Victoria Max-Theurer: Die mit dem Pferd tanzt

Die Spitzensportlerin im Coverinterview.

11 Min.

Victoria Max-Theurer: Erfolgreich im Sattel. © CDI Achleiten

Mit eleganter Leichtigkeit und harmonischer Präzision lenkt Victoria Max-Theurer ihre Pferde durch die Dressurprüfung und zählt zu den erfolgreichsten Reiterinnen Österreichs. Wie sich die 37-Jährige auf die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris vorbereitet und wie wichtig dabei die tiefe Bindung zum Pferd ist, hat uns die sympathische Spitzensportlerin im Interview erzählt. 

Die Freude des österreichischen Dressurreitteams über Rang sieben bei der EM in Riesenbeck im vergangenen September war groß, denn damit rückt die OEPS-Equipe mit Victoria Max-Theurer, ihrem Lebensgefährten Stefan Lehfellner, Christian Schumach und Florian Bacher den Olympischen Spielen 2024 in Paris ein großes Stück näher. Für Victoria Max-Theurer wären es bereits die fünften Spiele. Wer es allerdings ins Quartett für Paris schafft, entscheidet sich erst bei der Nominierung Anfang Juli 2024.

Von Kindesbeinen an im Sattel.

Ihre Leidenschaft für Pferde und den Reitsport wurde Victoria Max-Theurer quasi in die Wiege gelegt. Bereits im zarten Alter von zwei Jahren schwang sich die Tochter von Dressurreit-Olympiasiegerin Sissy Max-Theurer und Erfolgstrainer Hans Max-Theurer in den Sattel – damals allerdings noch von Ponys. 2003 holte die Kremstalerin ihren ersten österreichischen Staatsmeistertitel und mit 17 Jahren feierte sie, übrigens als jüngste Teilnehmerin, bei der Europameisterschaft in Hickstead/GB ihr Debüt, was den Beginn einer steilen Karriere markierte. 

BEREIT FÜR DIE OLYMPISCHEN SPIELE IN PARIS. Victoria Max-Theurer, ihr Lebensgefährte Stefan Lehfellner (l.) und Christian Schumach (r.). © Jasmin Walter

Erfolgreich im Sattel.

Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften – die Liste der prestigeträchtigen Turniere, an denen Victoria Max-Theurer bisher teilnahm, ist lang. Nicht nur auf internationalem Parkett überzeugt die sympathische Reiterin, auch national dominiert sie die Dressurszene mit 13 Staatsmeistertiteln. Mit ihrem aktuellen Spitzenpferd, dem Wallach „Abegglen“,  tanzt sie zu harmonischen Klängen durch die Prüfungen und begeistert Publikum wie Richter gleichermaßen.

Frau Max-Theurer, die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris stehen vor der Tür. Haben Sie nach Ihrem Erfolg mit dem österreichischen Dressurreitteam bei der EM in Riesenbeck im Vorjahr das Olympia-Ticket als Team quasi in der Tasche?

Victoria Max-Theurer: Wir haben zwar einen Startplatz für Österreich geholt, dabei handelt es sich allerdings nur um einen Quotenplatz. Das heißt, die Mannschaft, die diesen in Anspruch nehmen darf, wird erst nominiert. Das sind drei Reiter plus eine Reserve. 

Was genau bedeutet das?

Unsere Ausgangspositionen sind gut, weil wir im Olympiakader sind, aber wir beginnen jetzt erst die Saison und die tatsächliche Nominierung findet Anfang Juli 2024 statt. Somit kann ich noch nicht von einer Qualifikation sprechen. Das mache ich auch nicht, da bin ich sehr abergläubisch.  

Paris wäre Ihre fünfte Teilnahme bei Olympischen Spielen. 2004 waren Sie in Athen sogar die jüngste Teilnehmerin im Dressurreiten. Wird ein großes Sportereignis wie Olympia jemals zur Routine?

Nein, Routine wird das sicher nicht. Olympische Spiele sind und bleiben für jede Sportlerin und jeden Sportler etwas Besonderes. Aber man weiß von Mal zu Mal mehr, was auf einen zukommt und kann die Abläufe und die Bürokratie besser einschätzen. Beeindruckend ist für mich auch immer wieder der Kontakt mit den Athletinnen und Athleten von Sportarten, mit denen man sonst keine oder wenige Berührungspunkte hat. Das ist für mich auch das, was die Olympischen Spiele ausmacht.

Sie sind Spitzensportlerin, bereiten sich gerade auf die Olympiateilnahme vor und arbeiten nebenbei auch auf der familieneigenen Reitanlage Schloss Achleiten in Rohr im Kremstal. Wie geht sich das alles aus?

Die Reitanlage betreibe ich gemeinsam mit meinem Lebensgefährten Stefan Lehfellner. Natürlich ist das viel Arbeit und momentan gehen wir es ruhiger an, weil unser Fokus in der Vorbereitung auf den Qualifikationsprozess der Olympischen Spiele liegt. Das funktioniert nur, weil wir ein Top-Team haben, auf das wir vertrauen können.

Das Besondere am Reitsport ist sicher, dass Frauen und Männer nicht nach Geschlecht getrennt sind!

Victoria Max-Theurer

Tritt man bei großen Turnieren nur mit dem Pferd an, mit dem man sich vorbereitet hat oder gibt es, im Fall von Krankheit oder Verletzung des Tieres, ein Reservepferd?

Das ist ganz unterschiedlich, aber natürlich ist es schön, wenn man die Möglichkeit hat, auf zwei Pferde vertrauen zu dürfen. Ob Verletzung oder Infektion, es kann immer etwas dazwischenkommen. Grundsätzlich bereitet man sich aber mit „seinem“ ganz speziellen Pferd vor. Man kann es nicht einfach austauschen wie ein Sportgerät. Die Pferde, mit denen wir bei den Olympischen Spielen antreten, sind auf dem höchsten Wettkampfniveau, das es international gibt, ausgebildet. Ein Pferd ist ein Lebewesen, zu dem man eine besondere Bindung und Einstellung hat, da muss die Chemie beidseitig passen. 

Ihr Pferd heißt „Abegglen“, wie die Schweizer Fußballlegende Max Abegglen. Ihre Mutter hat ein Pferd namens „Alaba“. Sind Sie beide Fußballfans?

Nein, aber üblicherweise haben die Pferde bereits einen Namen, wenn sie zu uns kommen. Wir taufen sie nicht um, weil das angeblich Unglück bringen soll. Da ihre Taufnamen manchmal sehr kompliziert und lang sind, geben wir unseren Pferden Spitznamen oder besser gesagt: Stallnamen. Somit ist Abegglen „Abie“ (lacht).

Ihre Mutter Sissy Max-Theurer gewann vor 40 Jahren bei den Olympischen Spielen in Moskau die Goldmedaille im Dressurreiten. Ihr Vater Hans war ein sehr erfolgreicher Trainer, war es da aufgelegt, eine Karriere im Reitsport anzustreben?

Nein, überhaupt nicht, es war einfach von Anfang an meine Leidenschaft. Da meine Eltern im selben Metier tätig sind oder waren – mein Papa ist leider vor fünf Jahre verstorben –,  konnte ich von Kindesbeinen an in den Pferdesport reinschnuppern. Dadurch darf ich auf eine wirklich fundierte und solide Grundausbildung zurückschauen. Papa war ewig lang mein Trainer und – auch als er sich aus dem täglichen Training zurückgezogen hat – war er immer für mich da. Das weiß ich sehr zu schätzen und bin unglaublich dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, mich in einem wirklich tollen Umfeld zu entwickeln.

Wer ist aktuell Ihr Trainer bzw. Ihre Trainerin?

Stefan und ich arbeiten mit der deutschen Dressurreiterin Isabell Werth. Sie ist die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten und wird hoffentlich auch bei den Olympischen Spielen in Frankreich als Reiterin aktiv vor Ort sein. Isabell war mehrfache Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin, hat über Jahrzehnte mehrere Goldmedaillen geholt und ist eine absolut herausragende Pferdefrau. Inzwischen verbindet uns eine Freundschaft und wir sind sehr dankbar, dass sie sich die Zeit nimmt, uns zu unterstützen.

Ihr Lebensgefährte Stefan Lehfellner betreibt den Reitsport genauso wie Sie und ist auch Olympiaanwärter. 

Stefan war vergangenes Jahr im EM-Team, das diesen Platz erritten hat, und er war 2022 auch auf seinem ersten Championat bei der Weltmeisterschaft in Herning dabei. Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass wir diesen Sport gemeinsam ausüben, sowohl in der täglichen Arbeit als auch bei Turnieren. Das ist etwas ganz Besonderes. 

Wie ist das bei einem Turnier, wenn Sie Ihrem Partner zusehen? Sind Sie da sehr nervös?

Ja, das ist furchtbar. Das Zuschauen ist für mich schlimmer, als selber zu reiten. Diese acht Minuten, wo ich am Rand stehe und nichts machen kann, sind nervlich sehr aufreibend.  

Machen Sie vor den Bewerben auch Mentaltraining oder etwas in diese Richtung?

Ehrlicherweise habe ich mich damit lange nicht befasst und erst vor Kurzem meinen Zugang dazu gefunden. Ich beschäftige mich nun mehr mit dem Thema und finde es sehr interessant. 

Wie viel trainieren Sie mit Abegglen? 

Das ist ganz unterschiedlich und hängt damit zusammen, ob Turniere stattfinden, in welchem Zeitraum ein Turnier ansteht oder ob man bereits vor Ort auf einem Turnier ist. Nach einem Turnier haben die Pferde dann viel Freizeit. Da geht es nur um ein bisschen Bewegung, Paddock und dergleichen. Ansonsten arbeiten wir die ganze Woche hindurch aufbauend. Wenn kein Turnier ansteht, dann feilt man mit einem jungen Pferd am Sprung in die nächste Klasse oder an einer Lektion, die es zu üben gilt, und macht eine eigene Kür. Im Fokus ist aber immer die optimale Betreuung und der Aufbau des Pferdes. Das kann man mit „zweibeinigen“ Sportlern vergleichen. Was für den einen funktioniert, geht für den anderen nicht. Jeder ist anders, jeder sieht das anders. Es geht darum, sich einzufühlen und sich gemeinsam mit dem Pferd zu entwickeln.

© OEPS Tomas Holcbecher

Was macht im Dressurreiten eine Kür aus, was ist die Herausforderung? 

In der Kür gibt es eine bestimmte Anzahl an Pflichtlektionen, die man selber anordnen und zur Musik präsentieren kann. Das Ganze immer abgestimmt auf die Stärken und Schwächen des Pferdes. Das ist das Grundgerüst, die technische Anforderung. Das, was die Kür aber eigentlich ausmacht, ist Harmonie und irgendwann fast blindes Verständnis. Das alles zu präsentieren und gemeinsam – in Abstimmung harmonisch mit dem Pferd – zu agieren, sodass es leicht aussieht, ist die Herausforderung. 

Ihre Mutter war 1980 Olympiasiegerin, 1979 Europameisterin und sie ging auch bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 und 1992 in Barcelona an den Start. Wie hat sich der Reit-sport seither entwickelt?

Genauso wie andere Sportarten hat sich auch der Reitsport verändert. Bei uns hat sich vor allem die Pferdezucht sehr stark weiterentwickelt. Die Pferde sind noch zielgerichteter gezüchtet, um von den Bewegungsmöglichkeiten und den positiven Eigenschaften her das Optimum zu finden. Außerdem ist der Pferdesport viel breiter geworden, auch an der Spitze. Inzwischen sind bei den Weltmeisterschaften in der Regel zwischen 90 und 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer  im ersten Bewerb dabei. Der Sport an sich hat sich verfeinert und auch die Prüfungen haben sich verändert. Sie sind nicht leichter oder schwieriger geworden, aber anders. Das Besondere am Reitsport ist sicher, dass Frauen und Männer nicht nach Geschlecht getrennt werden. 

Sie mischen international kräftig mit und sind auf Platz 20 in der Weltrangliste. Ist das richtig?

Das war ich über den Winter, bin aber von der Platzierung zurückgerutscht, weil wir aufgrund der Vorbereitung für die Olympiaqualifikation in den vergangenen Monaten nicht an internationalen Turnieren teilgenommen haben. Dadurch ist mir in jenem Zeitraum, in dem die Weltrangliste berechnet wird, ein Großteil der Ergebnisse herausgefallen. Was aber nicht das aktuelle Leistungsniveau an sich widerspiegelt, denn die Weltrangliste wird nur die letzten acht Monate gerechnet.  Meine Topplatzierung war in den letzten Jahren immer um die 20.

Ist Ihre Mutter noch immer Ihre enge Beraterin und bei Turnieren dabei?

Persönlich ist sie nicht jedes Mal anwesend, weil sie sehr viel zu tun hat und wir unseren Trainingsplan und die Abwicklung selbstständig machen. Aber natürlich ist sie emotional immer dabei und steht uns mit Rat und Tat zur Seite.

Man geht jeden Weg mit den Pferden, auch wenn es der letzte ist. Das ist die Verantwortung, die man übernimmt!

Victoria Max-Theurer

Sie sind mit Pferden aufgewachsen und auch abseits des Sports gab es ein Leben mit Pferden. Was macht diese Tiere so besonders?  

Pferde sind sehr kluge und ganz besondere Lebewesen in einer entsprechenden Größe, wo es gilt, sich mit ihnen zu verbinden und einen Weg zur Zusammenarbeit zu finden. Das kann ein unglaublich geniales Gefühl sein. Pferde sind für uns Familienmitglieder. Mein Erfolgspferd „Augustin“ ist bei uns geboren und aufgewachsen. Mit ihm erzielte ich bei den Olympischen Spielen in London Rang 13, bei der Weltmeisterschaft Rang 6 und bei der Europameisterschaft Rang 5. Das sind Ereignisse, die verbinden. „Augustin“ lebt Gott sei Dank noch und ist bei uns in Pension. Man geht jeden Weg mit den Pferden, auch wenn es der letzte ist. Das ist die Verantwortung, die man übernimmt. 

Gibt es auch abseits des Reitens Hobbys?

Nein, im Prinzip nicht. Da der Pferdesport sehr intensiv ist und man in der Regel sieben Tage die Woche/52 Wochen im Jahr beschäftigt ist. Vor allem wenn man sich auf ein internationales Championat vorbereitet, ist das Ganze sehr zeitintensiv. Aber wenn man mit dem Herzen dabei ist, spielt das keine Rolle. 

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