Lifestyle | 20.12.2021
Essen für eine gesunde Erde
Das neue Jahr steht vor der Tür – und mit ihm unzählige gute Vorsätze. Auch bei der Ernährung wollen viele Menschen ansetzen und endlich gesünder und ausgewogener essen. Wie das gelingt und welche aktuellen Food-Trends auch dazu passen, erklärt Diätologin Jutta Diesenreither in unserem Interview.
OBERÖSTERREICHERIN: Wo geht im Moment der Trend bei unserer Ernährung hin, Frau Diesenreither?
Jutta Diesenreither: Ein großer Trend bei der Ernährungsweise ist im Moment die „Planetary Health Diet“. Übersetzt bedeutet das so viel wie: eine Ernährung, die nicht nur den Menschen, sondern auch unserer Erde guttut. Dabei geht es um die Frage, wie wir uns ernähren sollen, damit in den nächsten Jahrzehnten zehn Milliarden Menschen auf der ganzen Welt satt werden können. Das kann gelingen, indem man den Gemüseanteil verdoppelt und mehr Nüsse und Hülsenfrüchte isst. Hülsenfrüchte sind vor allem auch deswegen dabei, weil sie beim Anbau relativ wenig Wasser benötigen, was wiederum gut für die Erde ist. Es wird grundsätzlich jenen Pflanzen der Vorzug gegeben, die ressourcenschonend angebaut werden können. Der Fleisch- und Zuckerkonsum soll bei dieser Form der Ernährung hingegen halbiert werden – ebenso wie die Lebensmittelabfälle. Rotes Fleisch, Eier und Milchprodukte spielen eine eher untergeordnete Rolle. Ein weiterer Trend sind sogenannte lokale Exoten. Das bedeutet, dass exotische Pflanzen bei uns angebaut werden. Es gibt zum Beispiel schon Reis und Garnelen aus Österreich. In der Steiermark wird Quinoa angebaut, im Burgenland Kurkuma und Ingwer.
Wer ist für diesen Trend besonders empfänglich?
Es sind in erster Linie Frauen bis zu einem Alter von etwa 40 Jahren, das sehen wir. Diese Gruppe zeichnet auch noch aus, dass sie total neugierig und technikaffin ist. Neugierig ist deshalb wichtig, weil diese Menschen sehr offen gegenüber neuen Lebensmitteln sind. Ich nehme hier zum Beispiel Insekten. Das darf man sich jetzt aber nicht so wie im Asienurlaub vorstellen, dass wir Larven essen oder Mehlwürmer frittieren. Da wäre bei uns der Ekelfaktor zu groß. Es geht vielmehr um sogenannte unsichtbare Insekten, die zum Beispiel zu Mehl verarbeitet werden. Es gibt bereits Teigwaren, Cerealien und Müsliriegel, wo ein Teil Insektenmehl beigemengt wird. Bis sich das durchsetzt, wird es allerdings noch ein paar Jahre dauern.
Warum brauchen wir künftig Insekten in unserer Ernährung?
Insekten verfügen über ein hochwertiges Eiweiß. Wenn künftig also der Fleischkonsum reduziert werden soll, können wir auf dieses Eiweiß aus Insekten zurückgreifen. Interessant ist auch, dass der Verzehr von Insekten zudem zur Nachhaltigkeit beiträgt. Insekten können ja in unseren Abfällen gedeihen und machen aus Abfall dann sogar hochwertiges Eiweiß. Das haben wir sonst nirgendwo in dieser Form. Im Gegenteil: Wir züchten Fleisch, was mit einem enormen Wasserverbrauch für die Futtermittel einhergeht. Die Insekten brauchen praktisch nichts und produzieren dennoch hochwertiges Eiweiß.
Sie haben eben den enormen Wasserverbrauch angesprochen, der mit der Produktion gewisser Lebensmittel einhergeht. Ist das den Konsumenten überhaupt bewusst?
Ich denke, dass es noch viel zu wenig Bewusstsein dafür gibt, was viele oder wenige Ressourcen braucht. Avocados zum Beispiel brauchen Tausende Liter Wasser. Deswegen sind sie vom Superfood mittlerweile fast ein bisschen zum Anti-Food mutiert. Um sie anbauen zu können, werden Wälder abgeholzt, es entstehen riesige Monokulturen und auch die Arbeitsbedingungen für die Menschen vor Ort sind sehr schlecht. Deswegen wird dieser Hype um die Avocado abflachen. Zumal es ja regionale Alternativen bei uns gibt. In Leinöl oder Nüssen sind diese wertvollen Omega-3-Fettsäuren ebenfalls enthalten.
Wo soll es denn ernährungstechnisch in Zukunft hingehen? Würden Sie uns die planetengesunde Ernährung empfehlen?
Dass der pflanzliche Anteil massiv erhöht werden soll, finde ich sehr gut und kann ich nur unterstützen. Ebenso den Ansatz, sowohl den Zucker- als auch den Fleischkonsum zu reduzieren. Österreichische Männer essen zum Beispiel doppelt so viel Fleisch und Wurst, als aktuell empfohlen wird. Was aus meiner Sicht schon wichtig ist, sind Eier und Milchprodukte. Hier deckt sich die planetengesunde Ernährung nicht mit unseren aktuellen Empfehlungen. Und es wäre wichtig, dass sich die Menschen wieder mehr mit dem Essen beschäftigen. Das bedeutet in der Praxis: bewusster einkaufen, regionale und saisonale Obst- und Gemüsesorten essen und Lebensmittelreste nicht wegwerfen, sondern verwerten. Das Problem ist allerdings, dass das viele Menschen gar nicht wollen, weil es ihnen zu aufwendig ist.
Aber hat nicht gerade die Pandemie viele Menschen zum Umdenken bewogen?
Das stimmt leider nur teilweise, weil zwar wieder mehr Bewusstsein geschaffen wurde, aber nur ein bisschen was bis jetzt hängen geblieben ist. Zwar wollen viele Leute regional und saisonal essen, aber möglichst ohne viel Aufwand. Das geht im Sommer mit Gurken, Tomaten, Paprika oder Radieschen wunderbar. Herbst- und Wintergemüse hingegen muss man verkochen und das ist für viele schon wieder zu aufwendig.
Welche Möglichkeiten gibt es im Winter, mit saisonalem Gemüse zu kochen?
Wir haben jetzt zum Beispiel rote Rüben, Kohl, Wirsing, Kraut, Wurzelgemüse und Kürbis, der lange lagerfähig ist. Daraus lassen sich – passend zur Jahreszeit – wärmende Suppen, Eintöpfe und Currys machen. Das Spannende ist ja, dass diese Gemüsesorten voller Vitamin C und Folsäure sind, also genau das, was unser Immunsystem jetzt braucht. Wenn es einmal schnell gehen muss, kann man auch bedenkenlos zu Tiefkühlgemüse greifen, das voller
Vitamine ist und völlig zu Unrecht einen schlechten Ruf hat.