Lifestyle | 18.04.2018
Raus aus der Harmoniefalle
Der aufsehenerregende Fall eines angeblichen kollektiven Protest-Krankenstandes von mehreren Mitarbeitern einer oberösterreichischen Firma wurde in den vergangenen Wochen öffentlichkeitswirksam breitgetreten. Gebracht hat es wahrscheinlich niemandem etwas, weder dem Unternehmen noch den Mitarbeitern. Ganz im Gegenteil, der Image-Schaden dürfte für beide Seiten groß sein und richtig viel Geld kosten. Egal ob im privaten oder beruflichen Bereich, Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Ansichten und Interessen aufeinanderstoßen, die gegenseitig im Widerspruch stehen und eine Lösung erfordern. Entscheidend ist nicht das Vermeiden von Konflikten, sondern wie Konflikte ausgetragen werden.
Frau Jandl-Albrecht, wie entstehen Konflikte eigentlich?
Auslöser für Konflikte gibt es viele. Neid, Missgunst, Rivalität, nicht kommunizierte Überforderung, Spannungen zwischen Beruf und Familie, Mangel an Informationen, Anerkennung oder Wertschätzung – das alles können Auslöser für einen Konflikt sein.
Wenn es zu Konflikten kommt, stellt man sich oft die Frage: Warum konnte es nur so weit kommen, wo doch alles so harmlos angefangen hat? Warum ist das so?
Bei unbearbeiteten Konflikten ergibt oft eines das andere. Man fängt an, sich zu misstrauen, nimmt nur mehr das Negative wahr, Missverständnisse und gegenseitige Anschuldigungen nehmen unweigerlich zu. Meistens wird auch nicht über das Problem gesprochen. Schlussendlich spitzt sich der Konflikt zu, es hagelt gegenseitige Vorwürfe, oder es gibt gar keine Gesprächsbasis mehr. Im schlimmsten Fall kann der Konflikt im gemeinsamen Untergang enden, wie jetzt jüngst auch wieder vermehrt in den Medien zu lesen ist.
Warum fällt es uns so schwer, im Konflikt besonnen und überlegt zu handeln?
Wir sind sicher alle schon einmal in der einen oder anderen Konfliktsituation gewesen. Ein Konflikt bedeutet zuerst einmal Stress pur. Je nach Vorprägung achten wir oftmals nur mehr auf negative Signale und werden blind vor Wut.
Wie kann man Konflikte vermeiden?
Man wird Konflikte nie vollständig vermeiden können. Der Konflikt zeigt, dass etwas nicht stimmt. Dass eine Veränderung ansteht. Dass sich eine Chance auftut usw. Erfreulich ist, dass aus einem Konflikt auch große Chancen entstehen können. Der Konflikt wird dann nicht als Problem dargestellt, sondern, wie ich gerne sage, als „Situation“.
Also ist ein Konflikt per se nichts Schlechtes?
Nein, oftmals wird aber zu lange mit der Aufarbeitung gewartet. Ein Unternehmer meinte einmal zu mir, ab jetzt will er keinerlei Konflikt mehr in seinem Unternehmen haben. Ich meinte dazu, das wäre kein empfehlenswerter Weg. Es geht ja darum, dass Konflikte auch Hinweise auf anstehende Veränderungen sind oder zeigen, dass etwas fehlt bzw. eine Weitertentwicklung ansteht. Es geht darum, wie man mit dem Konflikt umgeht. Hauen wir uns gegenseitig die Köpfe ein oder machen wir was daraus und richten unseren Fokus auf unsere Potenziale, Kompetenzen und Möglichkeiten?
Wie kann nun jeder einzelne mit Konflikten umgehen, damit sie letztendlich zur Chance werden?
Lernen Sie, sich zu beobachten, und überprüfen Sie die eigene Einstellung. Wie wurde oder wird in der Familie oder im Unternehmen mit Konflikten umgegangen. Stellen Sie sich folgende Fragen: Bin ich, wenn ein Konflikt auftritt, im Erstarrungsmodus? Neige ich zu Angst oder Ärger? Bin ich defensiv, flüchte ich, reagiere ich oder bin ich aggressiv, beschuldigend, attackierend? Je nach lebensgeschichtlich geprägter Einstellung ergeben sich Wahrnehmung, Gefühle und Motivation. Diese führen dann zum Verhalten und ich erziele eine Wirkung. Die Frage, die sich stellt, lautet: Ist meine Konfliktbewältigung destruktiv oder konstruktiv?
Sind es nicht häufig Angst oder auch Bequemlichkeit, warum man einem Konflikt aus dem Weg geht?
Genau, und hier gilt: Raus aus der Harmoniefalle, denn Oberflächenkosmetik bringt keinem was. Viele Führungskräfte wissen, dass es in einer Sitzung auch einmal „krachen“ kann und darf. Das lässt sich auch gar nicht vermeiden. Wenn etwa gravierende Veränderungen anstehen oder Überstunden angeordnet werden müssen, dann ist das oft unangenehm, aber das ewige Hinunterschlucken bringt nichts. Eine Mitarbeiterin sagte einmal vor einem Workshop zu mir: „Wenn das wieder so ein Ich-hab-dich-lieb-Seminar wird, gehe ich gleich wieder nach Hause.“ Das zeigt, dass es ein großes Bedürfnis nach Klarheit und dem Ansprechen des Ärgers gibt.
Wie kann man nun einen Konflikt positiv bewältigen?
Größe zeigen und auch einmal Aussagen zurücknehmen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Der Satz „Es tut mir leid“ wirkt jedoch oft Wunder. Zuhören, Gefühle und Bedürfnisse ansprechen. Einen Fehler zugeben und den eigenen Lerneffekt erkennen. Weg von „Auf in den Kampf“, hinein in „Finden wir eine Lösung“. Und noch einmal: Konflikte sind Entwicklungschancen.
Das hört sich jetzt easy an, aber vielfach ist es in Firmen oder auch Familien nicht mehr möglich, allein mit dem Konflikt klarzukommen. Wann soll man sich Hilfe von außen holen?
Man kann keinen klaren Zeitpunkt definieren, ab wann Mediation notwendig ist. Konflikte schwelgen ja sehr oft unter der Oberfläche und bleiben dadurch lange Zeit unentdeckt. Hier sollte man vor allem auf Signale des „Unwohlseins“ achten. Je früher man die Probleme angeht, desto besser ist es.
Was wären zum Beispiel in einer Firma Anzeichen, dass etwas nicht passt?
Eine hohe Fluktuationsrate in einer bestimmten Abteilung, plötzliche negative Änderungen in der Arbeitsbereitschaft, Aufgaben werden nicht mehr zufriedenstellend durchgeführt, eigenes Engagement fehlt, und die Beteiligten haben bereits innerlich gekündigt, oder es bilden sich Grüppchen. Da sollten bei den verantwortlichen Vorgesetzten die Alarmglocken läuten. Je schneller dann jemand von außen geholt wird, desto besser.
Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo man Sie als Mediatorin geholt hat?
Ich wurde in ein sehr erfolgreiches Unternehmen geholt, wo es einen Generationenkonflikt zu bewältigen gab. Der Sohn arbeitete im Betrieb, und die Eltern waren sich unsicher, ob er das Unternehmen auch wirklich übernehmen würde. Die Kommunikation zwischen Eltern und Sohn war bereits fast zur Gänze eingestellt. Alle fühlten sich unwohl. Im Zuge der Mediation sind wir draufgekommen, dass sich der Sohn nicht sicher war, ob er diese Firma weiterführen möchte oder ob er einen ganz anderen Weg einschlagen soll. Diese Unsicherheit wurde einerseits mit Aggressionen und andererseits mit Wortlosigkeit zum Ausdruck gebracht. Im Verfahren kam unter anderem auch heraus, dass der Sohn Angst davor hatte, die ganze Verantwortung zu übernehmen und dabei seine junge Familie zu vernachlässigen. Das war keinem bewusst, auch dem Sohn nicht. Die Eltern brachten schließlich zum Ausdruck, dass es ihnen in erster Linie nicht darum geht, dass er das Unternehmen übernimmt. Ihnen war wichtig, dass ihr Sohn zufrieden und glücklich ist und selbst entscheidet. Sie selbst möchten aber auch nicht immer mit ihren Entscheidungen infrage gestellt werden. Ein sehr positiver Ausgang wurde erreicht. Und der Sohn bleibt im Unternehmen.
Der richtige Umgang mit Konflikten:
- Achten Sie auf Ihre Emotionen.
- Seien Sie offen für die Argumente Ihres Gesprächspartners.
- Vermeiden Sie „Du“-Botschaften.
- Verwenden Sie „Ich“-Botschaften.
- Üben Sie sich darin, zuzuhören, ohne gleich zu unterbrechen.
- Achten Sie darauf, dass Sie ein gemeinsames Anliegen haben: Was möchten wir erreichen?
- Ein „Tut mir leid, mir war nicht bewusst, dass ...“ wirkt oft Wunder.
- Zeigen Sie Interesse, Wertschätzung und Anerkennung.
- „Laufen Sie nicht vorschnell davon“, denn auf Sicht gesehen ist das viel zu anstrengend. Stellen Sie sich dem Konflikt, es lohnt sich.