Chill mal wieder!

… wenn das bloß so einfach wäre, wie es sich anhört. Wir haben deshalb Tipps gesammelt, wie man im Urlaub, aber auch im Alltag besser entspannen kann.

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Viele Menschen tun sich sogar im Urlaub schwer damit, herunterzukommen und zu entspannen. Weil sie endlich all das tun können, was unter dem Jahr zu kurz kommt – Freunde treffen, Wanderungen und Radtouren unternehmen, Ausflüge machen, essen gehen oder einfach mal die Wohnung entrümpeln, um neuen Platz zu schaffen und wieder frei durchatmen zu können. Aber bleibt da noch Zeit für echte Entspannung und um die Seele baumeln zu lassen? Wohl kaum, wenn nahezu jeder Urlaubstag mit Programm vollgestopft wird. 

Grundsätzlich muss man wissen, dass sich der Körper ganz von selbst verspannt. Ursache dafür können stressige Zeiten im Job sein oder auch ein unliebsamer Zeitgenosse. Entspannen hingegen kann der Körper nicht von selbst. Dafür braucht er Unterstützung. „So verschieden wie die Menschen sind, so unterschiedlich ist auch ihr Zugang, damit Körper und Geist wieder zur Ruhe kommen können“, weiß August Höglinger, der als Coach, Vortragender und Autor tätig ist (www.hoeglinger.net). „Sensible Menschen brauchen zum Beispiel sanfte Formen des Entspannens. Dazu zählen leichte Spaziergänge, Schwimmen oder Tai-Chi, Qigong und Yoga. Auch Waldbaden und Achtsamkeitsmeditationen können guttun.“ 

Spannung an den Boden ableiten. Was diesen Menschen auch hilft, ist Barfußgehen. Oder auf einer Wiese zu liegen und körperliche Spannung an den Boden abzuleiten. „Wir kennen das von fern-
östlichen Meditationen oder den Mohammedanern“, erklärt Höglinger. „Sie berühren beim Gebet zum Beispiel mit den Handflächen und der Stirn den Boden. Dabei wird auf sanfte Art zu viel Anspannung an den Boden abgeleitet.“

Für eher robustere Menschen oder wenn die Verspannungen bereits sehr tief sitzen, braucht es hingegen robustere Formen des Entspannens. Dafür gibt es fünf verschiedene Formen, wie man diese Anspannung am besten abbauen kann (siehe Info-Kasten). Die gute Nachricht ist: Macht man jeden Tag Entspannungsübungen oder geht regelmäßig massieren, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich große Verspannungen ansiedeln.

Meditieren: Das sollte man wissen. Besonders wohltuend können auch Meditationen sein. Allerdings ist hierzu etwas Vorwissen wichtig. „Die meisten Menschen glauben, dass sich Entspannung einstellt, sobald sie sich zum Meditieren hinsetzen“, weiß Höglinger, der seit mehr als 30 Jahren auch als Meditationsleiter tätig ist. „Das stimmt so aber nicht, denn zuallererst muss man zur Ruhe kommen. Und in diesem Moment der Ruhe kommen einem alle unerledigten Dinge in den Sinn. Denn all diese Dinge hinterlassen irgendwo in der Muskulatur eine Spannung. Und je mehr unerledigte Sachen es gibt, umso mehr Muskeln sind angespannt.“ 

Unerledigte Dinge notieren. Durch die Entspannung und das Zur-Ruhe-
Kommen beim Meditieren lösen sich verschiedenste Spannungen im Körper. Und dadurch poppen all die unerledigten Dinge auf. Höglinger rät daher, Block und Stift oder das Handy neben sich zu haben und diese Dinge sofort zu notieren. Auf diese Weise kann der Kopf es wirklich loslassen und es wird dennoch nicht vergessen. 

Das sollte man berücksichtigen, wenn man mit Meditationen anfängt – dass sich der Entspannungseffekt nicht sofort einstellt, sondern dass es ein bisschen braucht. Um von dieser positiven Wirkung zu profitieren, empfiehlt der Experte – Höglinger ist seit mehr als 30 Jahren Meditationsleiter – mindestens einmal am Tag zu meditieren. Denn die Regelmäßigkeit sei das Geheimnis des Erfolges.

Digital Detox – ja oder nein? Und wie wichtig ist es, dass man zum Beispiel auch einmal bewusst das Handy auf die Seite legt oder die sozialen Medien einmal bewusst meidet? „Grundsätzlich denke ich schon, dass es zur Entspannung beiträgt“, so Höglinger. „Es gibt allerdings Menschen, denen es mehr Stress verursacht, wenn sie mal eine Zeit lang das Handy zur Seite legen. Das muss man ausprobieren, ob es bei einem selbst funktioniert oder nicht.“

Fünf Formen um Anspannung Abzubauen

Die erste Form ist Treten – etwa beim Radfahren oder Laufen. Dann gibt es das Schlagen. Dazu zählen Sportarten, wie Golf oder Tennis. Die dritte Form, um Spannung abzubauen, ist Stoßen. Dazu gehört Kugelstoßen, aber auch Asphalt- oder Eisstockschießen und Kegeln. Die vierte Form ist Beißen. „Dabei geht es um das Lockern der Kaumuskulatur, die sehr wichtig für unser Wohlbefinden und das Entspannungsgefühl ist“, erklärt August Höglinger. Er selbst isst dazu zum Beispiel gelegentlich hartes Brot oder Mehlspeisen, bei denen man gut beißen muss. Die fünfte Form ist Würgen, eine Handbewegung wie etwa beim Aufdrehen einer Flasche oder Auswringen eines Handtuches. Sind Verspannungen im Körper bereits somatisiert, also in den Muskeln abgespeichert, helfen nur noch diese fünf Formen. Aus diesem Grund sollte man in einem ersten Schritt erst einmal schauen, welcher Typus man selbst ist und wie weit die Verspannungen fortgeschritten sind.

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Entrümpeln bringt Leichtigkeit. Verbringt man den Sommerurlaub daheim, könnte man einen Tag zum Entrümpeln nützen – etwa wenn das Wetter schlecht ist. Das klingt im ersten Moment zwar nur nach Arbeit, allerdings ist das Gefühl danach dermaßen gut und befreiend, dass es sich immer lohnt. Wichtig ist aber, dass der Zeitpunkt dafür wirklich passt. „Nur wenn man in der Früh das Gefühl hat, dass heute ein Tag zum Entrümpeln ist, sollte man das tatsächlich in Angriff nehmen“, sagt auch der Experte, der zu diesem Thema sogar ein Buch geschrieben hat. „Außerdem ist es wichtig, dass man sich nicht zu viel vornimmt. Man kann mit einer Schublade, einer Kommode, dem Kühlschrank oder einem Teil des Kleiderkastens beginnen. Ich erlebe es oft, dass der komplette Kleiderschrank ausgeräumt wird – und dann sind die Leute müde und schaffen es nicht mehr weiterzumachen. Entrümpeln ist extrem anstrengend. Man muss dabei loslassen, in der Folge entspannt die Muskulatur – und dann kommt die Müdigkeit.“

Warum Garteln So gut tut

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Kaum einer weiß das so gut wie Biogärtner Karl Ploberger. „Die Farbe Grün, die ganze Palette an bunten Blüten und der sinnliche Duft sorgen bei fast allen Menschen für Entspannung“, erklärt der Gartenexperte, der im Frühling sein neues Buch „Frag doch den Ploberger!“ herausgebracht hat (www.biogaertner.at). „Allerdings nur dann, wenn man sich nicht zu viel vorgenommen hat. Egal, was man plant – es sollte immer Licht am Ende des Tunnels sein. Das Ziel muss in absehbarer Zeit erreichbar sein, damit das Garteln nicht in Stress ausartet.“ 

Das Besondere an der Gartenarbeit: Je länger man sich mit der Pflanzenwelt befasst, desto sensibler werden die Sinne und desto intensiver nimmt man sie wahr. So ist der Duft der Erde im Frühjahr zum Beispiel ein ganz anderer als jener im Herbst. Dazu kommt, dass man sich an der frischen Luft bewegt und ganz nebenbei die wohltuenden Sonnenstrahlen genießen kann – all das ist Balsam für die Seele. Es entspannt und entschleunigt, denn im Garten gibt die Natur das Tempo vor. Es heißt nicht umsonst: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Außerdem stärkt Gartenarbeit auch das Immunsystem, die Ausdauer und das Herz-Kreislauf-System. Ein weiterer Bonus: Wer gärtnert, kommt in den Genuss des Erntens. Obst und Gemüse schmecken frisch von der Staude oder aus dem Beet nicht nur besser, es ist auch gesünder, weil es voller wertvoller Vitalstoffe ist. 

„Und wenn man dann nach getaner Arbeit mit Schwielen an den Händen, Muskelkater und einem Lächeln im Gesicht von der Hängematte oder vom Liegestuhl aus sein Werk betrachten kann, ist die Freude nach einem Tag im Garten wirklich groß“, bestätigt auch Karl Ploberger. 

Wandern für die Seele

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Warum es uns so entspannt, wenn wir Zeit in der Natur verbringen, weiß die Welserin Karin Hochhauser. Sie ist staatlich geprüfte Wanderführerin, diplomierte Outdoor- und Mentaltrainerin und bietet Wanderungen mit verschiedenen Schwerpunkten an (www.österreichs-berge.at).  

„Die Natur hat eine beruhigende Wirkung auf unsere Seele“, sagt sie. „Wir lassen den Alltagsstress hinter uns, Körper und Geist können zur Ruhe kommen. Die Natur hilft uns, Stress abzubauen, sie verbessert unsere geistige und körperliche Gesundheit sowie unsere Leistungsfähigkeit.“ Sie empfiehlt, mindestens zwei Mal in der Woche in die Natur zu gehen. Im Idealfall ist man in dieser Zeit nicht erreichbar und lässt das Handy sogar zu Hause. So könne man besser abschalten und entgehe auch dem Zeitdruck, nach einer gewissen Zeit wieder daheim sein zu müssen, weil noch dieses oder jenes erledigt werden muss. 

Besonders das Wandern kann ein guter Ausgleich zum Alltagsstress sein. „Man bekommt dabei den Kopf frei, sammelt neue Eindrücke und lenkt den Fokus von Pro-
blemen und Verpflichtungen weg“, so Hochhauser. 

Wichtig ist für die Wanderexpertin allerdings, die richtige Balance zu finden und nicht zu viel zu planen oder sich zu sehr zu verausgaben. Es gehe auch nicht darum, in welcher Zeit ein Gipfel erklommen oder eine Tour geschafft wird. „Leider haben wir oft verlernt, die Momente im Hier und Jetzt zu genießen“, sagt sie. „Bei meinen Wanderungen frage ich die Teilnehmer oft, welche Momente beim Aufstieg die schönsten waren. Denn auch darum geht es – den Genuss zu spüren und aus dem Tag neue Kraft zu schöpfen. Nicht immer ist der Gipfel das Ziel. Es ist genauso schön, wenn man sich einfach in die Wiese legt, in den Himmel schaut und Fantasiefiguren aus Wolken erschafft. Auch das ist ein erfolgreicher Bergtag.“

Entspannt durch richtiges Atmen

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Auch wer richtig atmet, kann entspannen. Üben Sie im Alltag deshalb, hin und wieder durch die Nase einzuatmen und durch die schmale Mundöffnung – die sogenannte Lippenbremse – entspannt auszuatmen. „Das Ausatmen durch die schmale Mundöffnung verlängert den Ausatem und wirkt damit entspannend auf allen Ebenen, also Körper, Geist und Seele“, erklärt Elke Brenner, die in Linz als Trainerin für Kohärentes Atmen und Entspannungstrainerin tätig ist (www.elkebrenner.at). „Der verlängerte Ausatem lässt Spannungen abfließen und nimmt den Druck aus gewissen Situationen oder aus dem Körper.“

Diese Atemübung kann sowohl im Sitzen als auch im Liegen durchgeführt werden. Wichtig ist, dabei auf die Körperhaltung zu achten. Im Sitzen sollten die Fußsohlen gut verankert zum Boden sein (dafür eventuell sogar die Schuhe ausziehen). Das Becken sollte aufgerichtet sein, damit die Wirbelsäule in die Länge zieht (vom Steißbein bis zum Scheitelpunkt). Die Schultern dürfen ganz entspannt nach unten hängen. Der Kopf ist in Neutralstellung. Das heißt: Das Kinn ist parallel zum Boden ausgerichtet. Die Arme sind seitlich ganz entspannt neben dem Körper.

Im Liegen gibt man sein gesamtes Gewicht zum Boden hin ab und lässt sich sozusagen vom Boden tragen. Es kann sogar sein, dass man mit dem Entspannungsatem einschläft. 

Expertinnen-Tipp: Versuchen Sie, beim verlängerten Ausatmen einen Ton mitzunehmen oder lassen Sie ein Ausseufzen entstehen und nehmen Sie diese entspannende Wirkung wahr!

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