Lifestyle | 04.10.2022
DUETT: Kunst von Menschen mit Beeinträchtigungen
Was den Leser hier erwartet, ist kein schnöder Kunstkatalog sondern echte Literatur. Die, genau wie die abgebildeten Zeichnungen, in diesen schrägen Zeiten zum Lachen, Weinen und Davonträumen einladen. Gleich im ersten Band setzt sich die oberösterreichische Schriftstellerin Daniela Emminger nicht nur mit den fröhlichlyrischen Bildern ihres Kollegen Heliodor Doblinger auseinander, sondern auch mit den Auswirkungen Covid-bedingter Isolation auf die Menschlichkeit, Hoffnung und allgemeine Daseinswirren. Hier wird in Wort und Bild ein „Zwischen“ eingefangen, das, was zwischen den Bildern und zwischen den Worten und zwischen zwei Menschen ist oder sein könnte. Herausgekommen ist ein so persönliches wie versöhnliches Werk, das in Schlagworten auch gängige Begrifflichkeiten, Zuschreibungen und Pauschalisierungen wie „Beeinträchtigung“, „Diskriminierung“ und „Art brut“ genau unter die Lupe nimmt.
Ernst Ferstl sagt: Die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben. Und auch bei Emminger, die ebenfalls im stillen Schreiben Antworten gesucht hat, wird man diesbezüglich fündig. Zum Beispiel, warum wir Menschen immer noch als „beeinträchtigt“ bezeichnen, wo doch alle in irgendeiner Form beeinträchtigt sind. Oder warum in der Kunstwelt noch von „Art brut“ die Rede ist, wo der 1945 vom französischen Maler Dubuffet ins Leben gerufene Schubladenbegriff, der ursprünglich die (zugegeben hehre) Idee verfolgte, Raum für „Antiakademisches“ und „Nichtetabliertes“ zu schaffen, längst nicht mehr zeitgemäß ist. Oder warum wir auf Termini wie „anders begabt“, „anders klug“, „besonders befähigt“ gut verzichten können.
Emminger selbst sagt: „Wir schreiben 2022. Und da sollte man sich nicht Gedanken über den Idealstandard des Menschen machen, sondern lieber den eigenen (versteckten) Ableismus überwinden. So lange Diskriminierung (egal ob Rassendiskriminierung, Geschlechterdiskriminierung oder Ungleichbehandlung wegen körperlicher oder psychischer Beeinträchtigungen) noch Thema ist, so lange die Welt offensichtlich weiterhin Benimmlisten und -bücher für den angebrachten Umgang mit all kind of beings braucht, werde auch ich gegen dieses Unvermögen, diese Vorurteile anschreiben. In Wahrheit steht hinter jedem Namen eine Beeinträchtigung, oft mehrere. Beschreibt uns nicht am besten, was wir tun, wie wir es tun, was wir mögen und nicht mögen? Sagt scheinbar Banales wie ein Hobby nicht mehr über uns aus, als eine Arztdiagnose, eine Zeugnisnote, eine Zeitungskritik?“
Daniela Emminger, geboren, am 21. Mai 1975 in Vöcklabruck, Oberösterreich, lebt als Schriftstellerin in Wien und anderswo, 2020/21 etwa als Writer-in-Residence an der NYU in New York City. Sie schreibt Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke, zuletzt: Zirkus.Braunau –Ein österreichisch-europäisches Glamourstück für politisch schwierige Zeiten. 2018 war sie mit Gemischter Satz für den Österreichischen Buchpreis nominiert. Sie ist Co-Produzentin der Literatursendung ÜBER: (www.ueber.tv) und ein Fan von Heliodor Doblingers Kunst.
Heliodor Doblinger, geboren am 22. Jänner 1972 in Salzburg, ist bildender Künstler und lebt/ arbeitet im Institut Hartheim in Alkoven, Oberösterreich. Er ist Preisträger des Euward 2002. Seine Bilder wurden unter anderem im Kleisthaus Berlin, Museum für Völkerkunde München, in der Landesgalerie Linz und Säulenhalle des Parlaments Wien ausgestellt.
Herausgeberin Kristiane Petersmann, geboren 1971, ist Künstlerin und Kuratorin. Sie leitet seit 2002 die KULTURFORMEN, eine Plattform für Kunst im Kontext mit kognitiven und multiplen Beeinträchtigungen in Oberösterreich.
Wer ein Buch von Daniela Emminger aufschlägt, weiß nicht, was ihn erwartet – erzählerische Konventionen sind nicht ihr Ding. In Kombination mit einem Hang zu verspielten, bewusst umständlichen Formulierungen, ergibt das eine der außergewöhnlicheren und pfiffigeren Stimmen der aktuellen Literatur aus Österreich. (TAZ)
Buchpräsentation/Vernissage:
25.10.2022, 18:00 Uhr, Café VIELE LEUTE, Pfarrplatz 4, 4020 Linz.
29.11.2022, 19:00 Uhr, FUTUREGARDEN, Schadekgasse 6, 1060 Wien