Zwischen Hingabe und Verweigerung

Die aus Ottensheim stammende und in Berlin lebende Schauspielerin Sophie Rois (62) beweist einen beeindruckenden Werdegang.

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Warum sie aber die Falsche ist, wenn es um Ratschläge für eine gelungene Karriere geht, hat sie uns im Interview verraten. Am 1. Oktober kann man die passionierte Sprachkünstlerin
live am Internationalen Brucknerfest in Linz erleben.

Theater, Film, Fernsehen, Hörbücher, Sprechrollen – Sophie Rois‘ Karriere beeindruckt auf allen Ebenen. Am 1. Oktober 2023 kommt sie zurück in ihre Heimat Oberösterreich. Gemeinsam mit dem französischen Pianisten David Kadouch macht sie sich beim Internationalen Brucknerfest als Sprecherin auf die Spuren der legendären literarischen Figur Madame Bovary. Was die Zuschauerinnen und Zuschauer im Linzer Brucknerhaus erwartet, wie sie zur Schauspielerei gekommen ist und warum immer noch etwas Punk-Attitüde in ihr steckt, erzählte uns Sophie Rois im Interview. 

Frau Rois, Sie sind in Linz geboren, in Ottensheim aufgewachsen und machten dort zunächst eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau. Wie kamen Sie zur Schauspielerei?

Ich habe heute noch Träume vom Rois‘schen Lebensmittelgeschäft, etwas vom Schlaraffenland haftete ihm an. Nach drei Jahren, als die Lehre beendet und die letzte Wurstsemmel geschmiert war, haben meine Eltern den Laden zugemacht. Von der Schauspielerei habe ich mir jede Menge Vergnügen versprochen, und dass man dafür nicht so früh aufstehen muss – genauso ist es auch gekommen.

Ihren Durchbruch feierten Sie an der Volksbühne Berlin, auf der Sie lange mitwirkten und auch auf den verschiedensten Bühnen in Wien, Salzburg, Hamburg und Zürich feierten Sie Ihre Erfolge. Was lieben Sie an der Bühne? 

Dass da andere Gesetze herrschen als im unübersichtlichen, ausgefransten Alltag. Wie sich das Leben verdichtet, sich die Dinge verzerren, das Leben bekommt einen Rahmen, in dem ich frei bin. Hingabe und Verweigerung – und dazwischen hält man sich auf. Und manchmal entsteht sogar so etwas wie Schönheit. Wie heißt es bei Ingmar Bergman: „Schauspieler, sie stiften Verwirrung und Ergriffenheit!“ Wenn es denn gelingt …

Nicht nur am Theater, auch in Film und Fernsehen konnten Sie überzeugen. Was mögen Sie lieber? Vor der Kamera oder auf der Bühne zu stehen? 

Ob auf der Bühne oder vor der Kamera, wenn ich mit den falschen Leuten arbeite, wenn mich deren Blick auf die Dinge nicht interessiert, dann mag ich weder das eine noch das andere.

Welche Art von Rollen reizt Sie am meisten und warum?

Zuerst ist es die Literatur, die Sprache des Stückes überhaupt, was mich abstößt oder reizt. Aber grundsätzlich ist es der konkrete Zusammenhang: Wie sieht die Versuchsanordnung aus? Der Humor, den man im besten Fall teilt mit Regie und Schauspielern, das Welt- und Menschenbild, mit dem man die Sache angeht. 

Gibt es eine bestimmte Rolle oder ein bestimmtes Stück, von dem Sie schon immer geträumt haben, es zu spielen?

Kennen Sie das, wenn man etwas geschenkt bekommt, von dem man gar nicht gewusst hat, dass man es sich wünscht?! So erging und ergeht es mir immer wieder. In den ersten Jahren an der Volksbühne war ich schier überwältigt, ich konnte es nicht fassen, wer sich da zusammengefunden hatte, wie die drauf waren! Oft ein Arbeiten gegen jede Wahrscheinlichkeit des Gelingens und ein ungebremster Wille zur Unterhaltung. Das war besser als alles, was ich mir hätte erträumen können.

Was würden Sie Newcomer-Schauspielerinnen raten? Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? 

Ratschläge für eine gelungene Karriere? Da bin ich die völlig Falsche. Das große Erfolgsversprechen, das mit einer Produktion womöglich einhergeht, das ging mir schon immer auf die Nerven. Ich war Teenager in der 70er-Jahren, ein Kind der Kreisky-Ära: „Erfolg“ an sich, ohne jede ästhetische Komponente, war nicht von Interesse. Dafür war man in meinem Freundeskreis zu arrogant. Es herrschte die Punk-Attitüde, Aussichtslosigkeit als Ausgangspunkt des fröhlichen Handelns. Dieses „Du kannst es schaffen, wenn du nur wirklich willst“-Gestrampel fing dann in den 80er-Jahren an. Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als ich zum ersten Mal einen jungen Menschen vom „Erfolgserlebnis“ reden hörte und ich ihn innerlich bedauerte, weil er nichts Interessanteres zu erzählen hatte. 

Sie arbeiten auch als Sprecherin für Hörbücher und Kinderfilme. Wie kam es dazu? 

Wenn man Schauspielerin ist und sprechen kann, bekommt man gelegentlich solche Angebote – und es ist toll. Die Sorge „Oh Gott, gleich wird die erste Klappe geschlagen und meine Augenlider sind noch immer nicht abgeschwollen“ fällt weg, keine Maskenbildnerin fummelt an dir rum, keiner sieht dich – es gibt nur dich und das Mikrofon.

Am 1. Oktober kann man Sie live am Brucknerfest erleben. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher? 

Die berühmte Madame Bovary. Auszüge aus einem messerscharfen, gnadenlosen Roman. Ich freue mich sehr auf diesen Abend.

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Sophie Rois & David Kadouch:
Madame Bovary und die Musik

1. Oktober 2023, 18:00 Uhr
im Brucknerhaus Linz

Infos und Tickets unter
www.brucknerhaus.at

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