People | 28.08.2018
„Ballett ist für mich alles“
Das Ballett ist ihr Leben, der Beruf ihre Berufung: Svetlana Streicher arbeitet seit 14 Jahren als Ballettlehrerin in der Tanzschule Hippmann in Wels und zieht mit „ihren“ Kindern zahlreiche Auszeichnungen an Land. Sie zeigt, wie eine perfekte Symbiose zwischen Freundschaft und Autorität funktioniert. Ein Interview mit einer starken Frau, die mehr als nur ein Ziel erreicht hat.
OBERÖSTERREICHERIN: Frau Streicher, bevor Sie nach Österreich kamen, waren Sie Mitglied des Russischen Staatszirkus. Wie kamen Sie dazu?
Ich habe mit zehn Jahren mit der Ausbildung zur klassischen Ballerina begonnen und mit 18 eine weiterbildende Schule für Choreografie und Pädagogik besucht, durch die ich ausgebildete Ballerina und Pädagogin für klassischen Tanz wurde. Zum Zirkus kam ich per Zufall durch den Anruf einer schwangeren Freundin, die nach Ersatz für sich suchte.
Was machten Sie beim Zirkus? Was war Ihr schönstes Erlebnis?
Ich arbeitete als Ballerina bei einer großen Zaubershow, voltigierte Kamele, machte Akrobatik auf Elefanten und dem Trapez und choreografierte selbst. Ein wirklich tolles Erlebnis war, als ich mit drei Elefanten eine Pyramide gebildet hatte und mich oben draufstellen sollte. Ich war nervös, habe gezittert, und der letzte Schritt nach oben kostete mir unglaublich viel Überwindung. Als ich es geschafft hatte, war das Erfüllung für mich. Heute fühle ich mich stark, weil ich immer wieder meine Ängste bekämpft habe. Wenn du etwas Tolles machen willst, arbeite dafür!
Was hat Sie schon als Kind am Ballett fasziniert?
Ich bin ein echtes Ballettkind und mit großen Sälen und klassischer Musik aufgewachsen. Die Anmut, die Musik ... – die Tanzart ist einfach wunderschön! Als ich klein war, spielte ich in einer Kindertheatergruppe und bekam die Hauptrolle in einem Stück. Zur gleichen Zeit aber trat die Ballettgruppe mit einem Feuertanz auf. Natürlich entschied ich mich statt der Hauptrolle im Theaterstück für den Feuertanz – ich würde nie „mein“ Ballett verraten! (lacht)
Während Ihr Mann dem Zirkus treu geblieben ist und als technischer Leiter im Zirkus Krone in München arbeitet, haben Sie einen anderen Weg eingeschlagen. Wie kamen Sie nach Oberösterreich? Und was hat Sie zur Tanzschule Hippmann geführt?
Meinen Mann, einen wGrünbacher, habe ich in Budapest kennengelernt, wo er mit Schimpansen beim Zirkus arbeitete. Als wir unseren Sohn bekamen, wünschte ich mir für diesen eine gute, solide Ausbildung und einen fixen Wohnort. Wir wollten ihm nicht zumuten, von Stadt zu Stadt zu ziehen, wie es andere Zirkuskinder müssen, darum zogen wir in die Heimatstadt meines Mannes. Auf der Suche nach einem neuen Job kam ich auf die Tanzschule Hippmann in Wels, die bis dato noch kein Ballett führte. Heute unterrichte ich 130 Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren.
Sie haben sich in die Herzen Ihrer Schützlinge getanzt. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Freundschaft und Autorität?
Ich denke, der Schlüssel sind Herzlichkeit, unglaubliche Liebe zu dem, was du tust, aber auch Strenge und Konsequenz. Ballett ist für mich alles: meine Liebe, mein Leben, meine Leidenschaft. Die Kinder fühlen das.
Mit Ihren Inszenierungen lassen Sie viele renommierte Ballettschulen alt aussehen. Ihre zahlreichen Auszeichnungen können sich sehen lassen. Auf welche sind Sie besonders stolz?
In Wien gibt es den internationalen Ballettwettbewerb VIBE, zu dem Tänzer aus aller Welt kommen. Die Jury ist hochkarätig besetzt und kommt von der Wiener Staatsoper, vom Bratislava Ballett, dann ist da der Intendant der Budapester Oper, der Leiter der La Scala Ballettschule ... Von dieser Jury wurden meine Kinder hoch ausgezeichnet, eine meiner Schülerinnen kam mit nur acht Jahren von über 7.000 Tänzern unter die Top 21. Darauf bin ich extrem stolz!
Wie gehen Sie an eine neue Inszenierung ran? Wer kümmert sich um die Kostüme?
Wir haben schon unzählige Stücke gemacht, wie beispielsweise die Ballette „Don Quixote“, „Coppélia“, „Ein Sommernachtstraum“ ... Ich suche Stücke, die für die jeweilige Ballettgruppe passen bzw. passe diese dann ans Können der Kinder an. Heuer treten wir mit „Cipollino“ auf. Das Stück hat eine starke soziale Message wie: Sei mutig und gerecht, setze dich für sozial Schwächere ein, kämpfe für Freiheit und gegen Unterdrückung! Die Kostüme entwerfe ich selbst, genäht werden sie in einem Atelier in Moldawien. Mein Mann kümmert sich um Dekoration und Requisiten, ich bin Bühnenbildnerin, Musikleiterin, Choreografin, Organisatorin, mache die Lichtregie und bin Beistand und Freundin bei Nervosität und Anspannung.
Wo – außer auf dem Tanzparkett – findet man Sie in Ihrer Freizeit?
Freizeit habe ich so gut wie nie, und wenn, dass besuche ich liebend gerne klassische Konzerte, das entspannt mich. Allgemein liebe ich die Kunst – nicht nur in getanzter Form.
Wie oft kommen Sie noch nach Russland, in Ihre Heimat?
Mein Sohn studiert an der WU in Wien und hat gerade ein Auslandssemester in Moskau gemacht. Tatsächlich war ich, als ich ihn besuchte, zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder in Russland. Damals habe ich das Land als arme Zirkusartistin kennengelernt. Heute ist es für mich ein Land, das Kunst und Kultur, die Literatur und die Oper vereint und mich zum Staunen brachte. Für mich ist es wunderschön, dass mein Sohn die Liebe zu diesem Land entdeckt hat und nun sogar Russisch lernt. Und auch, wenn mein Zuhause jetzt hier in Grünbach ist, wird mein Herz immer für Russland schlagen.