Lifestyle | 22.06.2022
Besser essen bei Stress
Wie reagieren Sie, wenn es stressig wird? Bringen Sie kaum noch einen Bissen runter oder stopfen Sie sich vielmehr mit ungesunden Dingen voll? Welche Lebensmittel dann guttun und wie man in herausfordernden Zeiten besser essen kann, erklärt Diätologin Jutta Diesenreither im Interview.
OBERÖSTERREICHERIN: Süßigkeiten, fettreiches Fast Food, Unmengen an Kaffee: Bei Stress neigt man oft dazu, sich ungesund zu ernähren. Warum ist das so?
Jutta Diesenreither: Das hat unter anderem damit zu tun, dass bei Stress der Cortisolspiegel im Körper steigt, und das wiederum erhöht den Appetit. Außerdem gibt es Studien, die belegen, dass Stress sich auch negativ auf den Geschmackssinn auswirkt. Man hat das Gefühl, weniger zu schmecken. Das kann zügelloses, unkontrolliertes Essen zur Folge haben. Wobei man immer auch die Art des Stresses unterscheiden muss. Während akuter Stress, etwa bei einem Todesfall, häufig dafür sorgt, dass einem sprichwörtlich der Appetit vergeht, ist es bei chronischem Stress, der über einen längeren Zeitraum andauert, eher so, dass dieser zu vermehrtem Essen führt. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn man sich einsam fühlt oder mit sich selbst unzufrieden ist.
Ist das dann die bekannte Tafel Schokolade als Seelentröster?
Tatsächlich ist es so, dass meist zu süße und fettreiche Speisen gegessen werden – auf jeden Fall Lebensmittel mit hohem Kaloriengehalt. Oft ist es ein unbewusstes Essen nebenbei, fast wie eine Gewohnheit. Darum arbeite ich bei Frustessern gern mit Strukturen. Das bedeutet, dass es zum Beispiel fixe Essenszeiten am Tag gibt, damit diese Esserei zwischendurch ein Ende hat. Wichtig ist auch, zu wissen, dass nicht aus einem Hungergefühl heraus gegessen wird, sondern es sich lediglich um Appetit handelt. Außerdem ist es hilfreich, den Auslöser zu erkennen. Ansonsten ist es schwierig, sein Verhalten zu ändern. Das kann bei Erwachsenen manchmal schon aus der Kindheit kommen. Man isst zum Beispiel aus Langeweile oder weil man nicht lernen möchte. Die Pandemie hat das nicht besser gemacht.
Wenn man gestresst ist, leidet meist auch die Ernährung darunter. Das ist aber genau der verkehrte Weg, oder?
Definitiv, weil wir gerade in herausfordernden Zeiten etwas Nahrhaftes brauchen, das Körper und Geist guttut. Allerdings verstehe ich, dass man genau dann keine Energie mehr für Essenszubereitung und Nahrungsaufnahme hat. In diesem Fall wäre es gut, vorzukochen und die Speisen portionsweise einzufrieren. Suppen eignen sich dafür zum Beispiel hervorragend. Dann braucht man das Essen nur noch erwärmen, wenn es stressig ist. Wobei auch nichts gegen ein Leberkässemmerl spricht, wenn es die Ausnahme bleibt. Und es ist nicht so, dass jedes Fast Food per se schlecht und ungesund ist. Mit Gemüse gefüllte Wraps oder Döner mit Falafel sind völlig in Ordnung. Sogar in Supermärkten ist das Angebot mittlerweile entsprechend groß. Man muss also nicht immer selbst kochen und sich das Leben schwerer als nötig machen. Und es muss auch gar nicht jeden Tag ein ausgewogenes Essen sein – ich bin realistisch genug zu wissen, dass sich das bei den meisten ohnehin nicht ausgehen würde.
Haben Sie ein paar Tipps, die sich relativ leicht im Alltag umsetzen lassen – auch wenn es stressig ist?
Das Vorkochen habe ich bereits angesprochen. Eine andere Möglichkeit ist, sich einen Vorrat an drei bis vier Lebensmitteln zuzulegen, aus denen man ganz schnell eine gute Mahlzeit zubereiten kann. Ich habe zum Beispiel immer passierte Tomaten und Thunfisch in der Dose daheim. Daraus lässt sich im Handumdrehen eine Pasta zaubern, ohne dass ich dafür vorher noch mal einkaufen fahren müsste. Ein ausgewogenes Frühstück wäre eine weitere Möglichkeit für einen guten Start in den Tag. Warmer Porridge zum Beispiel oder ein Müsli, das am Vorabend hergerichtet und im Kühlschrank über Nacht quellen kann. Außerdem ist es dann auch nicht so tragisch, wenn das Mittagessen nicht ganz so optimal ausfällt. Besonders wichtig ist das übrigens für Menschen, die unter Stress empfindlicher werden und gewisse Nahrungsmittel dann nicht mehr so gut vertragen.
Gibt es Lebensmittel, die uns stressresistenter machen? Die man sozusagen vorbeugend essen kann?
Das sind in erster Linie Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte. Dazu zählen Samen, Nüsse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Fisch, Gemüse und fettarme Milchprodukte. Sie liefern vor allem die Vitamine D und B, das wir für unser Gehirn und eine bessere Konzentration brauchen.