Lass die Rampenfrau raus!

Lieber Bühne statt Kanzlei, sagte sich Claudia Novak eines Tages. Und folgte damit endlich ihrer inneren Stimme.

7 Min.

Wenn schon nichts aus dem Wunschberuf Rockstar geworden ist, dann eben Bühnenpräsenz auf eine andere Art. Dass in jeder Frau das Gen einer Rampenfrau steckt und wie man jede Lebenssituation im Scheinwerferlicht selbstbewusst rockt, das und noch viel mehr zeigt die Linzerin in ihrem ersten Buch auf.

Fotos: Katharina Astleitner, Michi Pechhacker

Ob Elternabend, Business-Meeting oder Hochzeitsrede: Es muss nicht immer eine große Bühne, eine Podiumsdiskussion oder ein nationales Forum sein, auf denen wir gefordert sind zu brillieren. Auch die kleinen Bühnen unseres Lebens sind Bühnen, auf denen wir uns zum Ausdruck bringen. Egal ob kleine oder große Bühne, Claudia Novak ebnet den Weg dorthin, ganz nach dem Motto: Bühne frei für dein wahres Selbst! Mit ihrem Beratungsunternehmen „Women on Stage!“ entwickelte sie als Speakerin und NLP-Coach ein umfassendes Angebot an Seminaren, Coachings und Onlinekursen für Unternehmen und Personen. In ihrem ersten Buch vereint die promovierte Juristin und ehemalige Rechtsanwältin all ihre Kompetenzen aus Studium, Beruf, Rhetorik und Yoga zu einem ganzheitlichen Ganzen. Im Interview spricht die Mama von zwei Kindern und zwei Stieftöchtern lebhaft von „Rampenfrau zu Rampenfrau“, wie man Zweifel und Lampenfieber gekonnt ein Schnippchen schlägt.

Frau Novak, wer soll sich von Ihrem Buch „Die Geburt der Rampenfrau“ angesprochen fühlen?

Ich finde, dass es das Universelle in uns Frauen anspricht, unabhängig von Alter und Beruf. Weil wir in einer Gesellschaft leben, wo es über viele Jahrhunderte zu einer Normalität wurde, dass Männer vorne stehen, dass Männer im Rampenlicht sind. Ich wünsche mir für uns Frauen eine neue Selbstverständlichkeit, im Rampenlicht zu stehen. Das soll nicht heißen, irgendwelchen Bildern entsprechen zu müssen, sondern dass jede Frau die eigene Rampenfrau in sich findet und in sich entwickeln kann.

Trägt denn jede Frau das Gen der „Rampenfrau“ in sich? 

Der Ausdruck gefällt mir! Also ja, denn jeder Mensch trägt eine Stimme in sich und damit trägt jede Frau das Gen der Rampenfrau in sich.

Was verstehen Sie unter „Rampenfrau“?

Eine Frau, die sich nicht an äußeren Idealbildern orientiert, sondern an ihrer inneren Stimme und diese auf die äußeren Bühnen lässt.

Von welchen Bühnen sprechen wir da?

Ich verstehe unter Bühne jede Form, jede Situation, wo ich mich selbst zum Ausdruck bringe, wo mir Menschen Aufmerksamkeit schenken und zuhören. Da steigt einerseits das Adrenalin, weil alle Augen auf mich gerichtet sind. Gleichzeitig ist es eine Chance, sich mit anderen Menschen zu verbinden und zu sagen, was einem wirklich wichtig ist. Das kann eine kleine Bühne sein wie ein Elternabend, ein Meeting oder eine Hochzeit oder eine große Bühne wie z.B. eine Konferenz mit 500 Personen. 

Was wäre ein erster Schritt, damit sich die innere Stimme frei entfalten kann und nach außen dringt?

Der erste Schritt wäre, mir der Hürden und Hindernisse und allem, was mich davon abhält, bewusst zu werden und diese zu überwinden.

Was sind solche Hürden?

Klassiker sind etwa Zweifel, ob das Gesagte gescheit genug ist, oder dass man zu perfektionistisch oder kritisch mit sich selbst ist. Da spielt auch mit, wie wir Frauen sozialisiert wurden. Oft schwingt ein subtiler Imperativ mit, der einem sagt, sich eher zurückzunehmen. Ganz wichtig ist mir, dass ich mich nicht erst „bühnenreif“ fühle, wenn ich perfekt bin. Sondern dass alles, was ich als Frau an Erfahrung und Expertise mitbringe, mit auf die Bühne darf. Und ohne diese großen Hürden Perfektionismus, Selbstkritik, Selbstzweifel, des Sich-Zurückhaltens, des Sich-selbst-Kleinhalten-
Wollens. 

Zweifeln wir Frauen zu oft an uns selbst, anstatt zu sagen: Hey, was habe ich zu verlieren? Ich probier‘ das einfach!

Ja, wir zweifeln viel zu viel. Was wir Frauen sicher noch verstärkt lernen dürfen, ist das Improvisieren – das beobachte ich bei vielen. Dass die Vorbereitung fast zu einem Martyrium wird. Da ist oft ein Kontrollfreak in uns Frauen. Aber eine Bühne kann ich nicht kontrollieren. Ich kann nicht kontrollieren, wie ein kollektives Miteinander im jeweiligen Moment agiert. 

Was sollten wir stattdessen tun?

Loslassen. Loslassen vom Alles-in-der-Hand-haben und Kontrollieren. Darauf zu vertrauen, gemeinsam mit dem Publikum eine gute Zeit zu haben. 

Speakerin Claudia Novak schrieb etwa ein Jahr an ihrem Buch, mit dem sie bereits ein Jahr lang „schwanger“ ging, und vereint darin all ihre bisher gesammelten Kompetenzen aus Beruf, Rhetorik und Yoga zu einem ganzheitlichen Ganzen.

Was beim Lesen des Buches auffällt, ist Ihre Vision, dass wir uns von (kon)frontalen Bühnen verabschieden und lieber in Kreisen kooperieren, interagieren und gemeinsam gestalten sollten. Entspricht der Kreis eher dem weiblichen Naturell? 

Ja, das Runde, das Verbindende des Kreises entspricht eher dem weiblichen Prinzip. Das männliche Prinzip ist mehr das Frontale, das Zugespitzte, das Lospreschende. Zwei Prinzipien, wie wir es auch von Ying-Yang her kennen. Statt einer frontalen Bühne gefällt mir das Bild von Bühne als Kreis besser, weil es das Gemeinsame in den Mittelpunkt rückt, weil es Verbindung schafft. 

Was haben Sie in Coachings, Workshops und – ich sage bewusst – Zirkeln herausgefunden: Brauchen wir einfach mehr Fehlerkultur in unserer Gesellschaft?

Wir brauchen als Gesellschaft viel mehr Fehlerkultur. Damit habe ich mich auch intensiv in meiner Masterthesis zur strategischen Kommunikation beschäftigt. Wobei sich die Frage stellt, was ein Fehler ist. Wenn man in einer Live-
situation menschlich agiert und einem da ein Hoppala passiert, ist das gleich ein Fehler oder nicht sogar eine Menschlichkeit, die sympathisch macht?

Und wie stehen Sie zu Onlinebühnen wie z.B. Instagram oder LinkedIN, auf denen wir immer besser performen „müssen“?

Ich finde, dass diese Onlinebühnen gigantische Zeiträuber sind und man sollte sie nur bewusst nutzen und einsetzen. Ich bin privat sehr gerne offline mit meinen Kindern und präsent, da wo ich gerade bin. Eines meiner wichtigsten Credos auf der Bühne ist Präsenz. Wenn ich aber ständig am Handy bin, bin ich auf zwei Bühnen gleichzeitig, aber auf keiner so wirklich. Ich wehre mich gegen den Druck, ständig online präsent sein zu müssen.

Ich finde, dass Onlinebühnen gigantische Zeiträuber sind, man sollte sie nur bewusst nutzen und einsetzen.

Ist das Buch auch als Aufarbeitung Ihrer Kindheit zu verstehen? Sie träumten ja davon, Rockstar zu werden, wählten dann aber doch eine solide Ausbildung.

Aufarbeitung würde ich es nicht nennen, aber eine Reflexion über den Zugang zur eigenen Stimme. Es kommt darin auch die Ambivalenz zum Ausdruck, die in vielen von uns steckt: Brauche ich gerade Höhle oder Bühne, Rückzug oder energetisierende Präsenz?

In gewisser Weise rocken Sie die Bühnen jetzt ja auch. Was tun Sie gegen Lampenfieber?

Ich stelle mir vor, dass ich Wurzeln habe. Ich spüre, wie ich bei der Einatmung wachse und bei der Ausatmung innerlich herunterkomme. Dabei atme ich doppelt so lange aus wie ein und beobachte, wie Kiefer, Schultern und Brustbereich weich werden, weil wir uns bei Lampenfieber oft unbewusst verhärten. Durch einen gleichmäßigen Atemrhythmus kann ich mit ruhiger, tragender Stimme sprechen. 

Haben Sie noch weitere Tricks auf Lager?

Ein weiterer Trick ist, dass ich mir im Publikum ein paar freundliche, lächelnde Gesichter suche und dann hauptsächlich mit denen rede. Good Vibes verschafft auch der Lieblingssong – ein persönlicher Stage-Song sozusagen. Am besten einer, wo man mit den Freundinnen ausgelassen tanzt und grölt. Der gedanklich hergeholte Song kann noch so peinlich sein, wichtig daran ist, dass mich das Lied in so richtig gute Stimmung versetzt. Denn dann verbreite ich automatisch selbst gute Stimmung. 

Würden Sie uns abschließend noch verraten, was Sie Ihren Kindern mit auf den Weg geben wollen?

Ich will meinem Sohn und meiner Tochter mitgeben, dass sie „Normalitäten“ hinterfragen sollen – deshalb musste mein Achtjähriger auch zum neuen Barbie-Film mit (lacht). Sie sollen lernen, auf ihre innere Stimme zu hören und den Mund aufmachen, wenn ihnen etwas wichtig ist. 

LIVE-ABENDE:

Buchpräsentation
am 12. 12. 2023 um 20 Uhr:
Kunst im Keller, Ried im Innkreis 

Live-Webinar-Reihe
DIE RAMPENFRAU: Beginn am 24. 10. Mehr auf: womenonstage.at

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