Loading…
Du befindest dich hier: Home | Lifestyle

Lifestyle | 22.03.2022

Vor-Bilder

Die Metamorphose – die Verwandlung – ist für die Künstlerin Andrea Marbach die geeignete Methode, um auf wichtige Themen aufmerksam zu machen. Das zeigt sie in ihrer ersten institutionellen Ausstellung im Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels.

Bild 2203_O_Marbach-5.jpg
© Thom Trauner

Mit der Ausstellung „Andrea Marbach. Vor-Bilder“ widmet das Museum Angerlehner der aus Oberösterreich stammenden und in Wien lebenden Malerin einen Ort des Sichtbarmachens. In ihren Arbeiten verbindet die Künstlerin Stadtansichten, Stillleben und Paraphrasen auf Alte Meister mit einer kritischen Haltung. Das Sichtbarmachen von Frauen, Männern, People of Color und Natur geht einher mit einer kenntnisreichen Auseinandersetzung mit kunsthistorischen Traditionen. Die Ausstellung zeigt rund 30 Werke der letzten 20 Jahre, die immer wieder von der Künstlerin verändert wurden. Wir durften die Präsentation im beeindruckenden Museum Angerlehner bereits besichtigen und haben mit Andrea Marbach über Geschlechterstereotype, das Sichtbarmachen und über Vorbilder gesprochen. 

 

Oberösterreicherin: Frau Marbach, wie geht es Ihnen mit Ihrer ersten institutionellen Ausstellung? Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?

Andrea Marbach: Mir geht es richtig gut, weil ich jetzt nach dem jahrelangen Malen das Gefühl habe, „es ist geschafft“.Ich habe lange überlegt, welche Bilder ich ausstelle, und mir war wichtig, nur die zu zeigen, die nicht unbedingt üblich sind. Meine Stadtansichten und auch meine Aktbilder sind nicht so, wie man es gewohnt ist. 

Was heißt das genau? 

Mir ist wichtig, Aufmerksamkeit zu erregen. In der Kunst werden üblicherweise nur wertvolle Gegenstände gezeigt. Auch mal einen Herd, einen Kühlschrank oder eine alte Schreibmaschine zu malen,  und diese Objekte, die uns im Alltag begleiten, damit wertzuschätzen, ist mir ein Anliegen. Einfach aufmerksamer mit den Dingen des alltäglichen Lebens zu sein. Ich finde, Kunst sollte einen viel größeren Platz in den Medien bekommen. Über Sport wird so viel mehr in den Medien berichtet als über Kunst. Ich bin davon überzeugt, dass mehr Menschen Musik machen, malen, schreiben und zeichnen, als Sport zu betreiben. Kunst ist Teil des Lebens und das sollte mehr gezeigt und auch integriert werden. 

Warum der Titel „Vor-Bilder“?

Einerseits beziehe ich mich auf klassische Kunst, andererseits wünsche ich mir, dass meine Bilder auch Vorbilder werden für andere Bilder. Die Fragen nach „Wer bin ich?“ und „Wie bin ich?“ sind in meiner Kunst zentral. Meine Bilder wirken, wie auch Filme und Bücher es tun können, als Vorbilder. 

Wer sind Ihre Vorbilder?

Ich finde, dass die ImpressionistInnen in ihrer Malweise etwas ganz Modernes haben. Das Weggehen von den klassischen Themen und das bunte und lebendige Darstellen der Freizeit mag ich sehr. Ich finde es auch interessant, dass sie von den KunsthistorikerInnen lange Zeit ignoriert wurden, und wenn sie in den Auktionen nicht so hohe Preise erzielen würden, würden sie auch heute noch untergehen. Die Impressionistin Mary Cassatt bringt ganz ungewöhnliche Perspektiven in ihrer Kunst, auch sie sehe ich als große Inspiration. Ich bin der Meinung, dass man Vorbilder immer hinterfragen und eher als Inspiration sehen sollte, anstatt etwas nachzuahmen. 

In Ihrer Kunst geht es Ihnen um das Sichtbarmachen und die Auseinandersetzung mit kunsthistorischen Traditionen. Wie kann man sich das vorstellen? Was wird sichtbar gemacht?

In der Kunst tauchen ganz viele nackte Frauen und wenig nackte Männer auf. Die Männer sind dann im Krieg, verletzt oder als Heilige dargestellt. Wenn man die nackten Männer aber entspannt irgendwo sitzend oder liegend darstellen würde, hätte das eine ganz andere Wirkung. Auch Männer dürfen sich Zeit nehmen, müssen nicht immer Helden und tapfer sein und dürfen sich um die Familie kümmern. Ich arbeite im Museum und mir ist aufgefallen, dass im ganzen Kunsthistorischen Museum in Wien nur zehn Malerinnen gezeigt werden und auch nur zehn People of Color. Die Kunstgeschichte ist extrem von Männern dominiert und das möchte ich sichtbar machen.  

Wiener Zinshäuser der vorletzten Jahrhundertwende, die Brooklyn Bridge in New York, eine von barocken Kirchen dominierte Salzburger Stadtansicht, eine Kaianlage in Teneriffa. Wie wählen sie Ihre Motive aus? 

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meine Motive auswähle, sondern dass sie mir begegnen. Ich finde die Natur auch schön, aber Städte mag ich besonders. Wenn alles nur grün ist, bedrückt mich das direkt. Ich brauche gebaute Elemente in der Landschaft, dann gefällt es mir besser. Bei den Bildern aus Wien war entweder ein wunderbares Licht, oder es war ein Haus eingerüstet, oder es stand irgendetwas Ungewöhnliches davor. Ich brauche immer einen Bruch. Das ganz brave Malen ist nicht so meins. Wenn ich was Braves male, klebe ich gleich am nächsten Tag etwas in mein Bild ein, um es zu verändern. 

Sie spielen in Ihrer Kunst mit Geschlechterstereotypen. Wie kann man sich das vorstellen?

Geschlechterstereotype haben mich als Kind schon sehr gestört. Vor allem weil die weiblichen Rollen für mich etwas Unsympathisches hatten. Ich koche gerne, aber ich koche nicht sehr gerne. Ich bügle nicht leidenschaftlich. Ich habe meine Kinder total lieb, aber so richtig lange mit ihnen zu spielen, war auch nicht so meins. Erst in den 1970er-Jahren, da war ich zehn Jahre alt, wurde das Gesetz geändert, dass Frauen arbeiten gehen dürfen, ohne dass der Ehemann das vorher unterschreiben muss. Ich habe das Gefühl, das belastet mich immer noch. Für meinen Vater war klar, dass nur einer meiner Brüder die HTL machen und danach seinen Betrieb übernehmen kann. Ihm war wichtig, dass meine Mutter bei den Kindern zu Hause ist, und sie ist dann erst nach der Scheidung wieder arbeiten gegangen. Sie hatte aber immer das Bedürfnis, ihm beweisen zu wollen, wie toll sie ist. Das hat mich geprägt.

 

 

Bild 2203_O_Marbach-3.jpg
„Das ganz brave Malen ist nicht so meins“, sagt Andrea Marbach. Ihre Bilder zeigen alle einen „Bruch“ in der Idylle und werden immer und immer wieder verändert. © Thom Trauner

Basierend auf der Idee des offenen Kunstwerks können BesitzerInnen Ihrer Bilder, diese selbst verändern. Was heißt das?

Ich habe in meinen Bildern kleine Details eingeklebt. Die kann man auch wieder runterlösen. Bei meinem Kühlschrankbild fände ich es auch lustig, wenn derjenige, der das Bild ersteht, etwas anderes hinein kleben oder es übermalen würde. Der Gedanke „Ein Bild ist fertig“ gefällt mir nicht. Kunst ist für mich etwas Lebendiges und ich mag es, wenn meine Kunst verändert wird. Einige meiner Bilder wurden über zwanzig Jahre lang immer wieder von mir übermalt und verändert. 

Haben Sie keine Angst, ihre Bilder könnten damit zerstört werden?

Auch das wäre spannend. Wenn meine Bilder Risse bekommen, finde ich das schön. Das Leben wird interessanter, wenn man es auch infragestellt. 

„Kunst ist Teil des Lebens und sollte mehr gezeigt werden.“

Andrea Marbach

 

VOR-BILDER

13.2. – 22.5.2022

Museum Angerlehner, Thalheim bei Wels

Künstleringespräch zur Ausstellung:
So., 17.4.2022, 15 – 16 Uhr
Künstlerinworkshop mit Andrea Marbach
„Überall ist Kunst“: So., 22.5.2022, 13 – 17 Uhr

www.museum-angerlehner.at