Unbemerkt Schwanger

Mit Verdacht auf Nierenversagen wurde Lea Lenz vor sechs Jahren ins Krankenhaus eingewiesen. Noch im Rettungsauto wurde ihr mitgeteilt, dass sie kurz vor der Geburt eines Kindes steht. Warum sie die Schwangerschaft nicht bemerkt hat und weshalb sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit geht, hat uns die 23-jährige Marchtrenkerin im Interview erzählt.

7 Min.

© Privat

Und plötzlich ist da ein Baby. Ohne Vorwarnung. Ohne Vorbereitung. Trotz Verhütung. Immer wieder hört oder liest man über Frauen, die bis zur Geburt nicht wissen, dass sie schwanger sind. Nicht selten werden Betroffene von der Gesellschaft als naiv und unwissend abgestempelt. Davon kann auch Lea Lenz aus Marchtrenk ein Lied singen. Mit 17 Jahren wurde sie von einem Tag auf den anderen Mutter. Die krasse Veränderung ihrer Lebenssituation, die plötzliche Verantwortung für ein Kind sowie die schrägen Blicke von Menschen im Ort machten ihr lange Zeit mental zu schaffen.

Frau Lenz, man liest und hört es immer wieder, dass Frauen neun Monate lang schwanger sind, ohne es zu merken. Wie war das bei Ihnen?
Ich würde sagen, es hat alles perfekt zusammengepasst. Ich wurde damals im Jänner am Knie operiert und habe danach ein paar Kilo zugenommen. Da ich nach der OP nicht sporteln konnte, habe ich mir auch nichts dabei gedacht. Dann kam der Sommer, anfangs bin ich noch baden gegangen und war viel draußen unterwegs. Aber von einem Tag auf den anderen wollte ich nicht mehr raus und habe viel ferngesehen, obwohl ich normalerweise eine Fernsehhasserin bin. Irgendwie habe ich mich nicht wohlgefühlt und war ständig schlecht drauf. Meine Mama hat mich sogar zum Psychologen geschickt und es wurden mir Antidepressiva verschrieben.

Und das alles, obwohl Sie schon schwanger waren?
Im Nachhinein gesehen war mein Sohn wirklich stark. Er hat eine vierstündige Knieoperation, Antidepressiva sowie auch die Pille, die ich damals noch genommen habe, überlebt. Die Pille habe ich übrigens immer zur selben Zeit genommen, da war ich sehr genau. Ich weiß wirklich nicht, warum ich schwanger wurde.

Haben Sie keine Veränderung am Bauch oder an der Brust wahrgenommen bzw. die Periode nicht mehr bekommen?
Nein, ich habe mir halt gedacht, dass ich ein paar Kilo zugenommen habe. Was die Periode betrifft, so hatte ich immer einen sehr unregelmäßigen Zyklus. Manchmal habe ich die Regel zwei Monate überhaupt nicht bekommen und dann wieder eine Zwischenblutung gehabt. Daher habe ich mir auch dabei nichts gedacht.

Wann haben Sie gemerkt, dass ein Baby am Weg ist?
Kurz vor der Geburt. Ich war tagsüber noch in der Arbeit und um drei Uhr früh wurde ich munter, weil ich starke Rückenschmerzen hatte. Ich weckte meinen damaligen Freund, der meinte, dass das wieder besser werden wird und ich mich wieder hinlegen soll. Das habe ich auch gemacht, aber als ich in der Früh munter wurde, spürte ich ein Ziehen im Bauch und im Rücken, das ich bisher nicht gekannt hatte. Also bin ich zum Arzt gegangen. Der meinte, dass es nichts Tragisches sei und hat meine Blutwerte gemessen. Nach ein paar Stunden kam dann ein Anruf und man teilte mir mit, dass ich hohe Entzündungswerte und schlechte Nierenwerte hatte. Mit Verdacht auf Nierenversagen wurde die Rettung gerufen und während der Fahrt hat die Sanitäterin dann gemeint: „Aber du bekommst ja ein Kind!“ Meine Mama ist Gott sei Dank mitgefahren, ich hätte sonst nicht gewusst, wie ich ihr das beibringen hätte sollen (lacht).

Ihr Sohn hatte es dann ziemlich eilig, oder?
Ja, die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen, wir waren in elf Minuten im Krankenhaus und mein Sohn kam auf die Welt. Von dem Moment an, wo ich realisiert habe, dass es kein Nierenversagen ist, wusste ich, dass sich mein Leben schlagartig verändern wird.

Wie hat der Vater des Kindes darauf reagiert?
Er war gerade im Führerscheinkurs, als ich ihn vom Rettungswagen aus angerufen habe. Als er erfahren hat, dass wir ein Kind bekommen, ist er sofort ins Krankenhaus gekommen. Da es so schnell ging, war das Baby schon auf der Welt. Auch für meinen Freund ist im ersten Moment eine Welt zusammengebrochen, er war ja auch erst 17 Jahre alt. Die Jugend war für uns beide auf einen Schlag vorüber.

Für meinen Freund ist damals genauso eine Welt zusammengebrochen. Er war ja auch erst 17 Jahre alt.

Lea Lenz

Konnten Sie sofort akzeptieren, dass Sie Mutter eines Kindes sind?
Ja, ich habe es nie infrage gestellt und hätte meinen Sohn auch nie weggegeben. Meine Mama hat gemeint: „Das machen wir schon!“, und auch meine engen Freunde waren da und sind immer noch da, obwohl sie es anfangs nicht glauben konnten. Meine Mama und meine damalige „Schwiegermama“, aber auch meine Großeltern haben mich extrem unterstützt. Ich war sehr unsicher, denn plötzlich hat man ein Kind und muss damit umgehen können.

Sind Sie mit dem Vater von Felix noch zusammen?
Nein, wir waren nach Felix‘ Geburt noch circa dreieinhalb Jahre zusammen. Es war schwierig, da er viel mehr Freiheit hatte als ich, was häufig ein Streitpunkt zwischen uns war.

Aber ganz ehrlich, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit dem Partner, mit dem man mit 15, 16 Jahren zusammenkommt, auch ein Leben lang zusammenbleibt? Wie ist das Verhältnis heute?
Gut, mein Ex-Freund sieht Felix alle zwei Wochen und wir haben auch mit seinen Eltern einen guten Kontakt.

Was haben Sie damals beruflich gemacht?
Ich habe in einem Unternehmen in Gunskirchen eine Lehre gemacht. Ein Jahr lang war ich bei Felix zu Hause, danach wollte ich meine Lehre fertigmachen, aber das war ein zeitliches Problem, vor allem wegen der Berufsschulausbildung. Zum Glück habe ich im Do-it-Yourself-Fotostudio „Press the Button“ in Wels einen Job bekommen und dort vier Jahre lang gearbeitet.

Lea Lenz baut sich ein zweites Standbein als Fotografin auf und will damit zeigen, dass man an seine Träume glauben soll.
© Privat

Was war die größte Herausforderung nach der Geburt?
Dass die Leute im Ort, die mich nicht näher kannten, über mich geredet haben. Als ich nach der Geburt wieder zu Hause war, war ich halt das junge Mädchen, das auf einmal mit 17 Jahren ein Kind bekommen hat. Ich wurde teilweise angeschaut wie eine Außerirdische. Das war für mich das Schlimmste.

Was hat Ihnen am meisten geholfen in dieser Zeit?
Meine Familie, meine Freunde, das enge Umfeld, das nach der Geburt allerdings kleiner geworden ist. Da es mir mental nicht so gut ging, habe ich mithilfe eines Therapeuten vieles aufgearbeitet. Ich hatte Angst, weil ich in so jungen Jahren plötzlich eine Riesenverantwortung hatte.

Wie ist Felix?
Felix ist sehr aufgeweckt und hilfsbereit. Ich habe großes Glück mit ihm, er ist ein sehr braves Kind.
Haben Sie Angst, dass Ihnen so etwas noch einmal passieren könnte?
Ja, wenn sich irgendetwas in meinem Körper verändert, werde ich panisch, obwohl ich mit der Spirale verhüte. Ich habe einmal nicht gemerkt, dass ich schwanger bin und möchte das kein zweites Mal erleben. Außerdem würde der Zeitpunkt für ein Kind momentan überhaupt nicht passen. Felix ist jetzt aus dem Gröbsten raus und kommt im September in die Schule.

Sind Sie wieder in einer Beziehung?
Ja, ich habe seit einem Jahr wieder einen Freund und wir wohnen zusammen. Das passt super, auch für Felix.
Was würden Sie Mädchen oder Frauen raten, die dasselbe erleben?
Dass sie nicht auf die anderen Leute hören und einfach ihr Ding machen sollen. So schwach ich mental nach der Geburt war, umso stärker bin ich jetzt. Wenn jemand ein Problem damit hat, dass ich so jung Mutter geworden bin, dann ist es sein Problem, das habe ich früher nicht so gesehen.

Wie ist es, so jung Mama zu sein?
Felix war und ist fast immer dabei, wenn wir etwas unternehmen. Sicher hat sich unser Leben komplett verändert, aber wir waren trotzdem mit unseren Freunden viel unterwegs. Er braucht nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit von allen, sondern beschäftigt sich auch gerne mit sich selbst. Dank meiner Mama und Schwiegermama konnte ich auch mit einer Freundin auf Urlaub fliegen und ein Stück weit wieder aufleben.

Was bewegt Sie dazu, mit Ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich möchte aufzeigen, dass man trotz Verhütung schwanger werden kann. Dass das Leben nicht vorbei ist, wenn man mit 17 ein Kind bekommt, und man trotzdem immer seine Träume verfolgen soll. Ich bin jetzt 23 Jahre, erziehe meinen Sohn und baue mir gerade als professionelle Fotografin ein zweites Standbein auf. Vielfach werden junge Leute, die Eltern werden, als asozial und zu blöd zum Verhüten abgestempelt. Das finde ich ungerecht.

Was wünschen Sie sich für Felix und sich selbst für die Zukunft?
Dass Felix seine Persönlichkeit beibehält – er ist ein recht selbstbewusstes Kind. Und für mich, dass alles so bleibt, wie es ist. Es ist perfekt!

Abo

Wählen Sie Ihr persönliches Abo aus