Lifestyle | 16.11.2020
Mobbing unter Müttern
„Warum gehst du zu jeder Vorsorgeuntersuchung?“ – „Warum gehst du zu so vielen?“
„Warum hast du abgestillt?“ – „Wieso stillst du noch immer?“
„Warum gehst du schon wieder arbeiten?“ – „Warum arbeitest du noch nicht?“
„Warum willst du einen Kaiserschnitt?“ – „Warum willst du keinen Kaiserschnitt?“
„Warum lässt du dein Kind impfen?“ – „Warum impfst du nicht?“
Es gibt kaum eine Mama, die Sätze wie diese noch nie gehört hat. Mütter werden von allen Seiten wegen erzieherischen Entscheidungen oder ihrem Umgang mit ihren Kindern kritisiert, beschämt oder sogar massiv angegriffen. Bereits während der Schwangerschaft sehen sich viele Frauen mit „Mom-Shaming“ konfrontiert, wie es Autorin und Familientherapeutin Katharina Pommer nennt.
„Es passiert immer dann, wenn sich eine Frau ungerechtfertigter Kritik oder ungefragten Ratschlägen stellen muss, die ihre Mutterschaft betreffen“, erklärt sie in ihrem neuen Buch „Stop #Mom-Shaming“. „Es findet täglich und überall statt und kann jede Mama treffen.“
Besonders die sozialen Medien haben verbalen Angriffen Tür und Tor geöffnet. Es scheint kaum noch Grenzen zu geben. Häufig bilden Neid und Missgunst eine Brutstätte für Mom-Shaming. Darum ist es für die Autorin dringend an der Zeit, ein Zeichen zu setzen, offen und ehrlich darüber zu sprechen und sich endlich zu solidarisieren. Nach dem Motto „Miteinander statt gegen-
einander“!
Tabu unserer Gesellschaft.
„Mütter sind für mich die wahren Superheldinnen dieser Welt“, sagt Pommer. „Deshalb stehen sie auch im Rampenlicht, nicht nur für ihre Kinder, sondern auch für den Rest der Welt. Und so werden sie oft zur Zielscheibe für Mom-Shaming. Sobald eine Mutter etwas tut, was dem Mainstream widerstrebt, oder das Verhalten ihrer Kinder nicht mehr in diesen hineinpasst, bildet das den idealen Nährboden für negative Kommentare, herablassende Blicke und unsachliche Meinungsäußerungen.“
Katharina Pommer weiß, wovon sie spricht: Sie wurde selbst mit 18 Jahren im letzten Schuljahr vor der Matura schwanger und hat mittlerweile fünf wundervolle Kinder von drei tollen Vätern, wie sie sagt. Mom-Shaming ist ihr schon sehr früh und in den verschiedensten Formen begegnet. „Meinen Schulfreundinnen wurde damals geraten, sich nicht mehr mit mir abzugeben“, erinnert sich die Autorin. „Ich wurde behandelt, als ob eine Schwangerschaft eine gefährliche, ansteckende Krankheit wäre. Ich fühlte mich ausgegrenzt und herabgewürdigt.“
Und obwohl nahezu jede Mutter einmal damit Erfahrungen macht, wird es in unserer Gesellschaft großteils tabuisiert. „Weil sich nur wenige Frauen trauen, öffentlich darüber zu sprechen, wenn sie verletzt oder verurteilt wurden“, weiß die Expertin. „Die Angst, als Mutter nicht den gesellschaftlichen Anforderungen zu genügen und damit zu versagen, beweist das große Schweigen vieler Frauen.“ Traurige Realität: Neun von zehn Müttern, die zu ihr in die Praxis als Familientherapeutin kommen, denken, sie wären nicht gut genug, würden zu viele Fehler und keinen guten Job als Mama machen.
Auf mütterliche Intuition vertrauen.
Für Katharina Pommer ist es deshalb besonders wichtig, dass Frauen wieder mehr auf ihre mütterliche Intuition vertrauen, die größer als alles theoretische Wissen ist. Denn: Mamas verfügen von Natur aus über eine mütterliche Kompetenz, die genau weiß, was zu tun ist, wenn es um das eigene Kind geht. „Die Stimme des Herzens ist jene, die die unsichtbare Nabelschnur zwischen Mamas und ihren Kindern zum Ausdruck bringt“, betont sie. „Leider sorgen Digitalisierung und unsere schnelllebige Zeit dafür, dass Mamas den Zugang zu dieser natürlichen und mütterlichen Kompetenz großteils verloren haben.“
Was Mütter außerdem tun sollten: nicht so hart mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Perfektion hat im Leben einer Mutter nichts zu suchen. Es macht auf Dauer kaputt und nimmt jeder Mama-
Seele den letzten Energiequell.
Mindestens genauso wichtig: anderen Müttern mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen und sich gegenseitig in allem zu bestärken, was das Leben als Mama so mit sich bringt. „Anstatt einander zu verurteilen, sollte es endlich darum gehen, einander zuzuhören und sich für die Beweggründe der anderen Mama zu interessieren und nachzufragen, warum sie tut, was sie tut“, so Pommer.
Müttermafia: So wehren Sie sich!
- Nach einem „gut gemeinten“ Ratschlag nicht gleich verbal zurückschießen, sondern erst mal einen Schritt zurücktreten und sich klarmachen, dass das Gegenüber aus irgendeinem Grund, der in der Regel gar nichts mit einem selbst zu tun hat, im eigenen „Sumpf“ festhängt und sich durch seine Mom-Shaming-Aktion davon ablenken möchte. Dann gelingt es deutlich besser, souverän zu reagieren.
- Klar und deutlich kommunizieren, was man braucht und will. Denn nur so hat das Gegenüber die Chance, einen zu verstehen.
- Lernen, trotz Widerständen seinen eigenen Standpunkt klar zu vertreten – vor allem dann, wenn man ihn ausreichend geprüft und für gut befunden hat!
- Den eigenen Selbstwert so weit ausbauen, dass man in immer kürzer andauernden Zeitspannen erkennen kann, wer einem guttut und wer nicht, und lernen, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Am besten frei von unnötigen Dramen.
- Lernen, wahrzunehmen, wann einem etwas zu viel ist und wo die eigenen Grenzen liegen.
- Sich Hilfe von Experten holen und diese um Unterstützung bitten!