Früher war ich impulsiver, wenig ausgeglichen. Schon fokussiert, aber ich hatte nicht diese mentale und physische Stärke, die ich jetzt habe. Ich möchte dieses starke Gefühl und die vielen positiven Emotionen, die mich nun seit Jahren begleiten, auch anderen Menschen ermöglichen. Es gibt mir unheimlich viel, wenn ich miterleben kann, wie emotionsgeladen und glücklich viele meiner Eisschwimmerinnen und Eisschwimmer am Ende dastehen. Einerseits sind sie positiv überrascht, was zu leisten sie imstande sind, andererseits merken sie, dass das Medium kaltes Wasser absolut kein Feind ist, sondern –professionell begleitet und richtig dosiert – ein absolutes Gottesgeschenk sein kann.
Was ist das besondere Feeling am Eisschwimmen?
Beim Eisschwimmen erlebt man viele verschiedene Gefühlsmomente: Das beginnt mit einem Adrenalinausstoß beim Ausziehen gepaart mit einer gewissen Furcht vor der Kälte. Im eiskalten Wasser spürt man dann die unglaubliche Kälte und die Atmung, die reagiert. Der Strom der Gedanken ist unterbrochen, man ist ganz im Hier und Jetzt. Sobald man mit dem Element Wasser in Verbindung ist, ist die größte Überwindung geschafft. Wenn sich die Haut und der Körper an die niedrigen Temperaturen angepasst haben, stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Wieder ein Hormonausstoß, den der Körper erfährt und der einem seine Kraft spüren lässt. Dann das Rausgehen aus dem Wasser und ein Moment der Zufriedenheit – ein wohlig, oft sogar warmes Gefühl. Kurz danach setzt das Warmzittern ein, der Körper geht in seine absolute Kraft, wärmt sich selbst – und zum Schluss das Gefühl, man hat es geschafft, man kann stolz darauf sein.
Was sollte man beachten, wenn man die ersten Male ins Eiswasser geht?
Man sollte in jedem Fall einen gesunden Respekt vor dem Eisschwimmen haben. Ratsam ist auch eine Untersuchung beim Arzt, die ja nie schaden kann, und man sollte jemand Erfahrenen an der Seite haben, der einem ein Set an mentalen Tools mitgibt, die helfen, sich in Extremsituationen zurecht zu finden. Ich bin schrittweise und über Jahre selbst draufgekommen, wie ich was einsetzen kann. Diese Erfahrung teile ich sehr gerne. Vor allem ist es mir aber ungemein wichtig, das Eisschwimmen sicher zu machen. Ich möchte den Leuten eine Methode zeigen, mit der man sich sicher im Wasser bewegen kann, sodass ein positives Erlebnis daraus wird, womöglich der Beginn einer neuen Leidenschaft.
Sie bieten auch Firmentrainings an. Was berichten die Teilnehmer nach so einem Kurs?
In meinen Trainings versuche ich, Sportlern, Führungspersönlichkeiten, Kältefreunden und Personen mit gar keiner Kälteerfahrung das Medium Eiswasser näherzubringen. Nicht selten kommt es vor, dass mir Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einem Workshop erzählen, dass sie sich motivierter und willensstärker denn je fühlen, geerdet und neu ausgerichtet in ihrem Leben. Schon oft war die Begegnung mit dem kalten Wasser und meinem Training ausschlaggebend für eine Veränderung. Viele haben etwas in sich erkannt, was schon in ihnen war, sie aber nicht sahen. Das Eiswasser vermag Gehirnareale zu aktivieren, die wir in dieser Intensität vielleicht vorher noch nicht von uns kannten. Das Kältetraining kann ein Türöffner zum wahren Ich, zur wahren Stärke sein – sowohl auf körperlicher wie auch auf psychischer Ebene. Bei Firmentrainings wird in den Teams vor allem auch die soziale Kompetenz gefördert.
First Urban Ice Swim Training
Seit 2. November bietet Josef Köberl am Badeschiff in Wien Eisschwimmkurse ab.
Die Teilnehmer erlernen die wichtigsten Dinge wie die Vorbereitung, das Equipment, das Schwimmen in der Kälte und die Nachbereitung (Recovery) – das richtige Aufwärmen ...
Das Badeschiff befindet sich im Donaukanal nahe der Urania im 1. Bezirk in Wien. Im Bauch
des Schiffes befinden sich Umkleidekabinen, versperrbare Kästchen und Duschen.
INFOS UND TERMINE
Dienstag, 17 Uhr,
Mittwoch, 12 Uhr,
Donnerstag um 7.30 Uhr
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