Liebe im Angesicht des Todes

Die international erfolgreiche Schauspielerin Valerie Pachner (35) aus Bad Schallerbach spielt im Salzburger Jedermann 2023 nicht nur die Buhlschaft, sondern auch den Tod. Eine absolute Premiere in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Festpielklassikers von Hugo von Hofmannsthal.

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© Salzburger Festspiele/Mathias Bothor

Valerie Pachner ist in Bad Schallerbach aufgewachsen, hat ein Jahr lang in Honduras gelebt und Red-Carpet-Feeling bei den Filmfestspielen in Cannes erlebt. Von Franziska Jägerstätter über Egon-Schiele-Muse Wally Neuzil bis hin zu Martha Myers, einer Witwe in der britischen Westernserie „The English“, wo sie an der Seite von Emily Blunt spielte – Valerie Pachner hat sich mit ihrer authentischen Verkörperung starker Frauenrollen längst im internationalen Filmbusiness einen Namen gemacht. Kein Wunder, dass ihr nun Bettina Hering, Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, mit der Buhlschaft eine der begehrtesten Frauenrollen im deutschsprachigen Raum angeboten hat.  

Anfrage per Telefon. „Es ist tatsächlich ein Anruf, in dem man gefragt wird, ob man die Buhlschaft im ‚Jedermann‘ spielen möchte“, schildert Valerie Pachner. Die Freude über das Telefonat war groß, zumal die 35-jährige Oberösterreicherin, die in Berlin lebt, auch den Tod spielen wird – eine absolute Premiere beim diesjährigen Festspielklassiker am Domplatz in Salzburg. 

Was für Valerie Pachner den Reiz an der Rolle der Buhlschaft ausmacht und was es ihr bedeutet, auch den Tod zu spielen, hat uns die sympathische Schauspielerin im Interview verraten. 

Frau Pachner, Sie sind in Bad Schallerbach, am Land, aufgewachsen. Wie war das?
Valerie Pachner: Es war eine Mischung aus ländlicher Schönheit und ländlicher Einöde. Als Kind habe ich viel draußen in der Natur gespielt, als Teenager war es dann schon etwas beschaulich in Bad Schallerbach. 

Wann begannen Sie, sich für die Schauspielerei zu interessieren?
Das Interesse begann in meiner Jugend, mit dem Drang, neue Menschen und neue Dinge kennenzulernen. Ich war ein eher schüchternes Mädchen und die Schauspielerei war ein Ventil, um auf eine etwas andere Art und Weise in Kontakt mit Menschen zu treten. Meine Firmpatin hat mich dann im Alter von 16 Jahren auf die Idee gebracht, an einem Schauspielworkshop in Graz teilzunehmen. Von da an fühlte ich mich zu diesem Beruf hingezogen.

Nach Ihrer Gymnasialzeit in Wels gingen Sie für ein Jahr nach Honduras. Was genau haben Sie dort gemacht?
Ich habe in Projekten gearbeitet, die den interkulturellen Austausch fördern. Dabei war ich in einem Rehazentrum tätig und habe für ÄrztInnen und PatientInnen übersetzt. Außerdem habe ich auch ein Straßentheater mit Kindern und Jugendlichen, die viel Zeit auf der Straße verbrachten, organisiert. Nach dem Jahr in Honduras habe ich in Wien das Studium Internationale Entwicklung belegt und parallel dazu Germanistik studiert. 

© Salzburger Festspiele/Mathias Horn

Dennoch hat Sie Ihre Leidenschaft zur Schauspielerei nicht losgelassen …
Ja, genau. Diese Leidenschaft hat überwogen und so habe ich von 2009 bis 2013 das Max Reinhardt Seminar absolviert.

Gleich danach wurden Sie festes Mitglied des Ensembles am Residenztheater in München und erhielten für Ihre Arbeit dort 2016 den Bayrischen Kunstpreis. Ist das Max Reinhardt Seminar ein Garant für eine erfolgreiche Schauspielkarriere?
Ein Garant würde ich nicht sagen. Das Max Reinhardt Seminar ist eine hervorragende Ausbildungsstätte und ein sehr guter Anfang, aber zu einer erfolgreichen Karriere gehören Talent, Fleiß und natürlich auch ein Quäntchen Glück.

Sie spielten im  Jägerstätter-Film „Ein verborgenes Leben“ die weibliche Hauptrolle der Franziska Jägerstätter, waren in der  „The King‘s Man“-Reihe an der Seite von Ralph Fiennes, Rhys Ifans und Daniel Brühl zu sehen und spielten im  Western-Drama „The English“ neben Stars wie Emily Blunt, Chaske Spencer und Stephen Rea. Was würden Sie sagen war Ihr Durchbruch?
Das war sicher die Premiere des Films „Ein verborgenes Leben“ bei den Filmfestspielen in Cannes. Ich würde das allerdings nicht so sehr als Durchbruch, sondern eher als Meilenstein in meiner Karriere bezeichnen, der einem wunderschönen Edelstein gleicht. 

Was muss eine Rolle haben, damit Sie zusagen?
Ich bin mittlerweile sehr wählerisch geworden. Die Regie, die Geschichte … – im Endeffekt muss das Gesamtpaket passen. Dabei kommt es gar nicht so sehr darauf an, wie groß eine Rolle ist. Es muss mich interessieren, was ich mit dieser Rolle erzählen kann. 

Franziska Jägerstätter in „Ein verborgenes Leben“, Lola aus „Der Boden unter den Füßen“ – wie sehr tauchen Sie in diese Rollen starker Frauen ein?
Diese Rollen nach Drehschluss abzugeben, gelingt mir nicht allzu gut. Die Figuren bleiben lange bei mir und hängen oft auch noch länger nach. Das kann sogar körperlich sein. 

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie den Anruf erhalten haben, dass Sie die Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen sein sollen?
Ich war überrascht und habe mich sehr gefreut. Vor allem, weil von Anfang an klar war, dass ich auch den Tod spielen sollte. Nicht nur Love Interest, sondern auch Antagonistin zu sein, finde ich sehr reizvoll. Und es ermöglicht mir, als Schauspielerin mehr zu erzählen.

In Theaterkreisen heißt es, die Buhlschaft sei die größte kleinste Rolle. Was macht den Reiz dieser Figur für Sie aus? Was assoziieren Sie mit der Rolle?
Zunächst assoziiere ich mit dieser Rolle schon das offensichtlich ungleiche Geschlechterverhältnis. Die weibliche Hauptfigur erfüllt die Rolle der Liebschaft und alle wollen wissen, welches Kleid sie trägt, während die männliche Hauptfigur die ganze Geschichte trägt. Auf einer kulturgeschichtlichen Ebene macht aber genau das den Reiz aus: Wer bin ich als diese Frau im Jahr 2023, die viel Aufmerksamkeit für ihren Körper, aber wenig Sätze bekommt? Auf rein inhaltlicher Ebene interessiert mich das allegorische Gewicht der Figur. Wofür steht sie – Eros, Lebendigkeit, Freude, das Gegenteil von Tod? Und was passiert mit der Liebe im Angesicht des Todes?

Wenn Sie sich die bisherigen Buhlschaften anschauen, gibt es eine, die Sie besonders mögen, die Sie inspiriert?
Ich finde, alle haben gleichermaßen eindrucksvoll und auf ihre eigene Art dieser Rolle viel gegeben. Die lange zurückreichende Geschichte dieser Figur und ihrer unterschiedlichen Darstellerinnen ist inspirierend.

Was erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Sturminger?
In unseren ersten Gesprächen habe ich ihn als sehr offenen, aufmerksamen Gesprächspartner erlebt. Er hat viel Erfahrung mit dem Stück, kann einen also auf vieles, was diese Arbeit mit sich bringt, vorbereiten. Gleichzeitig will er auch wieder nach neuen Ansätzen suchen, worauf ich mich sehr freue.

Schauspieler Michael Maertens, Ensemblemitglied des Wiener Burg-
theaters und auch ein wesentlicher Festspielkünstler ist der neue „Jedermann“. Kannten Sie ihn schon persönlich?

Nein, ich kannte zwar seine Arbeit, aber persönlich habe ich ihn erst jetzt in Salzburg kennengelernt. Die Chemie zwischen uns stimmt (lacht). 

Was denken Sie, weshalb das Stück „Jedermann“ über ein Jahrhundert hinweg so erfolgreich aufgeführt wird?
Einerseits gibt es, glaube ich, eine Faszination für und eine Sehnsucht nach wiederkehrender Tradition. Solche Wiederholungen können Halt geben und Raum für Reflexion bieten. Andererseits liegt es wohl auch am Gesamterlebnis, das dem „Jedermann“ innewohnt: dem Domplatz, dem Glockenläuten, den Jedermann-Rufen, den allegorischen Figuren – und nicht zuletzt: dem Wettlauf mit dem Tod.

Woran arbeiten Sie momentan?
An meinen Rollen für den „Jedermann“. Intensiv zu proben beginnen wir im Juni in Salzburg. 

Was verbinden Sie als gebürtige Oberösterreicherin mit Salzburg?
Tatsächlich vor allem die Salzburger Festspiele. Als ich noch am Max Reinhardt Seminar studiert habe, war ich im Sommer zum ersten Mal da und es war alles sehr aufregend.

Bad Schallerbach ist gut eine Autostunde von Salzburg entfernt. Ihr Auftritt beim „Jedermann“ (Premiere am 21. Juli) ist quasi auch ein Heimspiel. Sind Sie vor solchen Auftritten noch nervös?
Ja, zumal ich seit vier Jahren wieder das erste Mal auf einer Bühne und nicht vor einer Kamera stehe. Und soviel ich weiß, wird auch ein Bus aus Bad Schallerbach anreisen.

Zur Person: 

Valerie Pachner wurde 1987 in Wels geboren und ist in Bad Schallerbach aufgewachsen. Von 2009 bis 2013 absolvierte sie das Max Reinhardt Seminar und wurde 2013 festes Mitglied des Ensembles am Residenztheater in München. 

– Parallel zu ihrer Bühnenarbeit übernahm Valerie Pachner erste Kinorollen.  Im Kinofilm „Bad Luck“, der 2015 für den Max Ophüls Preis nominiert war, spielte sie ihre erste Hauptrolle. Für ihre Darstellung der Wally Neuzil in „Egon Schiele: Tod und Mädchen“ wurde sie mit dem österreichischen Filmpreis und der Romy als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet.

– 2016 erhielt sie ihr erstes internationales Engagement in der weiblichen Hauptrolle der Franziska Jägerstätter im  Weltkriegsdrama „Ein verborgenes Leben“ (Originaltitel: A Hidden Life). Der Film lief 2019 bei den Filmfestspielen in Cannes. Für die Hauptrolle in Marie Kreutzers „Der Boden unter den Füßen“ (2019) wurde Pachner mit dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet und für den österreichischen Filmpreis als beste Darstellerin nominiert.

– 2021 war sie in dem Prequel der international erfolgreichen „The King‘s Man“-Reihe unter der Regie von Matthew Vaughn an der Seite von Ralph Fiennes, Rhys Ifans und Daniel Brühl auf der Leinwand zu sehen. Im Jahr darauf im dritten Teil des Harry-Potter-Spin-offs „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse“.

– Im Western-Drama „The English“ übernahm Valerie Pachner eine Ensemble-Hauptrolle, gemeinsam neben Emily Blunt, Chaske Spencer und Stephen Rea.

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