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Lifestyle | 14.06.2022

Diagnose Krebs: Warum gerade ich?

Die Diagnose Krebs ist für die Betroffenen zunächst einmal ein Schock. Bei vielen Menschen entsteht ein Gefühl der Angst, nicht selten wird die Krankheit verdrängt.

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© Shutterstock

Am Ordensklinikum Linz, dem Onkologischen Leitspital für OÖ, ist die psychologische Begleitung von Krebspatientinnen und -patienten ein integraler Bestandteil der Therapie.Im Interview erklärt Frau Mag. Christina Mayr-Pieper, Leiterin der Klinischen Psychologie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern, wie man Betroffenen in dieser schwierigen Situation beistehen kann. 

 

OBERÖSTERREICHERIN: Frau Mag. Mayr-Pieper, wie kann man Betroffenen, die die Diagnose Krebs erhalten, beistehen?
In Schocksituationen reagieren Menschen ganz unterschiedlich, wobei als psychischer Schock eine starke seelische Erschütterung, welche durch ein unerwartetes belastendes Ereignis, wie z. B. eine Krebserkrankung, verstanden wird. Solche akuten Belastungsreaktionen sind häufig von körperlichen Begleiterscheinungen gekennzeichnet. Das sind zum Beispiel eine starke innere Unruhe, Herzrasen, Schwitzen oder Zittern. Oftmals treten bestimmte Verhaltensreaktionen – wie der Wunsch, davonlaufen zu wollen oder zu erstarren – auf,  die von verschiedenen Gefühlen wie Wut, Ärger, Verzweiflung, Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit begleitet werden. Ebenso beschreiben Betroffene Merk- und Gedächtnisprobleme, die oftmals als sogenannter Filmriss beschrieben werden. 

 

Was braucht ein Mensch in solch einer Situation?
Unterstützung, die sich stabilisierend für die Betroffenen auswirkt. Das bedeutet jedoch nicht, das Krankheitsausmaß zu verleugnen oder gar zu bagatellisieren. Sätze wie „Das ist ja nicht so schlimm, das wird schon wieder“ sollten vermieden werden. Vielmehr geht es darum, offen für die Gedanken und Gefühle des Gegenübers zu sein und Raum und Zeit zur Aussprache bereitzuhalten. Ablenkung oder noch besser Zuwendung zu jenen Lebensbereichen, die Kraft geben und gut tun, sind wichtig, da sie Stabilität geben können. Auch kleine Gesten wie eine Umarmung können hilfreich sein, den Kontakt zum Gegenüber oder zum Gegenwärtigen wiederherzustellen. 

 

Wie sollte man reagieren, wenn man unsicher ist?
Wenn man unsicher ist, am besten einfach bei den Betroffenen nachfragen: „Möchtest du gehalten oder umarmt werden, möchtest du darüber sprechen, welche Gedanken gehen dir durch den Kopf?“ Da wir Menschen zum vorausschauenden Denken fähig sind, neigen wir gerade in so schwierigen belastenden Situationen dazu, uns mit allen möglichen Auswirkungen gedanklich auseinanderzusetzen. Dies kann aber gerade in den ersten Phasen nach einer Diagnose dazu führen, dass wir uns mit Situationen gedanklich beschäftigen, die wir noch gar nicht einschätzen können. Daher ist es wichtig, in solchen „Grübelmomenten“ die Betroffenen wieder in die Gegenwart zurückzuholen und den Gegenwartsbezug wieder bewusst herzustellen.

 

 

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Mag. Christina Mayr-Pieper, Leiterin der Klinischen Psychologie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. © Ordensklinikum

Warum gerade ich? Das ist sicher eine Frage, die sich Betroffene häufig stellen. 
Viele Menschen quälen sich mit dieser Frage. Das ist für mich als Psychoonkologin nachvollziehbar, auch wenn diese Frage in der Regel nicht – oder nicht zur Gänze – beantwortet werden kann. Dahinter steckt oft der Wunsch, eine Situation, die hilflos macht, also scheinbar unkontrollierbar ist, wieder unter Kontrolle zu bringen. Wir suchen ganz intuitiv nach Erklärungen und in weiterer Folge nach Lösungen, um das Leben, das aus den Fugen geraten ist, wieder verstehen und kontrollieren zu können. Viele Betroffene suchen auch nach Gründen, die sie in ihrer Persönlichkeitsstruktur vermuten. Doch an der Entstehung von Krebs sind zahlreiche verschiedene Faktoren beteiligt: Neben der erbbedingten Veranlagung gelten vor allem lebensstilbezogene Verhaltensweisen (Rauchen, Alkohol, einseitige Ernährung, Bewegungsmangel) und bestimmte Erreger von Infektionskrankheiten als wichtige Risikofaktoren.  Entgegen der landläufigen Meinung bestimmte Persönlichkeitstypen würden eher an Krebs erkranken, konnte in wissenschaftlichen  Studien kein sogenannter Krebstyp erkannt werden.

 

Der Alltag wird für alle Beteiligten auf den Kopf gestellt – was raten Sie?
Eine Krebserkrankung trifft nie nur die Erkrankten selbst, auch das Leben der Angehörigen verändert sich. Mit der Situation umzugehen, ist für viele Menschen schwierig. Die Diagnose Krebs kann Betroffene vor viele Herausforderungen und Veränderungen im Alltag stellen. Gerade wenn betreuungspflichtige Angehörige involviert sind, braucht es eine Neuorganisation für alle Familienmitglieder. Hier sollte man sich Zeit nehmen und darüber nachdenken, welche Form der Unterstützung wichtig ist. Dabei ist ein zentraler Punkt, die eigene Selbstbestimmung zu wahren und gemeinsam im Familienverband zu besprechen, wer was übernehmen kann bzw. soll, wo Entlastung nötig ist und was vom Betroffenen selbst geleistet werden möchte bzw. kann.

 

Wie sollen Freunde von Betroffenen damit umgehen?
Menschen, die einem nahestehen, zu unterstützen und Anteil zu nehmen,  das ist langfristig enorm wichtig im Prozess der Krankheitsbewältigung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Zeit braucht, bis die Gefühle, Empfindungen und Gedanken ausgedrückt werden können. Viele Betroffene wollen sich zunächst einmal über die Bedeutung der Erkrankungssituation auf das eigene Leben klar werden, bevor sie sich anderen zuwenden und Hilfe annehmen oder wertschätzen können. Also nicht gekränkt sein, wenn sich das Bedürfnis nach Nähe gerade in der ersten Zeit verändert. Ein und derselbe Mensch braucht vielleicht zeitweilig viel Zuwendung und ein paar Tage später Zeit für sich alleine. Es kann ungemein entlasten, wenn Menschen hören, dass dies in Ordnung ist und man auch später für den anderen da ist.

1. Juli 2022: „Reden wir über Krebs – Tag der Onkologie“

Das Ordensklinikum Linz ist Onkologisches Leitspital für OÖ und veranstaltet am 1. Juli 2022 ab 13 Uhr im Forum der OÖ Nachrichten (Promenade 25, 4020 Linz) einen Tag zum Thema Krebs.

Expertinnen und Experten des Ordensklinikum Linz informieren beim „Tag der Onkologie“ in Kooperation mit der OÖ Apothekerkammer in Thementalks und Infoständen über Krebstherapien, Vorsorge, neue Behandlungsmethoden und geben
Tipps zur Selbsthilfe. Eintritt frei!

 

BÜHNENPROGRAMM

13.00 Uhr: Schockdiagnose Krebs

14.00 Uhr: Der Krebs der Frau

14.30 Uhr: Wird Krebs heilbar?

15.00 Uhr: Der Krebs des Mannes

15.30 Uhr: Keine Angst vor den heilenden Strahlen!  Eine Patientin berichtet.

16.00 Uhr: Krebs im Bauchraum

16.30 Uhr: Zu viel des „Guten“! Haut-, Lungen- und Kehlkopfkrebs